Schwellenländerbonds erfordern aktives Management
Wegen hoher Inflationsraten, Zinsstraffungen, geopolitischer Spannungen und anhaltender Lieferengpässe trübt sich der Wirtschaftsausblick zusehends ein. Dies alles belastet die Nachfrage sowie auch die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen rund um den Globus. Für viele Regionen und Länder deuten die Konjunkturprognosen kurz- bis mittelfristig eine Rezession an. Mit nachlassender Wirtschaftsaktivität gehen in der Regel höhere Zahlungsausfälle bei Unternehmen und steigende Risikoaufschläge bei Anleihen einher. Da gleichzeitig die Zentralbanken ihre geldpolitischen Lockerungen zurücknehmen, dürfte die Liquidität im Finanzsystem abnehmen.
Günstig bewertet
Eine weltweit schwächere Nachfrage und höhere Zinsen in den USA werden sich zwar vermutlich eher ungünstig auf Schwellenländer auswirken. Jedoch befinden sich die Emerging Markets unseres Erachtens heute in einer besseren Ausgangslage, um einem Abschwung standzuhalten, als während des Taper Tantrum 2013: Im Jahr 2021 waren weniger dieser Staaten auf kurzfristiges Kapital zur Finanzierung ihrer Leistungsbilanzdefizite angewiesen als 2013. Zudem sind viele Zentralbanken der Emerging Markets in die Offensive gegangen. Sie haben die Zinsen schon früher als die US-Notenbank Fed angehoben, um dem Inflationsdruck in ihren Ländern entgegenzuwirken. Auch erscheinen die Unternehmensbilanzen heute im Allgemeinen solider und weniger stark fremdfinanziert als zum Zeitpunkt des Taper Tantrum. Und schließlich sind die aktuellen Bewertungen von Schwellenländeranleihen im langjährigen Vergleich attraktiv. Daher sind wir überzeugt, dass sich in diesem Segment weiterhin attraktive Anlagemöglichkeiten bieten.
In einem von hoher Inflation und steigenden Renditen geprägten Umfeld, wie wir es in der ersten Hälfte dieses Jahres beobachtet haben, gehen wir davon aus, dass Anleger ihren Fokus normalerweise auf Hochzinsanleihen mit kurzen Laufzeiten richten würden. Denn diese weisen tendenziell die geringsten Korrelationen mit den risikofreien Zinsen auf. Daher werden sie in einem Umfeld mit steigenden Zinsen erfahrungsgemäß am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen. Da zudem zwischen der Laufzeit und dem Zinsrisiko eine positive Korrelation besteht, reagieren Anleihen mit kürzeren Laufzeiten in der Regel weniger empfindlich auf steigende Renditen als solche mit längeren Laufzeiten.
Investment Grade bevorzugt
So weit die Theorie. In der Praxis hingegen bevorzugen wir angesichts wachsender Rezessionsängste Investment-Grade-Anleihen – und zwar aus drei Gründen. Der wichtigste: Anleihen bester Bonität korrelieren stärker mit den risikofreien Zinsen als Hochzinsinstrumente. Während die Märkte allmählich eine Rezession einpreisen, sinken tendenziell die Zinsen am längeren Kurvenende, da eine Rezession meist mit Zinssenkungen einhergeht. Wir erwarten, dass insbesondere Investment-Grade-Anleihen diese Entwicklung nachvollziehen werden. Im Umkehrschluss sollten sich deren Kurse in einem rezessiven Umfeld besser entwickeln als die von Hochzinspapieren. Zweitens sind Investment-Grade-Papiere in der Regel liquider, und in einem Umfeld wie dem aktuellen sollte die Liquidität ein wichtiges Auswahlkriterium sein. Denn ein liquides Portfolio ermöglicht, sich flexibel auf veränderte Marktbedingungen einzustellen. Drittens bietet die Konzentration auf bonitätsstärkere Papiere einen gewissen Schutz in einem Umfeld mit steigenden Rezessionsängsten und Ausfallrisiken.
Nach wie vor beobachten wir große Unterschiede im Schwellenländeruniversum. Diejenigen Länder, die zu den Nettoexporteuren von Rohstoffen gehören, haben über weite Strecken des ersten Halbjahres 2022 von steigenden Rohstoffpreisen profitiert und somit besser abgeschnitten als Nettoimporteure. Länder wie Indonesien und Brasilien etwa konnten ihre Handelspositionen verbessern, denn sie haben mehr Rohstoffe exportiert als importiert. Indien und Ägypten hingegen leiden als Nettoimporteure von Rohstoffen unter den gestiegenen Öl- und Weizenpreisen.
In Sachen Geldpolitik klafft eine Lücke zwischen den lateinamerikanischen Ländern, deren Zentralbanken die Zinszügel zumeist bereits seit Monaten anziehen, und Südostasien. Dort haben einige Länder noch nicht einmal damit begonnen, ihre Geldpolitik zu straffen. Zentralbanken, bei denen die Konjunkturerholung im Vordergrund steht, haben ihre lockere Geldpolitik beibehalten. Gleichzeitig haben jene, bei denen die Eindämmung der Inflation Priorität hat, die Zinsen erhöht – mitunter auf Kosten des Wachstums.
Auch auf politischer Ebene gibt es große Unterschiede. In dieser Hinsicht dürfte vor allem Lateinamerika die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wo die Politik ein Unsicherheitsfaktor bleibt. In Peru gibt es immer wieder Kabinettsumbildungen, in Kolumbien steht inzwischen ein neuer Präsident an der Spitze, und in Brasilien finden Anfang Oktober Wahlen statt.
Was die Fundamentaldaten der Unternehmen betrifft, so werden hoch verschuldete Emittenten wohl anfälliger für höhere Zinsen sein als solche mit geringeren Verbindlichkeiten. Auch dürften Firmen mit einem guten Kostenmanagement besser abschneiden, denn überall steigen die Preise und sind Lieferunterbrechungen an der Tagesordnung. Darüber hinaus sollten Finanzinstitute, die höhere Zinsen an ihre Kunden weitergeben können, in der Regel von einem Umfeld mit steigenden Zinsen profitieren. Angesichts dieser Unterschiede zwischen den Emerging Markets ist ein aktives Fondsmanagement von zentraler Bedeutung, um das Potenzial von Schwellenländeranleihen effektiv zu nutzen.