Regulierung

Regulierungsoffensive drückt Chinas Märkte

Chinas überfallartige Regulierungsoffensive gegen heimische Technologieunternehmen beginnt das Anlegervertrauen am chinesischen Kapitalmarkt in den Grundfesten zu erschüttern.

Regulierungsoffensive drückt Chinas Märkte

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Mitten in der chinesischen Taifun-Witterungssaison herrscht ein regelrechtes Sturmtief an Chinas Börsen. Die immer breiter aufgestellte Pekinger Kampagne zur Beschneidung der Marktmacht von Technologieunternehmen schickt nicht nur die Leitindizes an Chinas Festlandbörsen und an der Hong Kong Exchanges in den Keller schickt, sondern führt auch zu Abverkäufen bei Staatsanleihen.

Kurz vorm Bärenmarkt

An der Hongkonger Börse, wo das Marktgeschehen im Vergleich zum Festland stärker von institutionellen und auch internationalen Anlegerkreisen geprägt ist, wird nach den jüngsten Ausweitungen der Pekinger Tech-Regulierungskampagne jedenfalls auf Baisse geschaltet. Der Leitindex Hang Seng rutschte am Dienstag um 4,2% ab, nachdem er zu Wochenbeginn bereits gut 4% eingebüßt hatte, und steht nun im krassen Gegensatz zum Börsengeschehen an der Wall Street auf einem Achtmonatstief bei 25086 Punkten. Auf Jahressicht hat sich das Barometer vom Mitte Februar erreichten 52-Wochen-Hoch bei 31085 Punkten bereits um gut 19% entfernt, es fehlt also nicht mehr viel, um von einem Bärenmarkt sprechen zu können.

Wie es ein böser Zufall so will, ist der am Dienstag seinen einjährigen Geburtstag feiernde Hang Seng Tech Index (HSTI), in dem sich chinesische Sektorriesen wie Alibaba, JD.com, Meituan und Tencent wiederfinden, an den vergangenen beiden Handelstagen um jeweils mehr als 6% eingeknickt. Damit erlitt der HSTI nicht nur rekordhohe Tagesverluste, sondern ist bei 6791 Punkten nun erstmals überhaupt unter das Niveau zum Indexdebüt Ende Juli 2020 gerutscht. Dies wohlgemerkt, nachdem das Barometer Mitte Februar bei 11000 Punkten schon einmal gut 60% vorne gelegen hatte.

Pekinger Schwitzkasten

Besonders im Brennpunkt stehen die Schwergewichtler Tencent und Meituan, die binnen zwei Handelstagen um 16% beziehungsweise 29% eingebrochen sind. Beide Adressen werden von dieser Tage erlassenen neuen Regulierungsmaßnahmen direkt betroffen. So sieht sich Meituan ähnlich wie zuvor Alibaba mit einer potenziell hohen Strafe wegen Marktmachtmissbrauchs konfrontiert und muss sich neuen Arbeitnehmerschutzregelungen unterstellen, die das Geschäftsmodell bei Essenslieferungen und anderen Zustelldiensten kompromittieren.

Tencent wiederum muss auf den erhofften Merger zweier maßgeblich kontrollierter Livestream-Plattformen verzichten und sieht sich als Nummer 1 im chinesischen Onlinemusikgeschäft von harten Beschränkungen bei Lizenzverträgen betroffen. Am Dienstag kam noch die Nachricht hinzu, dass Tencents Wechat-Dienst, Chinas größte Social-Media-Plattform, wegen der Anpassung an neue Datenschutzvorschriften bis Ende August für Neukunden gesperrt bleibt. Anfang Juli hatte eine datenschutzmotivierte App-Sperre beim neu an die New Yorker Börse gekommenen Fahrdienst Didi den Auslöser für die Korrekturbewegung bei chinesischen Tech-Aktien abgegeben.

CSI 300 taucht mit ab

Während die Delle beim Hang-Seng-Index auf ein relativ hohes Marktgewicht von Technologieaktien zurückgeführt werden kann, befindet sich auch der von Tech-Werten relativ wenig berührte Blue-Chip-Index für Chinas Festlandbörsen CSI 300 seit Wochenbeginn im Korrekturmodus und steht nach Tagesverlusten von 3,2 und 3,5% in Folge nun ebenfalls auf einem Achtmonatstief. Damit stellen sich Fragen nach einem Vertrauensverlust bei den Anlegern im Zuge eines staatlichen Regulierungseifers bei wachstumsstarken Privatfirmen, der in den kommenden Monaten auch andere Sektoren erfassen könnte.

Dieser eher psychologische Marktfaktor findet seine Entsprechung in Befürchtungen, dass die in den vergangenen Jahren zunehmend wuchtiger im Aktien- wie auch Bondmarkt vertretenen ausländischen institutionellen Investoren es im chinesischen Markt vorsichtiger angehen lassen werden beziehungsweise einen Mittelabzug orchestrieren. Am Dienstag drehten sich Marktgespräche vor allem um einen „aggressiven Ausstieg“ aus chinesischen Aktiva seitens US-Fondsvehikeln.

Anzeichen für ein angeknackstes Anlegervertrauen manifestieren sich dabei auch am chinesischen Anleihenmarkt, wo die Rendite-Benchmark für Staatstitel in der zehnjährigen Laufzeit am Dienstag ungewöhnlich kräftig um 7 Basispunkte auf 2,94% in die Höhe schnellte, während sich die Spreads der Corporate Bonds mit Toprating um bis zu 15 Basispunkte ausweiteten.