Staatsanleihen

Renditeanstieg geht die Luft aus

Viele Marktteilnehmer haben in den vergangenen Monaten darauf gesetzt, dass es zu einer steigenden Inflation aufgrund der globalen Konjunkturerholung kommt. Die Bondrenditen waren gestiegen, da eine restriktivere Geldpolitik befürchtet wurde. Nun scheinen mehr und mehr Wachstumssorgen aufzukommen.

Renditeanstieg geht die Luft aus

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Die Renditen der Staatsanleihen in der Eurozone und in den USA sind in den vergangenen Wochen und Monaten angestiegen. Denn viele Marktteilnehmer setzten den sogenannten Reflation Trade auf, der nun so langsam auszulaufen scheint. Viele Volkswirte und Analysten gingen davon aus, dass es mit einer zunehmenden Immunisierung der Bevölkerung durch die angelaufenen Impfprogramme gegen das Covid-19-Virus auch zu einer Rückkehr der Normalität in Wirtschaft und Gesellschaft kommen würde. Die Wirtschaft würde sich wieder erholen, Nachholeffekte beim Konsum würden ihre Wirkung zeigen, so etwa im Tourismus. Damit einher ging immer wieder auch die Furcht vor einer Beschleunigung der Inflationsentwicklung.

Damit setzen die Anleger auf eine straffere Geldpolitik seitens der Noten­banken, allen voran bei der US-Zen­tral­bank Fed. Denn wenn es zu einer kräftigeren Teuerung kommt, müssten früher oder später auch die Notenbanken reagieren und die Leitzinsen erhöhen. Dies wird an den Anleihemärkten vorweggenommen, in dem die Renditen der Staatsanleihen – etwa der Bundesanleihen und der US-Treasuries – ansteigen. Die höheren Bondrenditen spiegelten somit die Reflationierung der Wirtschaft wider. Die zehnjährige Bundrendite stieg bis auf weniger als minus 0,10% und erreichte damit die höchsten Stände seit rund zwei Jahren. Viele Marktteilnehmer stellten sich bereits darauf ein, dass die zehnjährigen Bundrenditen sogar wieder in den positiven Bereich vordringen könnten. Doch das blieb aus. Mittlerweile hat sich die Reflationierungsbefürchtung vieler Markteilnehmer wieder ein Stück weit gelegt. Auch weil die Fed eben nicht so aggressiv argumentierte und damit keine schnellen Leitzinsanpassungen in den USA in Aussicht stellte. Das bestätigte sich jüngst erneut.

Ton wird ruhiger

Bei ihrer Sitzung in der vergangenen Woche überraschte die Fed noch viele Marktteilnehmer mit einem etwas restriktiveren Ton. Viele gingen dann davon aus, dass die Zinsen bereits ab dem Jahr 2023 erhöht werden könnten. Die US-Zinsstrukturkurve – ein Maß für die Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung in den USA – wurde leicht steiler. Der Spread zwischen 5- und 30-jährigen Treasury-Renditen stieg auf rund 125 Basispunkte (BP). Kurz zuvor lag dieser Spread noch bei knapp unter 110 BP. Nun werden die Töne wieder ruhiger. „Wir werden die Zinsen nicht präventiv erhöhen, weil wir den möglichen Beginn einer Inflation befürchten. Wir werden auf Beweise für eine tatsächliche Inflation oder andere Ungleichgewichte warten“, sagte Powell in einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus. Die geldpolitische Haltung der Fed wird sich wahrscheinlich bis zur Sitzung in Jackson Hole Ende August nicht ändern, so dass die Renditen von Staatsanleihen in einer engen Handelsspanne bleiben, meinen Analysten.

Aus der Vergangenheit ist zudem bekannt, dass die Fed bei Zinserhöhungen nicht aggressiv vorging, sondern stets die Politik einer sehr ruhigen Hand an den Tag legte. Dies wird von vielen Anlegern auch dieses Mal erwartet. Nach der Finanzkrise, in der die Fed die Leitzinsen auf historische Tiefs beförderte, hielt sie lange Zeit still. Die Situation in den Schwellenländern, die unter einem Kapitalabzug aufgrund höherer Zinsen in den USA leiden könnten, wurde seinerzeit ebenso ins Kalkül gezogen wie die Wachstumsperspektiven in China und der Einfluss auf die Weltwirtschaft, die geopolitischen Krisenherde, die Beschäftigtensituation in den USA oder die europäische Staatsschuldenkrise. So könnte die Fed auch dieses Mal länger mit der ersten Zinsanpassung nach oben warten, als das mancher Anleger derzeit annimmt. Für viele käme das nicht überraschend. Damit würde auch dem Reflation Trade in den nächsten Wochen die Luft ausgehen.

Denn viele Volkswirte gehen mittlerweile davon aus, dass die konjunkturellen Impulse auch einmaliger Natur sein könnten. Und damit würde es dann nicht zu nachhaltigen Effekten bei der Inflationsentwicklung kommen. Wachstumssorgen tauchen vielerorten auf. Die Wirtschaft – so die Annahme vieler Experten – könnte sich doch nicht so stark nach dem pandemiebedingten Einbruch erholen, sondern es kommt womöglich nur zu einer sehr schleppenden Erholungsbewegung. Damit müssten die Zentralbanken dann auch nicht die geldpolitische Straffung in Betracht ziehen. Die Zinsen könnten damit noch länger niedrig bleiben.

Bestätigung durch die Briten

Eine weitere Bestätigung dieser Perspektiven für die Anleihemärkte bekamen die Marktteilnehmer am Donnerstag aus Großbritannien. Die Bank von England (BoE) hat den Zins trotz kräftig anziehender Inflation auf dem niedrigen Niveau gehalten. Die Währungshüter um Notenbankchef Andrew Bailey beließen den Leitzins bei 0,1%. Zudem bleibt das Volumen des laufenden Wertpapierkaufprogramms bei 895 Mrd. Pfund. Davon entfallen 875 Mrd. Pfund auf Staatsanleihenkäufe, 20 Mrd. Pfund sind für den Erwerb von Unternehmensanleihen vorgesehen.

Berichten zufolge soll der scheidende BoE-Chefvolkswirt Andy Haldane vergeblich dafür votiert haben, die Staatsanleihenkäufe auf ein Volumen von 825 Mrd. Pfund zu drosseln. Damit bleibt den Märkten auch dieses stützende Element der Bondkäufe erhalten. Die Verbraucherpreise waren im Mai in Großbritannien um durchschnittlich 2,1% zum Vorjahr gestiegen, womit erstmals seit fast zwei Jahren der Zielwert der Notenbank von 2% überschritten wurde. Haldane sieht Gefahren mit der Inflationsentwicklung verbunden. Die Notenbank geht davon aus, dass der Preisauftrieb vorübergehend erhöht bleibt und in der Spitze Werte jenseits der Drei-Prozent-Marke erreicht werden. Nächstes Jahr soll sich die Inflation aber wieder legen, hieß es weiter.