US-Kommunalanleihen

Municipal Bonds brechen ein

Der billionenschwere Markt für US-Kommunalanleihen wird das Jahr 2022 mit der schwächsten Performance seit Jahrzehnten abschließen. Für 2023 ist kaum Besserung in Sicht.

Municipal Bonds brechen ein

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Die Stimmung am billionenschweren Markt für Municipal Bonds fällt nach dem schwächsten Jahr seit Dekaden äußerst gedrückt aus. Die US-Kommunalanleihen haben zwischen Anfang Januar und Weihnachten gemäß Daten des Informationsdienstleisters Bloomberg ein Performanceminus von 8,3% hingelegt, schlechter schnitten sie zuletzt 1981 ab. Der Gesamtwert des Marktsegments ist damit erstmals seit 2014 unter 4 Bill. Dollar abgerutscht.

Im Vergleich zu Staatsanleiheindizes wie dem Bloomberg US Treasury Total Return, der im gleichen Zeitraum um 12% zurückgesetzt hat, nimmt sich der relative Verlust zwar weniger schwer aus. Doch bei Investoren, die über Jahre robuste Erträge aus Bonds extrem verlässlicher Emittenten gewöhnt waren, löst der Rückgang grundlegende Bedenken bezüglich ihres Investments aus. So verzeichneten offene Investmentfonds mit Fokus auf Municipal Bonds laut dem Datendienstleister Refinitiv Lipper bis Mitte Dezember 17 Wochen in Folge mit Nettomittelabflüssen. Damit sind 2022 mehr als 90 Mrd. Dollar aus den Vehikeln geströmt – dies bedeutet den größten Mittelschwund seit 20 Jahren.

Fed-Kurs als Belastung

Die Skepsis am Markt für Municipal Bonds, an dem ungefähr 35000 bundesstaatliche und lokale Regierungen als Emittenten auftreten, führen Analysten dabei vor allem auf die hohe Inflation in den Vereinigten Staaten zurück. Hinzu kommt die aggressive geldpolitische Straffung der Federal Reserve in Reaktion auf die hohe Teuerung. Denn diese führte zwischenzeitlich zu stark steigenden Kapitalmarktzinsen und setzte somit die Anleihekurse unter Druck. Bestandsinvestoren, die wegen der hohen Stabilität und Sicherheit von Municipal Bonds jahrelang niedrigere Renditen als in anderen Anlageklassen in Kauf nahmen, sahen in der Folge den Wert ihres Investments erodieren und zogen sich zurück.

Auch positive Nachrichten hellten die Stimmung in diesem Umfeld zuletzt nur bedingt auf. Infolge eines Rating-Upgrades der Stadt Chicago aus dem Junk- in den Investment-Grade-Bereich notierten im Dezember 2021 begebene zwölfjährige Bonds der Metropole zwar wieder zu 100 Cent auf den Dollar, nachdem sie zuvor zu 94 Cent gehandelt wurden – damit waren sie aber immer noch weit von ihrem Emissionspreis von 126 Cent auf den Dollar entfernt.

Einige Vermögensverwalter deuten die Entwicklung der Kommunalanleihen indes als Normalisierung und sehen gar positive Effekte der geldpolitischen Straffung. Denn durch diese sei eine jahrelange Phase der Niedrig- und Nullzinsen zu Ende gegangen, womit auch ein entscheidender Vorteil der Municipal Bonds in den Fokus rücke: Die Zinserträge aus diesen sind von föderalen und üblicherweise auch von bundesstaatlichen Steuern ausgenommen.

Eine US-Kommunalanleihe mit einer Rendite von 5% ist für Haushalte der obersten Steuerklasse damit in der Theorie genauso attraktiv wie ein versteuerbarer Bond – darunter fallen zum Beispiel alle Unternehmensanleihen – mit einer Verzinsung von 8%. Dieser Vorteil greift aber logischerweise nur, wenn am Markt überhaupt Zinsen verfügbar sind.

Analysten verweisen auf auch die Historie, in der auf ein Jahr negativer Performance der Municipal Bonds stets deutliche Aufschwünge folgten: Nach dem Einbruch um 10,2% im Jahr 1981 kam es auf Sicht von zwölf Monaten zu einem Anstieg von fast 41%. Dem Rückgang um 2,6% im Jahr 2013 schloss sich immerhin ein Plus von über 9% an.

Dass sich Geschichte 2023 wiederholt, gilt aber als unwahrscheinlich. Denn die Inflation und das eingetrübte Konjunkturumfeld ziehen erhebliche Belastungen für die kommunalen Etats nach sich – dabei leiden diese ohnehin unter anziehenden Kosten aus langfristigen Rentenleistungen.

Pensionsfonds für Angestellte im öffentlichen Dienst mussten 2022 aufgrund der Talfahrt am Aktienmarkt und Wertverlusten ihrer Krypto- und Private-Equity-Anlagen indes erhebliche Rückgänge ihrer Assets verkraften. Zugleich haben sie Cash-Polster aufgebraucht. Damit steigt die Furcht, dass die Kassen nicht mehr in der Lage sein werden, Pensionsansprüche zu erfüllen – und die Bundesstaaten, Bezirke und Gemeinden mit Mitteln aus ihren Haushalten einspringen müssen.

Säumige Kommunen

Zudem besteht bei den US-Kommunalanleihen ein weiterer Unsicherheitsfaktor: So weist eine Studie der University of Illinois in Chicago strukturelle Probleme der US-Kommunen nach. Im Jahr 2020 hätten diese im Median 164 Tage gebraucht, um ihre geprüften Finanzberichte vorzulegen – gegenüber 2009 ist die Dauer damit um 10% gestiegen.

Dass ein kommunaler Investor ähnliche Säumigkeiten bei Unternehmen aus seinem Portfolio dulden würde, ist für Beobachter dagegen kaum vorstellbar. So müssen US-Firmen ihre Zahlen gemäß Bundesregularien abhängig von ihrer Größe 60 bis 90 Tage nach Abschluss des Berichtszeitraums vorlegen. Analysten fürchten nun, dass die mangelnde Transparenz der US-Kommunen Anleger angesichts des angespannten Liquiditätsumfelds verstärkt vor Engagements bei Municipal Bonds zurückschrecken lässt.

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