Dax

Leitindex im Bann der Zinswende

Trotz zahlreicher Belastungsfaktoren hält sich der Dax auch im dritten Coronajahr bisher solide. Doch nun könnte aus technischer Sicht eine Trendumkehr bevorstehen.

Leitindex im Bann der Zinswende

Von Christian Henke*)

Das zweite Coronajahr ist für den Dax sehr erfolgreich ausgefallen. Auch der Beginn des dritten Jahres der Pandemie verlief für den deutschen Leitindex zuerst vielversprechend. Doch dann haben zwei Belastungsfaktoren die Börsenbühne betreten, die es in sich haben und den weltweiten Aktienmärkten nun einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen könnten.

Die Bundesbürger bekommen es täglich an der Tankstelle oder im Supermarkt zu spüren: Die Preise steigen, und das sogar ziemlich deutlich. Die Inflation hat dies- und jenseits des Atlantiks bereits historische Höchststände erreicht. Die Folge ist nun die Zinswende, die in den USA bereits in trockenen Tüchern ist. Im März könnte die Federal Reserve zum ersten Mal seit langem an der Zinsschraube drehen. Experten gehen im Augenblick von bis zu sieben Leitzinserhöhungen in diesem Jahr aus. Allerdings hat nicht die Fed als erste Notenbank die geldpolitischen Zügel straffer gezogen, sondern die Bank of England, die den Leitzins bereits erhöht hat. Zuletzt ist der Druck auf die Europäische Zentralbank gestiegen. Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, ziert sich zwar noch ein wenig, dennoch dürfte auch in der Eurozone die Politik des billigen Geldes auf absehbare Zeit zu Ende sein. Der erste Zinsschritt könnte im vierten Quartal erfolgen.

Steigende Renditen als Gift

Die Kapitalmärkte haben bereits vor einiger Zeit die Leitzinserhöhungen in Form steigender US-Renditen vorweggenommen. Charttechnisch interessant sieht es bei der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen aus, die im Big Picture auf Monatsbasis aus einer inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation nach oben ausgebrochen ist. Die vollendete Umkehrformation signalisiert weiter steigende Renditen, und dies mögen Technologieaktien bekanntlich gar nicht. Aber auch der Gesamtmarkt leidet darunter zunehmend. Gewinner sind dagegen Aktien aus den Sektoren Banken und Versicherungen.

Infolge der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten wurde zunehmend Kapital abgezogen. Davon hat vor allem der Rohstoffsektor profitiert. In welcher Assetklasse das Geld fließt, kann unter anderem mit der sogenannten Aktien/Rohstoffe-Relation gemessen werden. Hierbei wird die Kursreihe des S&P 500 durch die des Rohstoff-Index CRB dividiert und grafisch aufgearbeitet. In dem daraus entstandenen Chart ist zurzeit zu erkennen, dass die lange andauernde Outperformance der Aktien zu Ende ist. Seit 2021 haben Öl & Co. an Beliebtheit gewonnen.

Auch die derzeitige Geopolitik spielt eine zunehmend wichtige Rolle an den Finanzmärkten. Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nehmen zu. Die sich immer schneller drehende Eskalationsspirale schürt die Angst vor einer militärischen Intervention Moskaus. Ein Einmarsch Russlands in das Nachbarland hätte fatale Folgen für den Dax und weitere bedeutende Aktienindizes, wie es auch zeitweise im Jahr 2014 der Fall war. Damals hatte die Annexion der Halbinsel Krim wochenlang für Verunsicherung gesorgt. Profiteur der Kriegsangst ist momentan der Ölpreis, der zuletzt in höhere Kursregionen vorgestoßen ist.

Einflussreiche US-Wahlen

Die Kirsche auf dem bitteren Nachrichtencocktail ist die Tatsache, dass sich die Aktienmärkte in einem Zwischenwahljahr befinden. Und diese sind statistisch betrachtet nicht die besten. In den zurückliegenden 72 Jahren gab es 17 Zwischenwahljahre. In 53% der Fälle lag die Performance des marktbreiten S&P 500 bei mageren 3%. Die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten haben auch hierzulande einen großen Einfluss. Der deutsche Leitindex büßte in den vergangenen 34 Jahren in den Zwischenwahljahren rund 6% an Wert ein. Der Zeitraum im besagten Präsidentschaftswahlzyklus­ steht einem Erfolg wie im vergangenen Jahr als zusätzlicher Belastungsfaktor im Weg.

Kommen wir abschließend zur charttechnischen Betrachtung des heimischen Börsenbarometers. Hierbei schauen wir uns das Big Picture auf Monatsbasis an. Die gute Nachricht vorweg, der Dax befindet sich weiterhin in einem übergeordneten Aufwärtstrend. Die schlechte Nachricht ist, dass seit Mai des vergangenen Jahres eine Seitwärtsphase zu beobachten ist. Die Ober- und Unterseite der Handelsspanne liegt bei 16290 beziehungsweise 14800 Punkten. Zurzeit orientiert sich der Dax eher in Richtung der unteren Begrenzung. Ein Monatsschlusskurs unterhalb der Fortsetzungsformation hätte eine Trendumkehr zur Folge. In diesem Fall könnte das einstige Rekordhoch von 13500 Zählern aus dem Jahr 2017 angesteuert werden. Die genannte Bestmarke ist deshalb als Unterstützung so wichtig, da diese Chartmarke sehr lange einem Vormarsch in höhere Kursgefilde im Weg stand. Die Oberseite der Handelsspanne ist im Augenblick weit entfernt.

Rekordjagd mit Hindernis

Erst wenn ein Ausbruch aus der besagten Chartformation nach oben glücken würde, könnte der deutsche Leitindex seine Rekordjagd bis zum 161,8-%-Fibonacci-Niveau bei 17470 Punkten fortsetzen. Zur Berechnung des Kursziels wurde die äußerst starke Korrekturwelle zu Beginn der Coronakrise im Jahr 2020 berücksichtigt. Knapp darüber verläuft im Langfristchart die steigende Trendlinie bei aktuell 17530 Zählern.

*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG Europe.

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