Rohstoff-Superzyklus gefährdet grüne Transition der Weltwirtschaft
Rohstoff-Superzyklus gefährdet grüne Transition
Steigende Kosten für wichtige Elemente können Umgestaltung der Weltwirtschaft stark verteuern, wobei der Handelskrieg die Lage noch verschlimmert.
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Damit die von vielen Regierungen angestrebte grüne Transition der Weltwirtschaft gelingt, kommt es auf einen entscheidenden Faktor an: eine ausreichende Versorgung zu angemessenen Preisen mit denjenigen Rohstoffen, die für nachhaltige Technologien wie Elektromobilität erforderlich sind. Die Preise dürfen nicht durch die Decke gehen, weil dies die Finanzierbarkeit der grünen Transition gefährdet, an der es bereits jetzt Zweifel gibt. Andererseits dürfen die Notierungen aber auch nicht so niedrig sein, als dass keine neuen Projekte zu ihrer Förderung auf den Weg gebracht werden – schließlich wird ein zumindest längerfristig sehr starkes Wachstum der Nachfrage nach den Rohstoffen vorausgesagt.
Absturz vom Allzeithoch
Das wichtigste Metall ist in diesem Zusammenhang Kupfer. Elektroautos verfügen über einen wesentlich größeren Kupferanteil als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Darüber hinaus werden deutlich größere Kapazitäten zum Transport von (grünem) Strom benötigt, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI) große Strommengen für neue Rechenzentren erfordert. Kupfer notiert in London mit derzeit weniger als 9.000 Dollar je Tonne um rund 9% höher als vor einem Jahr. Allerdings hatte es im Mai getrieben vom Hype vor allem wegen KI ein Allzeithoch von rund 11.800 Dollar gegeben. Die schwache Nachfrage nach Elektroautos und Zweifel hinsichtlich eines sehr raschen Vordringens der KI haben dann die Rally vorerst beendet. Was die Aussichten für 2025 betrifft, so rechnet Ehsan Khoman, Leiter des Rohstoff-Research der japanischen Großbank MUFG, für das kommende Jahr mit einem stetigen Preisanstieg, der zum Jahresende für eine Notierung von fast wieder 10.000 Dollar sorgen soll. Dabei sei aber zunächst mit Gegenwind für den Kupferpreis zu rechnen, weil am Markt mit amerikanischen Strafzöllen gegen China kalkuliert wird, die die Konjunktur beeinträchtigen. Später könnten dann jedoch die konjunkturstützenden Maßnahmen der chinesischen Regierung für eine robuste Nachfrage sorgen, die auf einen eng begrenzten Anstieg des Angebots treffe. Für 2026 rechnet Khoman mit einem Durchschnittspreis von 11.600 Dollar je Tonne, damit einem Niveau in der Nähe des Allzeithochs. Das wäre aus dem Blickwinkel der grünen Transformation eine schlechte Nachricht, weil ein solch hohes Preisniveau die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft verteuert.
Aber es könnte mit Blick auf die Finanzierbarkeit der grünen Transition noch schlimmer kommen. MUFG sagt einen Superzyklus im gesamten Rohstoffsektor voraus, angetrieben durch fünf Faktoren: von ESG (Environmental, Social, Governance) getriebenes Unterinvestment, Dekarbonisierung, Streben nach geoökonomischer Autarkie, die zu höherem Beschaffungsaufwand für Rohstoffe und erhöhter Inflation führe, KI und der starke Anstieg der Rüstungsausgaben. In den beiden Superzyklen im Rohstoffsektor in den 1970er und 2000er Jahren, die jeweils rund zehn Jahre andauerten, waren in der Spitze Anstiege des Bloomberg Commodity Index von knapp 800% bzw. 660% zu beobachten.
Markt ausbalanciert
Anders sieht es zunächst bei Lithium aus. Die Preise für Batterien für die Elektromobilität wichtige Metalls waren in den vergangenen Jahren nach dem Ende eines ersten Lithium-Hypes in der Spitze um rund 90% zurückgegangen. Nach Einschätzung der Experten des Marktbeobachters Fastmarkets habe nun aber eine gewisse Ausbalancierung des Marktes stattgefunden. Der Preis für Lithiumcarbonat habe sich bei 11 Dollar je Kilo stabilisiert nach Produktionseinschnitten in China und Australien, die das Angebot reduzierten. Immerhin lägen die Preise mittlerweile um etwa 50% über den absoluten Tiefständen des Jahres 2020, wozu auch beigetragen hat, dass es wieder eine gewisse Erholung der Nachfrage nach Elektroautos weltweit gibt. Insbesondere in China werden wieder deutlich mehr Fahrzeuge dieser Art gekauft. Im September hat es im Reich der Mitte sogar einen Absatzrekord gegeben. Der Ausblick für den Lithiumpreis im neuen Jahr sei robust, betont Fastmarkets. Es sei künftig immer mal wieder mit einem Defizit an Lithium zu rechnen. Es sei dann möglich, dass die Nachfrager wegen dieser Perspektive ihre Lagerbestände wieder hochfahren, was für einen Preisschub sorgen könnte. Grundsätzlich gehen die meisten Analysten davon aus, dass es ab ungefähr 2030 einen Mangel geben wird, der den Lithiumpreis stark in die Höhe treiben dürfte.
Überproduktion bei Kobalt
Ein ebenfalls für die Batterieherstellung wichtiges Metall ist Kobalt. 2024 gab es nach Einschätzung von Fastmarkets ein signifikantes Überangebot auf dem Weltmarkt, getrieben durch die Produktion im Kongo und in Indonesien. Für 2025 sei allerdings mit einem erhöhten Preisniveau und positiven Marktaussichten zu rechnen. Längerfristig dürfte es gerade bei Kobalt ein Defizit geben. Nach Berechnungen von MUFG ist mit Blick auf das Klimaziel, bis 2050 netto Null-Emissionen von Kohlendioxid zu erreichen, der Bedarf an Kobalt in den kommenden Jahrzehnten nur zu 19% durch das Angebot gedeckt. Schlimmer sieht es nur bei Graphit aus, einem bedeutenden Rohstoff für die neuesten Batterietechnologien – wegen der hohen Brandgefahr herkömmlicher Lithium-Ionen-Batterien gerade auch in der militärischen Nutzung. Hier dürfte die Nachfrage durch das Angebot nur zu 16% gedeckt sein. Bei Kupfer wird zwar mit einer Verfügbarkeit von 61% und bei Lithium von 58% gerechnet, was auch mit Blick auf die grüne Transition alles andere als ausreichend ist.
Chinas Gegensanktionen
Für den Übergang zu einer CO2-ärmeren Weltwirtschaft sind auch weitere Rohstoffe wie die Elemente der Seltenen Erden extrem wichtig. Seltene Erden sind zwar alles andere als selten, ihre Verarbeitung findet vor allem wegen Skaleneffekten fast ausschließlich in China statt. Hier ist es vor allem der von den USA geführte Handelskrieg gegen China, der nicht nur für eine Verteuerung dieser Rohstoffgruppen sorgen könnte, sondern sogar dazu führen könnte, dass die Versorgung des Westens, der diese Rohstoffe praktisch nicht mehr produziert, gefährdet ist oder gar ausfällt. So hat kürzlich China erstmals Gegensanktionen gegen die USA in diesem Bereich verhängt. So wird der Export der auch für die Herstellung militärischer Elektronik unerlässlichen Rohstoffe Gallium, Germanium und Antimon, von superharten Materialien und auch von Graphit in die USA stark eingeschränkt. Bei Antimon ist es bereits im laufenden Jahr zu einer Preisexplosion von 6.000 Dollar auf 38.000 Dollar je Tonne gekommen. Auch der sich ausweitende Handelskrieg droht damit die grüne Transition der Weltwirtschaft zu gefährden.
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