Steigende Zinsen

Riskante Hypotheken­portfolios

Im Hypothekengeschäft ist angesichts steigender Zinsen durchaus mit Zahlungsstörungen zu rechnen. Im Fall umfassender Probleme dürften aber neue Moratorien für Schuldner angeboten werden.

Riskante Hypotheken­portfolios

Von Alex Constanze Steinmann*)

Endlich steigen die Zinsen! Die Zeiten negativer Zinsen in der Eurozone und generell sehr niedriger Zinsen weltweit sind erst einmal vorbei. Eine Erholung der Nettozinsmargen und der Zinsergebnisse hat bei vielen Banken bereits eingesetzt. Doch gleichzeitig bedeuten die massiv und vor allem auch extrem­ schnell gestiegenen Zinsen auch, dass Kreditnehmer, die neue Hypothekenkredite abschließen, deren Zinsbindung ausläuft oder variabel ausgestaltet ist, höheren Belastungen ausgesetzt sind. Und das in einer Zeit, in der die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte aufgrund der geradezu explodierenden Lebenshaltungskosten ohnehin schon unter Druck stehen.

Verlustgefahr steigt

Damit steigt natürlich auch das Risiko für Banken, dass die jahrelang extrem niedrigen Kreditverluste im Hypothekengeschäft ansteigen. Bei der Beurteilung der drohenden Gefahren und Risiken für die Banken und letztlich die gesamte Finanzstabilität ist zu beachten, dass die Immobilienmärkte und die Zinsentwicklung in den verschiedenen Ländern sehr große Unterschiede aufweisen.

Wie schnell die Zinssteigerungen bei den Banken ankommen beziehungsweise inwieweit sie von den Kreditnehmern getragen werden müssen, hängt vor allem von der jeweiligen Struktur des Hypothekenmarktes ab. Vor allem stellen sich dabei die Fragen, wie hoch der Anteil variabel verzinster Hypothekenkredite ist und wie lange die Zinsbindungsfristen bei festverzinsten Krediten ausfallen. Geldhäuser, die über einen hohen Anteil variabel verzinster Kredite oder Festsatzkredite mit kurzen Zinsbindungsfristen verfügen, profitieren auf der Einnahmenseite zwar schneller von den steigenden Zinsen. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass sich die Kreditnehmer die höheren Zinsen nicht mehr leisten können und die Kredite daher ausfallen.

Abweichende Zinsbindung

Viele variabel verzinste Hypothekenkredite oder Festsatzkredite mit kurzer Zinsbindung gibt es zum Beispiel in Norwegen, Australien, Schweden oder auch in Großbritannien. Längere Zinsbindungen gibt es dagegen in den Vereinigten Staaten, in Belgien, Frankreich oder auch Deutschland. Dort profitieren die Banken dann weniger schnell von den höheren Hypothekenzinsen, die Gefahr drohender Kreditausfälle ist aber geringer. Im Idealfall verfügt eine Bank daher über einen hohen Anteil an Darlehen mit langen Zinsbindungsfristen, während sie das Zinsrisiko komplett an den Markt gegeben hat und so höhere Zinserträge aus Zinsswaps vereinnahmen kann.

Tragfähigkeit im Fokus

Wichtig ist indes auch die Frage, wie es um die Schuldentragfähigkeit der Kreditnehmer steht. Neben der Ausgestaltung des Hypothekenmarktes sollte auch die wirtschaftliche Lage der privaten Haushalte berücksichtigt werden. Können die Privaten höhere Belastungen, zum Beispiel höhere Zinsen, überhaupt verkraften – und das auch in einem Umfeld konjunktureller Eintrübung? Ein erster Blick auf die Arbeitslosenquoten zeigt, dass diese in den meisten Ländern derzeit sehr niedrig sind und, noch wichtiger, in den kommenden Monaten auch niedrig bleiben dürften oder sogar weiter sinken sollten. In Bezug auf die Schuldentragfähigkeit der privaten Haushalte ist das zunächst einmal eine positive Nachricht.

Hohe Verschuldung

Zudem fällt die Immobilienverschuldung vor allem in wohlhabenden Ländern sehr hoch aus: in Norwegen beispielsweise, in Schweden, Dänemark, den Niederlanden oder auch der Schweiz. Das heißt, dass sich die Kreditnehmer die Schulden tendenziell besser leisten können, dass sie in einem politisch und wirtschaftlich eher starken und stabilen Umfeld leben und bestenfalls auch noch von funktionierenden sozialen Absicherungssystemen profitieren. Ihr privater Konsum liegt zudem stabil auf einem vergleichsweise hohen Niveau, so dass bei Bedarf Konsum eingespart und das Geld für die Bedienung der Hypothekenschulden eingesetzt werden könnte. Auch höhere Er­sparnisse stellen einen gewissen Puffer dar.

In vielen Ländern überprüfen zudem die Aufsichtsbehörden mit regelmäßigen Stresstests die Schuldendienstfähigkeit der privaten Haushalte und haben makroprudenzielle Maßnahmen, zum Beispiel bestimmte Verschuldungsobergrenzen bei der Kreditvergabe, eingeführt, um Risiken besser eindämmen zu können. Sollte es allerdings doch zu steigenden Zahlungsausfällen kommen, stellt sich die Frage, wie hoch diese Verluste dann ausfallen könnten. Im Gegensatz zu in der Regel unbesicherten Konsumkrediten verfügen die Banken bei Hypothekenkrediten über werthaltige Sicherheiten. Und der Wert dieser Sicherheiten ist in den vergangenen Jahren in den meisten Ländern kräftig gestiegen. Kreditverluste treten aber nur dann ein, wenn „im Ernstfall“ die Verwertungserlöse geringer als die Kreditschuld ausfallen.

Hauspreise unter Druck

Die von den Banken veröffentlichten Daten zu Beleihungsaus­läufen können hier wichtige In­formationen liefern. Nicht zuletzt aufgrund der Preissteigerungen an den Immobilienmärkten fallen die Beleihungsausläufe bei den meisten Banken eher niedrig aus. Und je niedriger sie ausfallen, umso geringer wäre ein potenzieller Verlust bei Zahlungsausfall. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Hauspreise in vielen Ländern derzeit unter Druck geraten, was das Risiko steigender Beleihungsausläufe birgt.

Ob die Preisrückgänge nun aber zu einem „Immobilienmarkt-Crash“ führen, ist schwer vorher­zusagen. Die Behörden einiger Länder warnen seit vielen Jahren vor Überbewertungen, ohne dass es bislang zu drastischen Korrekturen gekommen ist. Die verfügbaren Daten der Banken zu Beleihungsausläufen zeigen aber, dass nur ein massiver Verfall der Häuserpreise größere Kreditverluste verursachen würde.

Moratorien als Option

Um die Risiken steigender Zinsen beurteilen zu können, ist also eine Vielzahl verschiedener Faktoren ausschlaggebend: Welche Art der Verzinsung dominiert, wie sind die Kreditnehmer wirtschaftlich aufgestellt und welche Sicherheitenpuffer wären im Fall großflächiger Ausfälle vorhanden? Zwar erwarten wir durchaus steigende Zahlungsstörungen im Hypothekengeschäft. Unterm Strich sollten sie sich allerdings in Grenzen halten – und das nicht zuletzt, da wir auch davon ausgehen, dass im Fall umfangreicherer, flächendeckender Zahlungsprobleme neue Moratorien für Hypothekenschuldner oder andere Stützungsmaßnahmen an­geboten werden sollten. Bereits im Verlauf der Corona-Pandemie haben solche Moratorien wichtige Dienste geleistet.

*) Alex Constanze Steinmann ist Senior-Bankanalystin bei der DZ Bank.