Emerging Markets

Schwellenländeranleihen bieten attraktive Chancen

Aufgrund der hohen Rohstoffpreise ergeben sich attraktive Chancen in Schwellenländeranleihen – nicht nur aufgrund des Ukraine-Krieges, sondern vielmehr auch infolge langfristigerer Trends.

Schwellenländeranleihen bieten attraktive Chancen

Inflation und Krieg in Europa haben Anleger in Schwellenländern vor noch nie da gewesene Herausforderungen gestellt. Allerdings könnten sich Inflation und steigende Zinsen durchaus als positiv für Schwellenländeranleihen in Hartwährung er­weisen. Der Krieg in der Ukraine bestimmte in den letzten Wochen weiterhin die Schlagzeilen. Die sehr hohen Energiepreise infolge der Sanktionen gegen Russland werden zu einer weiteren Beschleunigung der weltweiten Inflation führen. Die US-Notenbank Fed begann ihren Straffungszyklus wie erwartet mit einer Anhebung um 25 Basispunkte, erhöhte im Mai um weitere 50 Basispunkte und deutete nachdrücklich an, dass sie in den nächsten beiden Sitzungen mit diesem hohen Tempo fortfahren wird.

Wenn die Zinssätze steigen, sinkt der Kurs einer Anleihe – das ist eine mathematische Gewissheit. Doch langfristig kann der Carry der Anleihe dies kompensieren. In der Tat bieten Produkte mit höherem Carry und damit höheren Spreads einen weitaus besseren Schutz gegen steigende Zinsen. Es ist klar, dass die Fed die Zinsen weiter anheben wird, und zwar ziemlich schnell. Aber wir wissen: Was bekannt ist, wird in den Zinskurven meist vorweggenommen. Schwellenländeranleihen reagierten negativ auf das erhöhte Inflationsrisiko, was eine typische Reaktion ist, die in der Regel erfolgt, bevor die Fed die Zinsen erhöht.

Die Frage, die sich viele Anleger stellen, ist, ob der Zinserhöhungszyklus der Fed zu einer schlechten Performance von Schwellenländeranleihen führt. Logisches Denken sollte zu einem eindeutigen „Ja“ führen. Da ein höherer Leitzins die Zinsen für länger laufende Anleihen wahrscheinlich in die Höhe treibt, führt dies zu einer stärkeren Konkurrenz durch Staatsanleihen als Anlagealternative und könnte somit den Zugang zu Kapital für Schwellenländer erschweren.

Ein Blick in die Vergangenheit könnte bei der Beantwortung dieser Frage helfen, und überraschenderweise deutet er eher auf das Gegenteil hin. Die verfügbaren Spreads (und Renditen) des am weitesten verbreiteten EM-Index, des Emerging Market Bond Index Global Diversified, zeigen, dass es in der Vergangenheit drei Erhöhungszyklen gab: einen ab 1999, einen ab 2004 und einen ab 2015.

Nur im letzten Zyklus stiegen die Renditen der Schwellenländer im Laufe des Zeitraums leicht an, aber die Performance war dank des Carrys immer noch sehr positiv. In allen Zeiträumen gingen die Spreads der Schwellenländer zurück, im letzten Zeitraum nur leicht, in den beiden vorangegangenen jedoch um etwa 200 Basispunkte, so dass die Renditen um etwa 100 Basispunkte zurückgingen und eine hervorragende Performance erzielten. Sollte die Geschichte sich wiederholen, steht uns eine schöne Zeit für EM-Anleihen bevor.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn die Zinsen steigen, fallen die Anleihen der Schwellenländer – das ist die allgemeine Auffassung. Kurzfristig gesehen ist dies auch korrekt. In der Realität sieht es jedoch meist so aus: Die Zinsen beginnen zu steigen, flüchtige EM-Anleiheanleger werden unruhig und ziehen sich aus ihren Positionen zurück. Die sinkenden Anleihenkurse beherrschen die Schlagzeilen, bis sie von der nächsten Story verdrängt werden. Es kommt somit zu einem kurzfristigen Ausreißer, von dem sich Anleger, die das schnelle Geld machen wollen, beirren lassen.

Die geopolitischen Spannungen führen zu einem erheblichen In­flati­onsdruck, der durch die rasant anziehenden Rohstoffpreise noch verstärkt wird. Davon profitieren generell rohstoffproduzierende Volkswirtschaften wie Indonesien und die Mongolei. Die größten Gewinner sind jedoch erdölexportierenden Länder, also die Golfstaaten und erdölexportierenden Frontier-Märkte wie Angola, Irak, die Republik Kongo, Aserbaidschan, Trinidad und Tobago, Gabun, Ecuador und Nigeria. Wir haben die Preise für Getreide, Düngemittel, Metalle und Kohle berücksichtigt, aber im Allgemeinen haben diese in den meisten Fällen einen viel geringeren Einfluss auf das BIP als Öl. Gleichzeitig zählen die intensivsten Ölimporteure zu den größten Verlierern, insbesondere jene mit einem niedrigen Pro-Kopf-BIP. Dies betrifft Länder wie Tunesien sowie karibische und mittelamerikanische Länder wie Jamaika, Honduras und El Salvador.

Kolumbien ist ein interessanter Fall, denn es ist nicht nur ein Ölexporteur, sondern auch einer der sechs größten Kohleexporteure der Welt. Da Russland der drittgrößte Exporteur von Kraftwerkskohle ist, sind auch die Kohlepreise stark gestiegen. Damit gehört Kolumbien zu den 20 größten Gewinnern der höheren Rohstoffpreise. Südafrika ist ein weiterer Nettogewinner, wenn auch in geringerem Maße, da die Kohle- und Metallexporte die Ölimporte überwiegen. Die lateinamerikanischen Metall- (Chile und Peru) und Agrarkonzerne (Argentinien und Brasilien) sind dagegen nahezu neutral, da die höheren Importpreise die höheren Exportpreise fast ausgleichen.

Obwohl es noch Nettorohstoffexporteure gibt, die dank weiteren Aufwärtspotenzials attraktiv sind, sollten die Anleger einige der potenziell gefährdeten Nettorohstoffimporteure nicht unterschätzen, vor allem wenn sich herausstellt, dass der Markt überreagiert hat. Die hohen Rohstoffpreise bieten somit attraktive Chancen in Schwellenländern – nicht nur aufgrund des Krieges in der Ukraine, sondern vielmehr infolge langfristigerer Trends. Denn global betrachtet wurde in den letzten Jahren zu wenig in die Rohstoffversorgung investiert. Die relativ hohen Preise dürften uns also noch eine ganze Weile begleiten.

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