Korrektur des S&P 500 bei Rückgang des ISM-Index
Der Konjunkturoptimismus in den USA hat zuletzt historische Rekordmarken erreicht. Die massiven Hilfsprogramme der US-Regierung und ein schneller Impffortschritt lassen für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von rund 7% erwarten. In der Folge ist der US-Einkaufsmanagerindex (ISM) für das verarbeitende Gewerbe im März auf 64,7 gestiegen und damit auf den höchsten Wert seit 38 Jahren. Nur gut ein Jahr zuvor lag er aufgrund des weltweiten Corona-Lockdowns noch bei 41,5. Auch der Einkaufsmanagerindex für das nicht-verarbeitende Gewerbe erzielte im März mit 63,7 ein neues Allzeithoch, obwohl dieser Sektor noch immer unter Einschränkungen leidet.
Doch das Stimmungshoch in der US-Wirtschaft scheint bereits durchschritten zu sein. Nachdem der ISM für den Dienstleistungssektor im Mai nochmals leicht auf ein neues Hoch von 64,0 stieg, setzte im Juni ein erster deutlicher Rückgang um 3,9 Punkte ein. Im verarbeitenden Gewerbe ist der Wert zuletzt auf 60,6 gefallen. Und auch das rückläufige Kreditwachstum in China deutet auf eine weitere Abschwächung hin. Denn der historische Vorlauf des China Credit Impulse von etwa zwölf Monaten gegenüber dem ISM spricht für eine deutliche Stimmungsabkühlung zum Jahresende.
Meist Gleichlauf
Damit stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine Stimmungsabkühlung auf die weitere Aktienmarktentwicklung hat. Ist nach den starken Kursgewinnen der vergangenen Monate also mit einer spürbaren Börsenkorrektur zu rechnen? Oder spricht das aller Voraussicht nach anhaltend starke Wirtschaftswachstum eher für weiter steigende Notierungen?
Grundsätzlich war bislang ein relativ hoher Gleichlauf zwischen der Wertentwicklung an den Aktienmärkten und makroökonomischen Wachstumsindikatoren zu beobachten. So lag die Korrelation zwischen dem ISM und dem S&P 500 zuletzt bei 73%. Dies überrascht allerdings nicht, da konjunkturelle Schwankungen die Gewinnentwicklung der Unternehmen und damit den Kursverlauf maßgeblich beeinflussen.
Ein weiterer Beleg für den Gleichklang von Konjunktur und Aktienkursen ist die Entwicklung des Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in den USA seit 1948: Von dessen insgesamt 36 „Peaks“ hatten zwei Drittel einen invers V-förmigen Verlauf. In 20% aller Fälle kam es zu einer Seitwärtskonsolidierung auf hohem Niveau. Der durchschnittliche Kursverlust im S&P 500 betrug über alle Betrachtungszeiträume etwa 11%. Rechnet man dabei die Phasen am Ende eines Konjunkturzyklus heraus, beläuft sich der Rückgang des S&P 500 im Mittel auf 8,4%. Selbst in den Fällen, die durch eine Seitwärtskonsolidierung gekennzeichnet waren, fielen die Kurse noch immer um etwa 6% und das, obwohl der Einkaufsmanagerindex zu dem Zeitpunkt ein anhaltend stabiles Wirtschaftswachstum signalisierte.
Spürbare Korrekturen am Aktienmarkt waren aber auch immer zu Beginn eines neuen Konjunkturaufschwungs zu beobachten, nachdem der amerikanische Einkaufsmanagerindex einen zwischenzeitlichen Hochpunkt erreicht hatte, so zum Beispiel in den Jahren 1984, 1994, 2004, 2010 und 2011. Die Erklärung hierfür scheint auf den ersten Blick in der Reaktion der US-Notenbank begründet. Infolge gestiegener Inflationszahlen begann die Fed meist frühzeitig die Zinsen zu erhöhen und damit die Geldpolitik zu straffen. Nicht so jedoch im Nachgang zur globalen Finanzmarktkrise 2010 und 2011. Trotz eines anhaltend hohen Konjunkturoptimismus und eines Einkaufsmanagerindex, der über lange Zeit oberhalb von 55 verharrte, kam es im S&P 500 zu Korrekturen von jeweils 16% beziehungsweise 18%. Und auch die Diskussion über eine potenzielle Reduktion der Anleihekäufe (Tapering) folgte erst im Jahr 2013 und damit zwei Jahre später.
Analog der Entwicklung an den Aktienmärkten insgesamt hatte der Verlauf der Einkaufsmanagerindizes auch einen wesentlichen Einfluss auf die Performance einzelner Sektoren. Dies spiegelt sich beispielsweise in einer massiven Branchenrotation auf Sicht der vergangenen 18 Monate wider. Innerhalb von nur wenigen Handelstagen hatten zwei Ereignisse stattgefunden, die ihre Wirkung als Game Changer für die Kapitalmärkte nicht verfehlt haben: der Ausgang der US-Wahlen und der Durchbruch bei der Covid-19-Impfstoffentwicklung. Zwar notierte der ISM zu Beginn des vierten Quartals bereits oberhalb von 55. Die Konjunkturstimmung erhielt über den Jahreswechsel jedoch einen weiteren Schub, der die Kursentwicklungen der Aktiensektoren maßgeblich prägte. Lange Zeit lag der Fokus der Investoren ausschließlich auf Wachstumsaktien im Bereich Technologie und zyklischer Konsum. Dieses Bild drehte sich jedoch schlagartig im November und die bisherigen Underperformer Energie, Finanzen und Industrie konnten innerhalb weniger Monate massiv an Wert gewinnen.
Kein nachhaltiger Einbruch
Durch die hohe Korrelation zwischen ISM und Aktienmarkt ist bei einem Rückgang der Einkaufsmanagerindizes eine taktische Korrektur beim S&P 500 also durchaus möglich. Bei den vorliegenden Rahmenbedingungen könnte diese bei rund 10% liegen. Selbst eine Seitwärtskonsolidierung auf hohem Niveau könnte als Auslöser eines Kursrückgangs genügen. Ein nachhaltiger Einbruch am Aktienmarkt ist jedoch nur bei einer deutlichen Stimmungsabkühlung wahrscheinlich. Das größte Risiko liegt in der Inflationsentwicklung. Sollten die Preissteigerungen deutlicher ausfallen als erwartet, könnte die US-Notenbank schneller von der bisher noch ultraexpansiven Geldpolitik Abstand nehmen als im heutigen Investorenkonsens angenommen.
Allerdings würden bei einem nachlassenden Wachstumsmomentum, welches am ehesten der aktuellen Situation gleicht, die zyklischen Sektoren sowie IT und Small Caps dem Gesamtmarkt in der Wertentwicklung signifikant hinterherlaufen. Entsprechend dürften die Anleger in defensivere Sektoren sowie Energy und Large Caps umschichten.