Nachhaltigkeit

Metzler regt neuen ESG-Ansatz an

Ein Umdenken bei Nachhaltigkeitsinvestments regt das Bankhaus Metzler an. Der einseitige Fokus auf die Reduktion von Treibhausgasen in einem Unternehmen greife zu kurz.

Metzler regt neuen ESG-Ansatz an

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Klimawandel und CO2-Neutralität sind seit Jahren die großen Trends im Assetmanagement. „Jede zweite Anfrage unserer Kunden dreht sich darum, und 90% der Investoren wollen wissen, wie sich der CO2-Fußabdruck im Portfolio senken lässt“, berichtet Jan Rabe, ESG-Anlagestratege bei Metzler Asset Management. Es sei jedoch ein Trugschluss, von einem reduzierten CO2-Fußabdruck im Portfolio zwingend auf einen positiven Effekt auf das Klima zu schließen. Der weit verbreitete Investmentansatz mit dem Ziel, CO2 auf Portfolioebene zu reduzieren, treibe in vielen anderen Branchen die Preise hoch und führe in einer Kreislaufbetrachtung dazu, dass auch klimafreundliche Technologien wie Solar und Fotovoltaik teurer werden. Metzler regt an, nachhaltige und klimaneutrale Kapitalanlage neu zu denken.

Energieintensive Solarparks

Nach Darstellung der Anlagesparte der Privatbank kommen 98% der Vorprodukte eines Solar-FV-Moduls aus CO2-intensiven Branchen. Das bedeute auch, dass der Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft die Rohstoffintensität stark erhöhen werde. Zudem müssten Rohstoffe klimaneutral geschürft, verarbeitet und transportiert werden.

Metzler weist in der Studie darauf hin, dass es durch einen Fokus auf den CO2-Fußabdruck eines Portfolios zu einer Verschiebung von Kapital in nachgelagerte Teile von Wertschöpfungsketten komme. „Das verteuert die Energiewende nicht nur, sondern verlangsamt sie auch“, sagt Rabe. Deshalb dürfe eine nachhaltige Kapitalanlage sich keinesfalls nur auf die Reduktion des CO2-Fußabdrucks konzentrieren. 

Rabe kritisiert passive Konzepte, die zum Beispiel Paris-Aligned-Benchmarks (PAB) nutzen. ESG-Konzepte mit Indizes basierten oft auf Methoden, die sich etwa an der EU-Taxonomie orientieren und das Erwärmungspotenzial einer Branche berücksichtigen. Das führe dazu, dass passive ESG-Anlagen einseitig in grüne Technologien und Branchen investieren. Traditionelle Branchen, in denen die Vorprodukte hergestellt werden wie Bergbau und Stahl, würden abgestraft und könnten sich schlechter finanzieren.

Weg vom Branchendenken

Am Beispiel der globalen Solar-Fotovoltaik-Wertschöpfungskette lasse sich zeigen, welche Folgen es hat, wenn bestimmte Geschäftsmodelle von der EU-Taxonomie bevorzugt werden. Weil der Betrieb eines Solarparks den Vorgaben aus der Verordnung entspricht, profitiert dieses Geschäft vom Kapitalzufluss passiver Anlageprodukte. Andere Teile in der Wertschöpfungskette kommen gemessen an der Finanzierung daher zu kurz. So verteuert die neue, Taxonomie-konforme Allokation von Kapital beispielsweise das Schürfen von Silicium, das aber in verarbeiteter Form als Polysilicium ein wichtiges Vorprodukt für die Fertigung von Solarmodulen sei.

Geschäftsmodelle zur Erzeugung von grünem Wasserstoff mit Hilfe regenerativer Energien, der die Produktion von klimaneutralem Stahl ermöglichen würde, passen jedoch in weiten Teilen nicht zu den Kriterien passiver Anlageprodukte.

Unterschiedliche Strategien

Metzler Asset Management weist zudem auf die Bedeutung von ESG-Strategien hin, die in vielen Fällen nicht die Wirkung im Blick hätten: Lediglich 6% der in einer repräsentativen Studie erfassten Vermögenswerte, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten investiert werden, würden in thematische Ansätze in­vestiert. Und nur 1% wird von Impact-orientierten Ansätzen abgedeckt. Das bedeute, dass sich viele Investoren nicht über die realwirtschaftlichen Konsequenzen ihrer Kapitalanlage bewusst sind. Es bestehe die Gefahr, dass eine eindimensionale Betrachtung zu Zielkonflikten führe, die die Bestrebungen der Energiewende konterkarieren. „Ein Um­denken ist nötig“, sagt Rabe.

Die nachhaltige Kapitalanlage sollte sich nach Ansicht von Metzler von traditionellen Branchenklassifizierungen lösen und verstärkt Wertschöpfungsketten-übergreifend in­vestieren. „Erkenntnisse, die wir aus diesem Ansatz gewonnen haben, zeigen: Anstatt die CO2-Intensität eines Portfolios einfach immer weiter zu reduzieren, sollte sie optimiert und auf die Belange einer klimaneutralen Wirtschaft abgestimmt werden.“

Der Klimawandel und ESG-Investments führen nach Einschätzung von Metzler zu einem rapiden Preisanstieg, insbesondere bei Rohstoffen. Dies verteuere die grünen Technologien, aber es biete auch Chancen für Investoren, sich gegen solche Preisanstiege abzusichern und innerhalb der vermeintlich schmutzigen Branchen die Vertreter herauszusuchen, die ein starkes ESG-Profil hätten.

Zukunft für grünen Stahl

Beispielsweise plant das Bergbauunternehmen Anglo American, seine Scope-3-CO2-Emissionen massiv zu reduzieren. Somit könnte das Unternehmen 2040 klimaneutral sein. Dies führe in Richtung der Dekarbonisierung der Stahlbranche, die mit Hilfe des zum Beispiel durch Anglo American geförderten Eisenerzes klimaneutralen Stahl produzieren könne. Ein Unternehmen aus dem Be­reich der Industriemetalle, das daran arbeitet, klimaneutralen Stahl profitabel herzustellen, sei SSAB. Für Rabe geht es darum, Aktien zu finden, die in Zukunft Vorbilder in ihrer Branche sind.

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