Japan

Nikkei nähert sich Rekordhoch

Japans Aktienindizes haben seit der Jahreswende deutlich zugelegt. Dazu tragen verbesserte Konjunkturdaten ebenso bei wie die Rückkehr ausländischer Investoren in den Markt. Allerdings liegen bei großen Titeln auch kräftige Übertreibungen vor, aufgrund derer einige Analysten mit baldigen Gewinnmitnahmen rechnen.

Nikkei nähert sich Rekordhoch

Von Martin Fritz, Tokio

Japans Aktienmarkt zeigt Stärke: Seit einer Woche hält sich der Nikkei225 über 30000 – dort stand der Index zuletzt im August 1990. Der marktbreite Topix mit knapp 2200 Gesellschaften überwand seinerseits am 8. Februar die Schwelle von 1900, die seit Juni 1991 als „eiserner Sargdeckel“ galt. Seit der Jahreswende legte der Nikkei 225 um 9,9% und der Topix um 7,4% deutlich stärker zu als der S&P500 und der Dax. Die häufigste Erklärung von Analysten für den Trend: Der aktuell populäre „Reflation Trade“ verspricht in Japan besonders viel Erfolg, da die Gewinne von japanischen Exporteuren bei einer Erholung der Weltwirtschaft nach dem Ende der Pandemie stark zulegen würden.

Die jüngsten Konjunkturdaten bestätigen die Einschätzung. Der Flash-Einkaufsmanagerindex für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Februar kletterte um 0,5 Punkte auf 47,6. Der Indexwert für das produzierende Gewerbe von 50,6 (+0,8) überschritt die Expansionsschwelle, der Subindex für neue Exportaufträge sprang um 3,2 Punkte auf das Dreijahreshoch von 51,4. Nur der Service-Sektor leidet noch unter der Verlängerung des Ausnahmezustandes bis 7. März. Hier fiel der Index auf das Sechsmonatstief von 45,8 (–0,5). Daher sagt Marcel Thieliant, Japan-Ökonom von Capital Economics, für das laufende Quartal nur noch eine Stagnation statt der bisher erwarteten Schrumpfung der Wirtschaftsleistung vorher.

Bank of Japan stützt

Der kräftige Kursanstieg hängt mit der Rückkehr der Ausländer nach Tokio zusammen. Diese Anleger investierten in den sechs Wochen bis zum 12. Februar netto 1,4 Bill. Yen (11 Mrd. Euro). Zwar stieg der Nikkei im Vorjahr um 16%, obwohl Ausländer netto 6,3 Bill. Yen (49 Mrd. Euro) abzogen. Damit legte der Leitindex sogar erstmals seit 1989 ohne ausländische Nettoinvestitionen zweistellig zu. Daraus zog John Vail vom Vermögensverwalter Nikko AM den Schluss, ein Bullenmarkt in Japan sei ohne Ausländer möglich. Einheimische Investoren wie Banken und Versicherungen würden nun das Ruder übernehmen. Allerdings beruhte das starke Abschneiden von Nikkei und Topix im Vorjahr auch darauf, dass die Bank of Japan (BoJ) mit Indexfondskäufen für 7,1 Bill. Yen das abgezogene Auslandskapital ersetzte. Zugleich steigern ihre Käufe die Anlagebereitschaft japanischer Anleger, weil sie davon ausgehen, dass die BoJ einen Kurseinbruch auffängt.

Dessen ungeachtet sind sich viele Analysten einig, dass sich bislang keine neue Aktienblase in Japan gebildet hat. Bis zum Allzeithoch von 38915 von Ende 1989 müsste der Nikkei noch um 29% steigen. Zwar liegt das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis im Topix mit 18 deutlich über dem Mittel von 14, aber auf dem Zenit der 1980er Blase erreichte das Nikkei-KGV 70. Zudem erwarten Analysten kräftig steigende Gewinne. Laut Morgan Stanley übertrafen die jüngsten Quartalsgewinne den Konsens um 53,5%. Chefstratege Christopher Wood von Jefferies hält japanische Aktien jedenfalls für „günstig“. Dazu kommt ein fundamentaler Unterschied: Damals befanden sich acht der nach Börsenwert weltweit zehn größten Unternehmen in Japan, heute kein einziges. Die japanischen Top 10 wurden von NTT und sechs Banken dominiert, diesmal liegen Toyota, Softbank und Sony vorn.

Verzerrungen in Indizes

Allerdings gibt es auch heute Übertreibungen. Ein Drittel der Kursgewinne der vergangenen elf Monate basierte gemäß Bloomberg-Berechnungen auf Avancen der Softbank Group und der Textilkette Fast Retailing (Marke: Uniqlo). Der Kurs von Softbank hat dank des Höhenflugs von Tech-Aktien das Dotcom-Niveau von 2000 überschritten. Die Uniqlo-Mutter macht als schwerste Aktie nun 12% des Nikkei aus und ist trotz Wachstumsfantasie mit einem KGV von 120 absurd teuer. Beim Topix kommt es durch den Mangel an Technologiewerten und durch viele unbedeutende Unternehmen mit schwachen Bilanzen ebenfalls zu Verzerrungen bei den Kennzahlen. Daher rechnet Chefstratege Shoji Hirakawa vom Tokai Tokyo Research Institute mit baldigen Gewinnmitnahmen. Auch die Landesbank Baden-Württemberg sieht aufgrund der relativ geringen Eigenkapitalrenditen nur wenig Luft nach oben.

Die Kaufempfehlungen der Analysten decken ein breites Spektrum ab. Die Schweizer Großbank UBS rät zu Aktien, die im Vorjahr infolge der Pandemie-Auswirkungen schlecht abgeschnitten haben, darunter der Bahnbetreiber Central Japan Railway und die Fluggesellschaft Japan Airlines. Nomura bevorzugt unter anderem Aktien aus konjunktursensiblen Sektoren wie Maschinenbau und Transportausrüstung. Credit Suisse hat indes jüngst den IT-Spezialisten Shift auf die Fokusliste gehoben.