Anleihemärkte

Selektives Vorgehen bei Schwellenländerbonds wichtig

Trotz der starken Rally in den letzten Wochen des Jahres 2022 sind die Aussichten für EM-Lokalwährungsanleihen weiterhin gut. Allerdings ist ein selektives Vorgehen sehr wichtig.

Selektives Vorgehen bei Schwellenländerbonds wichtig

Das letzte Jahr war eine schwierige Zeit für Anleihemärkte weltweit. Lokalwährungsanleihen aus den Schwellenländern (EM) waren da keine Ausnahme. Der Index sank im Gesamtjahr zwar im zweistelligen Bereich, übertraf EM-Hartwährungsanleihen aber immer noch deutlich, obwohl Russland einen beachtlichen Teil des Index ausmachte und russische Titel im Jahresverlauf praktisch abgeschrieben wurden. Für etwas Erleichterung sorgte das letzte Quartal des Jahres, in dem EM-Lokalwährungsanleihen beachtliche 8,45% gewannen. Was die nächste Zeit angeht, gibt es unseres Erachtens einige gute Gründe, um für das Jahr 2023 eine deutlich bessere Wertentwicklung von EM-Lokalwährungsanleihen zu erwarten.

Nachlassende Inflation

Als Reaktion auf die hohe Inflation Anfang 2021 strafften die EM-Zentralbanken ihre Geldpolitik deutlich früher als die Notenbanken der Industrieländer. Die Folge ist eine große Differenz der Leitzinsen zugunsten der EM, die allein schon darauf hindeutet, dass genügend Spielraum besteht, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund des nachlassenden Drucks auf die Binnennachfrage und der sinkenden Rohstoffpreise. Erfreulicherweise beginnt sich das Tempo der Teuerung in den EM nun zu verlangsamen. Da die Energiekosten Anfang 2022 den Höhepunkt erreichten, dürften wir angesichts der günstigen Basiseffekte eine weitere Verlangsamung der Gesamtinflation im Jahr 2023 erleben. Es besteht zwar die Gefahr, dass die Inflation noch geraume Zeit erhöht bleibt, doch die Faustregel besagt, dass die Inflation in den EM nach Erreichen eines Höchststandes gewöhnlich relativ zügig wieder nachgibt. Deshalb können wir für den Großteil der EM von positiven realen Leitzinsen in den nächsten zwölf Monaten ausgehen. Die Zentralbanken einiger Schwellenländer sollten die Zinsen daher (im Vergleich zu den Industrieländern) schon recht früh senken können, was das Wachstum stützen würde. In einem solchen Umfeld wäre das Potenzial für Erträge aus der Duration groß.

Die schnellsten und aggressivsten Zinserhöhungen der Fed der letzten 40 Jahre heizten die Rally des Dollar im Jahr 2022 an. Die EM-Währungen gerieten dadurch zwar zwangsläufig unter Druck, doch viele Länder waren weniger anfällig für Kapitalabflüsse, weil ihre Leistungsbilanzen deutlich besser waren als zehn Jahre zuvor. Diese größere Widerstandsfähigkeit zeigte sich deutlich daran, dass viele EM-Währungen im Jahr 2022 gegenüber dem Dollar weniger stark verloren als die Währungen der meisten Industrieländer.

Die US-Währung notiert knapp unter den höchsten Niveaus seit 20 Jahren, aber die Aussichten erscheinen weniger gut als zuvor. Insbesondere wird erwartet, dass sich der Unterschied zwischen dem Wirtschaftswachstum der EM und dem der USA im Jahr 2023 vergrößern dürfte. Dies könnte ein entscheidender Faktor für eine Outperformance von EM-Währungen sein. Darüber hinaus ist der Zinsvorteil der EM-Währungen nun attraktiver und ein weiterer potenzieller Grund für eine bessere Entwicklung der EM-Währungen gegenüber dem Dollar.

Die Schwellenländer entwickelten sich im letzten Quartal 2022 besonders gut. Dabei kamen ihnen die sinkenden Renditen, die erhebliche Spreadverengung und die Schwäche des Dollar zugute. Trotz dieser Rally wirken die Bewertungen im Vergleich zu früher immer noch attraktiv. 2023 wird das Potenzial für Erträge auf Sicht der nächsten zwölf Monate unseres Erachtens durch die hohen Renditen des J.P. Morgan GBI EM Index unterstützt. Trotz der kräftigen Rally seit Mitte Oktober bewegen sie sich noch immer komfortabel über dem langfristigen Durchschnitt.

Das wesentliche makroökonomische Risiko und ein möglicher ausschlaggebender Faktor für die Weltwirtschaft wird die Entwicklung in USA und Chinas sein. Für China haben sich die Aussichten nach der kürzlich erfolgten Lockerung der Null-Covid-Vorschriften mit Sicherheit verbessert. Doch es besteht weiterhin Ungewissheit, u.a. über das Tempo der Normalisierung der wirtschaftlichen Aktivität und über die Verfassung des stark unter Druck geratenen Immobiliensektors. Für die USA gehen die größten Risiken von der Frage aus, wie es mit der derzeit aggressiven geldpolitischen Straffung der Fed weitergeht und wie stark deren verzögerte bremsende Wirkung auf die US-Konjunktur ist.

Ein weiterer, eher allgemeiner Problempunkt für die Anlageklasse ist das Anleiheangebot. Die Emissionen in der Region dürften 2023 deutlich zunehmen und teilweise zur Finanzierung der hohen Energiepreissubventionen in der Region dienen. Insgesamt bieten die aktuellen Renditeniveaus aus unserer Sicht einen guten Schutz gegen die makroökonomischen und anderen bekannten wesentlichen Risiken.

Die Aussichten für die Anlageklasse sind insgesamt zwar freundlich, variieren aber stark von Land zu Land, was verdeutlicht, dass ein selektives Vorgehen sehr wichtig ist. Beispielsweise erkennen wir aktuell ein gutes Wertpotenzial in lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Mexiko und Brasilien. Diese Länder haben ihre Zinsen bereits früh angehoben und kündigen nun langsam das Ende ihres Zinserhöhungszyklus an. Länder in Lateinamerika sind außerdem bedeutende Nutznießer der steigenden Rohstoffpreise. Darüber hinaus ist die Region von dem Konflikt in der Ukraine weniger stark betroffen.

Trotz der starken Rally in den letzten Wochen des Jahres 2022 sind die Aussichten für EM-Lokalwährungsanleihen in diesem Jahr nach unserer Meinung weiterhin gut. Wir glauben insbesondere, dass die im historischen Vergleich noch immer hohen Renditen ein Indiz für attraktive Bewertungen sind und ein gutes Polster gegen bekannte wesentliche Risikofaktoren darstellen. Nachdem die Gesamtrenditen zwei Kalenderjahre lang gesunken sind, spricht unseres Erachtens im Jahr 2023 mehr für positivere Ergebnisse von EM-Lokalwährungsanleihen.

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