Social-Media-Aktien in Aufruhr
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Der Markt für Social-Media-Aktien befindet sich in Aufruhr: Während sich mit Twitter einer der großen Namen des Sektors nach der Übernahme durch Milliardär Elon Musk von der Börse verabschiedet, bereitet ein anderer Branchenführer den Investoren Kopfzerbrechen. Die Facebook-Mutter Meta Platforms vermeldete in der vergangenen Woche den zweiten vierteljährlichen Umsatzrückgang in Folge, der aufgrund stark steigender Kosten einen Gewinnrückgang um rund die Hälfte nach sich zog.
Die Skepsis der Anleger gegenüber der Strategie von CEO Mark Zuckerberg brach sich darauf Bahn – die Meta-Aktie stürzte am Handelstag nach der Zahlenvorlage um bis zu 25% ab, seit Jahresbeginn liegt sie nun rund 72% im Minus. Die Marktkapitalisierung der Facebook-Mutter rutschte infolge der jüngsten Rückschläge erstmals seit 2016 unter die Marke von 300 Mrd. Dollar ab, inzwischen ist sie gar unter das Niveau von 250 Mrd. Dollar gefallen.
Am Markt werden nun Rufe laut, Zuckerberg müsse die Abläufe im Konzern verschlanken. Wie viele andere Tech-Konzerne habe sich Meta angesichts des Niedrigzinsumfelds und expansiven Wachstums der Vorjahre zu stark aufgebläht. Minderheitsaktionäre wie die Investmentfirma Altimeter Capital fordern gar umfangreiche Entlassungen. Meta könne das gleiche Umsatzniveau auch mit einer kleineren Belegschaft und somit geringeren Personalkosten erreichen.
Einsparungen gelten für den Social-Media-Konzern als nötig, weil sein wichtigstes Zukunftsprojekt enorm verlustreich ist. Die Entwicklung der Sparte Reality Labs, in der die Metaverse-Pläne des Unternehmens angelegt sind, lastete im dritten Quartal schwer auf dem Ergebnis. Der Betriebsverlust der Abteilung wird sich nach Erwartungen von Meta 2023 noch bedeutend ausweiten.
Anzeigenpreise unter Druck
Hatte der Konzern seine kapitalintensiven Projekte lange durch hohe Einnahmen aus dem Werbegeschäft finanzieren können, schwächelt auch diese Erlösquelle inzwischen. Zwar legten die Anzeigenaufrufe über alle Meta-Apps im dritten Quartal um 17% zu, der durchschnittliche Preis pro Anzeige sackte aber um 18% ab. Die Analysten von Bloomberg Intelligence rechnen damit, dass sich diese Schwäche angesichts der hohen Inflation auch 2023 fortsetzen dürfte. Denn die Teuerung führt dazu, dass die Ausgabebereitschaft für Werbung rapide abnimmt.
Auch Regeln, die Apple auf seinem Betriebssystem iOS eingeführt hat, lasten stärker auf den Einnahmen als erwartet. Denn der Smartphone-Riese fragt nun ausdrücklich um Erlaubnis, das Surfverhalten nachverfolgen zu dürfen. Weil viele Nutzer dies ablehnen, sammeln Dienste wie Facebook weniger Daten, so dass die Werbung auch weniger präzise platziert werden kann.
Dies trifft auch andere Branchenvertreter wie Snap, Pinterest oder eben Twitter hart, die ihre Erlösprognosen für 2022 gegenüber den zu Jahresbeginn abgegebenen Schätzungen deutlich heruntergeschraubt haben. Dagegen musste Alphabet, die über die Tochter Google auch die Videoplattform Youtube betreibt, geringere Anpassungen vornehmen. Allerdings verfügt der Tech-Riese über ein differenzierteres Geschäftsmodell als die Konkurrenz und erzielt im Suchmaschinenmarketing einen hohen Return on Investment.
Dies drückt sich auch in den Analystenmeinungen aus: Während laut Bloomberg 47 von 51 Investmenthäusern zum Kauf der A-Aktie von Alphabet raten und der Rest auf „Halten“ votiert, stehen bei Meta 38 „Kaufen“- 19 „Halten“- und fünf „Verkaufen“-Vota gegenüber – wobei der Anteil der Kaufempfehlungen zuletzt zurückgegangen ist.
Zwar hält Bloomberg Intelligence die Anzeigenaufrufe für den geeigneteren Indikator, um den Wert eines Social-Media-Unternehmens zu bestimmen, als den Preis pro Anzeige. Doch auch in Bezug auf das User-Engagement sei mit einer Abschwächung zu rechnen. Denn während die Nutzungszeit über verschiedene Social-Media-Plattformen hinweg im dritten Quartal zugelegt habe, wachse der Anteil jüngerer Konkurrenten wie der Video-App Tiktok.
Priorität für neues Format
Um im Wettbewerb mit dem Portal bestehen zu können, behandelt Meta die Entwicklung des hauseigenen Kurzvideoformats Reels prioritär. Auf Facebook und Instagram werden Reels laut Zuckerberg pro Tag 140 Milliarden Mal abgespielt, was über die vergangenen sechs Monate einen Anstieg von 50% bedeute.
Allerdings lässt sich das Kurzvideoformat für den Konzern bisher weniger effizient monetarisieren als andere Content-Arten. Die Investmentbank J.P. Morgan geht davon aus, dass sich dies 2023 ändert und Reels zum Erlöstreiber wird. Enttäuschungen diesbezüglich könnten aber zu weiteren kräftigen Kursrückschlägen führen – und aufgrund der herausgehobenen Marktstellung von Meta neuen Aufruhr bei Social-Media-Aktien verursachen.