Japanische Aktien verlieren an Charme
Japanische Aktien verlieren an Charme
Höhere US-Importzölle und die Aufwertung des Yen schmälern die Firmengewinne und verzögern die Normalisierung der Geldpolitik
US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Zollerhöhungen die ohnehin lahmende Rally am japanischen Aktienmarkt vorerst beendet. Positive Faktoren wie die Anstren- gungen für mehr Kapitaleffizienz und eine aktionärsfreundliche Corporate Governance bleiben aber intakt. Die Aktien von binnenorien- tierten Unternehmen bleiben daher interessant.
Von Martin Fritz, Tokio
Die Erhöhung der US-Einfuhrzölle hat Japans Aktienmarkt besonders heftig getroffen. Gegenüber dem Jahresanfang verlor der Nikkei 225 bis zum 7. April rund 22% und der breit gefasste Topix 17,8%. Dagegen ging es beim S&P 500 um 13,9% abwärts, beim Euro Stoxx 50 betrug der Verlust nur 4,9%.
Die übermäßig hohen Verluste in Tokio erklären sich aus den Folgen höherer Zölle. Japanische Fahrzeugbauer, die die meisten Autos in die USA importieren, müssen nun 25% statt 2,5% Einfuhrzoll zahlen. Auch der generelle Zollsatz von 10% trifft Japan hart, da die USA mit rund einem Fünftel der wichtigste Exportmarkt sind. Bei einem Scheitern der Verhandlungen drohen ab Juli Importabgaben von 24%, 4 Prozentpunkte mehr als für EU-Waren.
Kursziele deutlich gesenkt
Die Zölle werden die Gewinne pro Aktie der Topix-Unternehmen auf direkte und indirekte Weise laut einer Nomura-Schätzung um 14% drücken. Im Vergleich zum Vorjahr würden sie um 7% zurückgehen. Dieses Minus habe der Markt nun eingepreist. Goldman Sachs kürzte die Gewinnprognose für 2025 wegen der Zölle um 10%, behielt aber die Einstufung „Übergewichten“ bei. Aber Blackrock stufte den Ausblick auf „Neutral“ herunter.

UBS Japan senkte am 11. April das Kursziel für den Topix zum Jahresende von 2.900 auf 2.500 und für den Nikkei 225 von 41.500 auf 35.000. Konkret empfehlen die UBS-Strategen Aktien von Unternehmen mit Reformpotenzial und Binnenorientierung, darunter Pan Pacific International, Toyo Suisan, Sumitomo Realty & Development und Panasonic. Ein entscheidender Analysefaktor ist der Dollar-Yen-Wechselkurs. Japans börsennotierte Unternehmen erzielen zwei Drittel ihrer Gewinne im Ausland. Bei einer Abwertung der Heimatwährung steigt ihr in Yen bilanzierter Gewinn, eine Aufwertung führt zu einer Gewinnminderung. Als Faustregel gilt: Eine Aufwertung um 10 Yen zum Dollar schmälert die Erträge um 8%. Seit dem Jahreswechsel festigte sich Japans Währung um bis zu 18 Yen, was einen entsprechend großen Schatten über die Gewinne wirft.
Starker Yen drückt Gewinne
Die japanische Börse ist auch traditionell besonders anfällig für globale Verkaufswellen. Tokio ist der erste große Börsenplatz, der während des globalen Handelstages öffnet. Die Händler reagieren dort zuerst auf Entwicklungen am Wochenende und Ankündigungen im Weißen Haus nach Handelsschluss an der Wall Street. Zugleich ist die Börse im Tokioter Viertel Kabutocho ein Spielball ausländischer Investoren wie Makro-Hedgefonds, die im Schnitt über 60% des täglichen Handels abwickeln.
Hohe europäische Verkäufe
Unter ihnen dominieren europäische Adressen mit rund 80% des ausländischen Handelsvolumens. Im Februar verkauften die Europäer nach einem Bericht der Finanzzeitung „Nikkei“ japanische Aktien für netto 774 Mrd. Yen (4,8 Mrd. Euro), fast sechsmal so viel wie US-Investoren. „Japan ist der liquideste und am einfachsten zu shortende Markt in dieser Zeitzone“, sagt Zuhair Khan, Senior Fund Manager bei UBP Investments in Tokio. „Wenn globale Makroinvestoren Asien negativ einschätzen, dann nutzen sie den Markt in Japan.“
Aufgrund des hohen Anteils der Auslandsgewinne reagiert der japanische Aktienmarkt besonders sensibel auf Schwankungen der Weltkonjunktur. Dass der Internationale Währungsfonds (IWF) soeben seine Wachstums-Jahresprognose für Japan um 0,5 Punkte auf 0,6% senkte, belastet daher den Ausblick. Für 2026 kürzte der IWF den Ausblick um 0,2 Punkte auf ebenfalls 0,6%.
Der Währungsfonds geht wie viele andere Analysten davon aus, dass die Bank of Japan (BoJ) den Leitzins wegen der möglichen Auswirkungen der höheren US-Zölle langsamer als erwartet anheben wird. Analysten gingen vor dem Zollschock von einer Zinserhöhung im Juni oder Juli auf 0,75% aus, falls die Löhne und Preise wie erwartet weiter steigen. Der IWF schätzt, dass die Notenbank mittelfristig einen „neutralen Zins“ von 1,5% anstrebt.
Leitzinsanhebung kommt später
Nach Informationen von Reuters wird die Notenbank bei ihrem Treffen am 30. April und 1. Mai keine Zinserhöhung beschließen, aber ihre Bereitschaft dazu bekräftigen und zur Begründung auf den intakten Zyklus steigender Löhne und Preise verweisen. In einem Interview vom 16. April hob Notenbankchef Kazuo Ueda die (negativen) Auswirkungen der Zollnachrichten hervor, die bereits die Managerstimmung und das Verbrauchervertrauen belasteten. Japans Regierung reagierte darauf, indem sie ab Mai je Liter Benzin und Diesel einen Zuschuss von 10 Yen (6 Cent) bzw. 5 Yen zahlt.
Aus Sicht der Aktienanleger bedeutet dies, dass sich die Normalisierung der Geldpolitik, die ein wesentliches Argument für ausländische Japan-Engagements war, verzögern wird. Diese Einschätzung erklärt, warum Aktien der Finanzgruppen als Nutznießer steigender Zinsen Anfang April besonders unter die Räder gerieten.
Auf der Habenseite stehen die Verbesserungen der Corporate Governance zugunsten einer höheren Kapitaleffizienz, die das zweite starke Motiv für ausländische Aktienkäufe waren und weitergehen. Die Zahl der Abspaltungen, Ausgliederungen und Verkäufe von Tochterfirmen und Sparten stieg 2024 auf 417 und damit das höchste Niveau seit 15 Jahren. In den ersten drei Monaten 2025 sprang die Zahl solcher Deals, an denen häufig Private-Equity-Fonds beteiligt sind, um weitere 33% zum Vorjahr nach oben. Die Rufe von Aktionären nach höheren Ausschüttungen und Management-Reformen werden stärker erhört. Die Aktienrückkäufe verdoppelten sich 2024 auf 18 Bill. Yen (111 Mrd. Euro). Toyota verkleinerte den Verwaltungsrat von 16 auf 10 Direktoren, Seven & i tauschte den Chef aus, Panasonic und Kyocera begannen eine Restrukturierung.