Ölpreis gerät erneut kräftig unter Druck
Ölpreis gerät erneut kräftig unter Druck
Brent-Notierung fällt auf fast 70 Dollar zurück – Rätseln um Ölpreisziel der Saudis – China-Konjunkturstimulus sollte Notierung stützen
Der Ölpreis ist unter Druck geraten, er fiel am Freitag zeitweilig auf fast 70 Dollar zurück. Am Markt wird der neue Konjunkturstimulus durch die chinesische Regierung bislang noch weitgehend ignoriert. Dafür erregte große Aufmerksamkeit, dass Saudi-Arabien angeblich sein Ölpreisziel aufgegeben habe.
Nach einem kurzen Erholungsversuch ist der Ölpreis seit Mittwoch wieder deutlich abgesackt. Die wichtigste Sorte Brent Crude gab am Freitag weiter nach und fiel bis auf 70,99 Dollar je Barrel. Damit erreichte der Ölpreis fast wieder das Tief von Mitte September, als er sogar unter die Marke von 70 Dollar absackte.
Wie auch schon vor rund zwei Wochen hat sich das Sentiment so weit verschlechtert, dass Nachrichten, die den Ölpreis antreiben sollten, weitgehend ignoriert werden. So hat China als der weltweit wichtigste Ölverbraucher in der gerade beendeten Handelswoche eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die die Konjunktur stützen sollen. Am Donnerstag hat es ein Treffen des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas zum Thema der wirtschaftlichen Lage gegeben. Nach Einschätzung von Goldman Sachs ist es ungewöhnlich, dass sich das Politbüro im September mit diesem Themenbereich befasst. Peking will nun Staatsanleihen im Volumen von 1,7% des Bruttoinlandsproduktes auflegen, wobei die Hälfte der Erlöse zur Stützung der konsumnahen Bereiche der chinesischen Wirtschaft eingesetzt werden soll. Einige Tage zuvor hatte die chinesische Notenbank bereits Zinssenkungen in Aussicht gestellt.
Artikel schlägt ein wie eine Bombe
Dass der Ölmarkt darauf nicht mit einem deutlichen Preisanstieg reagiert hat, ist darauf zurückzuführen, dass die „Financial Times“ kurz nach der Bekanntgabe der Zinssenkungen einen Artikel veröffentlichte, der am Markt einschlug wie eine Bombe. Darin heißt es, dass Saudi-Arabien sein inoffizielles Ziel für den Ölpreis von 100 Dollar aufgeben und nun zur Sicherstellung seiner Einnahmen den Marktanteil ausweiten wolle – offensichtlich durch Preissenkungen und Mengenausweitungen in einem nach Einschätzungen der meisten Akteure bereits überversorgten Markt.
Allerdings haben Vertreter der saudi-arabischen Regierung oder des halbstaatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco nie von einer Zielgröße des Ölpreises von 100 Dollar gesprochen. Ein solches Ziel wäre auch unrealistisch, weil sich der Ölpreis zuletzt vor etwa zwei Jahren auf einem solchen Niveau befand und Saudi-Arabien zuletzt, als der Ölpreis unter 70 Dollar fiel, keine erkennbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Ölpreis wieder in Richtung der 100 Dollar zu lenken.
Die „Financial Times“ schreibt unter Verweis auf den Internationalen Währungsfonds IWF, Saudi-Arabien benötige einen Ölpreis von fast 100 Dollar, um wieder auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu kommen. So schätzt der IWF diesen Break-even-Ölpreis für 2024 auf 96,04 Dollar, betont aber, diese Schätzung sei „indikativ“ und „nicht definitiv“.
Ausgleich des Staatshaushalts
Der Bericht der „Financial Times“ überrascht, denn bislang war bei den Teilnehmern am Ölmarkt stets zu hören, dass Saudi-Arabien auf einen Ölpreis in der Größenordnung von 80 bis 88 Dollar angewiesen sei, um seinen Staatshaushalt ausgleichen zu können. Vom Bündnis der Ölförderstaaten Opec plus kam auch prompt ein Dementi hinsichtlich der Aussage, Saudi-Arabien gebe sein Ziel für den Ölpreis auf. Es gebe kein spezifisches Ziel für den Ölpreis innerhalb des Bündnisses, verbreiteten Vertreter der Opec gegenüber Nachrichtenagenturen. Die Opec plus konzentriere sich stattdessen in ihrer Strategie auf die Fundamentaldaten des Marktes wie den gleitenden Fünfjahresdurchschnitt der globalen Lagerbestände an Rohöl.
Rückgang übertrieben
Einige Akteure am Ölmarkt weisen darauf hin, dass die „Financial Times“ in ihrer politischen US-Berichterstattung eine große Nähe zur Biden-Administration aufweise, die wiederum daran interessiert sei, vor den Präsidentschaftswahlen im November den Ölpreis möglichst niedrig zu halten, um der durch die hohe Inflation der vergangenen zwei Jahre bereits stark belasteten Wählerschaft weitere Kaufkraftverluste zu ersparen. Vor diesem Hintergrund erscheint der neuerliche Rückgang des Ölpreises übertrieben, zumal die Opec plus bereits die eigentlich für den Oktober geplante Ausweitung ihrer Produktion vorerst auf Eis gelegt hat – auch wenn sich nicht alle Mitgliedsländer der Opec plus aktuell an die ihnen zugestandenen Förderquoten halten.
Derzeit wieder einmal ausgeblendet wird auch die brisante geopolitische Lage im Nahen Osten. Ein Krieg zwischen Israel und den Milizen der Hisbollah rückt immer näher.
Ob es dem Iran weiterhin gelingt, sich aus dem Konflikt so weit wie möglich herauszuhalten, ist fraglich, weil der Iran von Israel als der gefährlichste Gegner in der Region betrachtet wird.