Börse Madrid

Spanische Aktien ohne Dynamik

Der spanische Aktienmarkt wird von Banken und Versorgern dominiert. Beide Branchen leiden unter neuen Sondersteuern der Regierung.

Spanische Aktien ohne Dynamik

Von Thilo Schäfer, Madrid

Die Aufmerksamkeit der Anleger an der spanischen Börse galt in den letzten Monaten besonders den Banken und den Energieversorgern. Die beiden Branchen dominieren den Schwergewichtsindex Ibex35 mit einer Gewichtung von jeweils etwa einem Viertel. Die Preisexplosion der Rohstoffe und die steigenden Zinsen in Europa gaben den Werten einen Schub. Dagegen machten sich die von der spanischen Linksregierung angekündigten neuen Steuern auf die Übergewinne von Energiekonzernen und Kreditinstituten negativ in den Kursen bemerkbar.

Der Ibex35 ist seit Jahresbeginn um 6% gefallen, schneidet damit aber noch besser ab als der Euro Stoxx 50 oder der Dax. Nach einem Jahrestiefpunkt von 7300 Punkten im März und einem Hoch von fast 9000 Punkten Ende Mai kämpft der Index seit Wochen darum, über der Marke von 8000 Punkten zu bleiben. Die meisten Analysten sehen kein Wachstum. Bankinter erwartet zum Jahresende einen Stand von 8200 Punkten. Das Volumen des Aktienhandels an den spanischen Börsen ist seit Jahresbeginn um 10,7% gestiegen, wie die Betreibergesellschaft BME berichtete. Doch im Juli ging die Zahl der Trades gegenüber dem Vorjahr um 18,3% zurück. Auch in der spanischen Wirtschaft stehen die Zeichen auf rasche Abkühlung. Das Bruttoinlandsprodukt zeigte im zweiten Quartal noch eine starke jährliche Wachstumsrate von 6,3%, getrieben vor allem vom Konsum der Haushalte. Gerade die für Spanien wichtige Tourismusbranche boomt derzeit, auch wenn sie nicht ganz das Niveau von 2019 vor Ausbruch der Pandemie erreicht. Doch die Ausrüstungsinvestitionen gingen zuletzt zurück, und im Juli stieg die Zahl der Arbeitslosen überraschend an und beendete eine lange positive Entwicklung. J.P. Morgan rechnet für die zweite Jahreshälfte mit einer deutlichen wirtschaftlichen Abkühlung und für das vierte Quartal mit einem im Vergleich zum dritten Quartal niedrigeren Bruttoinlandsprodukt.

Banken unter Druck

Die Politik sorgte zuletzt zusätzlich für Verunsicherung an den Märkten. Die Sondersteuer für die Versorger war weitgehend erwartet worden, weniger die neue Abgabe für die Banken. Dementsprechend sackten die Kurse der Geldinstitute nach der Ankündigung Mitte Juli ab. Die Banken liegen in diesem Jahr knapp 6% im Minus. Doch dabei gibt es große Unterschiede. Die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank kam vor allem den Banken zugute, die mehrheitlich auf dem heimischen Markt operieren, angeführt von Caixabank mit einem Kursanstieg von fast 30% seit Januar vor Sabadell und Bankinter, mit jeweils rund 13% Zugewinn. Die Branchenführer Santander und BBVA, die ihr Geschäft überwiegend im Ausland tätigen, liegen dagegen mit 15% beziehungsweise 7% im Minus.

Andererseits kommen Santander und BBVA bei der neuen Bankensteuer besser davon, weil die Sonderabgabe von 4,8% auf den Erlös aus Zinsüberschuss und Provisionen nur in Spanien erhoben wird. Die Regierung will mit der für 2023 und 2024 angelegten Maßnahme pro Jahr 1,5 Mrd. Euro von den Banken einstreichen. Der Großteil entfällt auf Caixabank, die nach eigenen Angaben mit einer Auswirkung auf das Ergebnis von 400 Mill. bis 450 Mill. Euro im ersten Jahr rechnet. „Nach unserer Sicht wird diese Maßnahme unsere insgesamt positive Sicht der spanischen Banken schwächen, aber nicht umstoßen, denn das Ausmaß der Zinserhöhung durch die EZB und die makroökonomische Entwicklung werden die Kurse treiben, besonders die der heimischen Institute“, kommentierten die Analysten von UBS in einer Studie zum spanischen Finanzsektor von Ende Juli.

Wie bei den Banken ergibt sich auch bei den Energiekonzernen für das Börsenjahr 2022 ein gemischtes Bild. Während einige Versorger wie Endesa oder Naturgy im Minus liegen, kann der Branchenprimus der Stromversorger Iberdrola einen Kursgewinn von 5% vorweisen. Der Erdölkonzern Repsol liegt dank der hohen Preise mit 20% im Plus. Die Sondersteuer beträgt im Fall der Energiekonzerne 1,2% auf den Umsatz in Spanien. Iberdrola meldete für das erste Halbjahr einen Gewinnrückgang von 26% auf dem Heimatmarkt, während das Gesamtergebnis dank des Auslandsgeschäfts um 36% zulegte. Die Analysten von Citi loben die geografische Diversifizierung des Konzerns, während Sociéte Générale unterstreicht, dass Iberdrola dank ihres Fokus auf Ökostrom stark von der Energiewende in Europa profitieren wird.

Tourismuswerte gesucht

Eine weitere interessante Entwicklung am spanischen Aktienmarkt sind die Werte aus der Reise- und Tourismusbranche. Nach zwei äußerst schwierigen Jahren wegen der Pandemie schrieben die meisten Unternehmen im zweiten Quartal wieder schwarze Zahlen. So etwa die Hotelgruppe Meliá, die nach der Vorlage der Bilanz letzten Mittwoch mit einem Kurssprung von 6,3% Tagessieger am Ibex war. Auch der Flughafenbetreiber Aena und der Anbieter von Buchungssystemen und IT, Amadeus, kehrte von April bis Juni in die Gewinnzone zurück. Allerdings erwarten die Experten nach dem starken Sommer mit einer beinahe ungebremsten Reiselust der Europäer eine rasche Abkühlung im Herbst. Zudem können die Reiseunternehmen die Inflation nicht mehr länger an die Kunden weitergeben, was die Margen drücken wird, wie etwa die Analysten von Bankinter befinden.

Robuste Entwicklung

Die robuste wirtschaftliche Entwicklung in der ersten Jahreshälfte hat in Spanien nicht geholfen, die Flaute bei Börsengängen zu beenden. Abgesehen von einigen kleinen Unternehmen liegt das letzte größere IPO schon ein Jahr zurück. Die Aktie von Acciona Energía, der Ökostromtochter des Baukonzerns Acciona, hat seitdem rund 60% hinzugewonnen. Das ist aber die Ausnahme. Von den 25 Unternehmen, die seit 2015 ihr Debüt an der Börse gaben und heute noch notieren, liegen gerade einmal sieben im Plus, wie die Wirtschaftszeitung „Cinco Días“ am Montag berichtete. Der beste Wert ist demnach Cellnex, Europas führender unabhängiger Betreiber von Mobilfunkstationen, mit einem Kursgewinn von gut 200% seit dem Gang aufs Parkett vor sieben Jahren. Allerdings liegt die bei Anlegern lange sehr beliebte Aktie 2022 rund 15% im Minus, da das rasche Wachstum durch Zukäufe der letzten Jahre zuletzt etwas ins Stocken geraten ist. So blieb Cellnex beim Verkauf der Funktürme der Deutschen Telekom außen vor. Derzeit sind keine größeren IPOs in Spanien in Sicht, was sich wegen der ungewissen Aussichten für den Herbst nicht bald ändern dürfte.

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