Währungen

Starker Dollar, schwache Euro-Wirtschaft

Der starke Dollar spiegelt nicht nur die Erwartungen einer höheren Verzinsung in Amerika wider. Er zeigt auch die fundamentalen und langfristigen Schwächen der europäischen Wirtschaft und Geldpolitik.

Starker Dollar, schwache Euro-Wirtschaft

Der US-Dollar ist so stark wie schon lange nicht mehr. Gegenüber dem Euro wertete er seit Mitte vergangenen Jahres um 19% auf. Im September stieg der Dollar sogar über Parität zum Euro. Ursache für die Aufwertung des Dollar ist in erster Linie die aggressive Kehrtwende in der amerikanischen Geldpolitik. Die Federal Reserve legt das mit Abstand höchste Tempo der Industrieländer bei Zinserhöhungen vor. Aufgrund struktureller Unterschiede kann die amerikanische Wirtschaft höhere Zinsen besser verkraften. Die Inflation ist dort – anders als beispielsweise in Europa – weniger das Resultat eines knappen Güterangebots, sondern eines Nachfrageüberhangs, der mit Zinssteigerungen verringert werden kann. Zudem suchen Investoren in schwierigen Zeiten sichere Häfen mit großen und liquiden Kapitalmärkten. Das sind immer noch die Vereinigten Staaten und der Dollar. All das führt zu Kapitalzuflüssen in die USA und treibt die Nachfrage nach dem Dollar nach oben.

Eine Aufwertung des Dollar in diesem Ausmaß ist selten. Seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 hat es das nur dreimal gegeben: Einmal Mitte der achtziger Jahre, einmal kurz nach der Jahrtausendwende und einmal Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Jedes Mal waren die Aufwertungszyklen mit erheblichen wirtschaftlichen Turbulenzen oder gar Währungsreformen verbunden. Im Plaza-Abkommen 1985 vereinbarten die großen Industrieländer gemeinsame Interventionen an den Märkten, um den Wert des Dollar zu senken. Auf der Prager IWF-Konferenz 2000 reichte die Drohung mit solchen Eingriffen, um die Märkte zu beruhigen. Im Jahr 2015 fand die Dollaraufwertung erst ein Ende, als ein Zusammenbrechen der Europäischen Währungsunion mithilfe unkonventioneller Geldpolitik abgewendet werden konnte.

Den Aufwertungszyklen war gemein, dass sie sowohl Währungen der Industrie- als auch der Entwicklungsländer betrafen. Heute ist das anders. Der handelsgewichtete Dollar gegenüber den Industrieländern hat seit Beginn des Jahres rund 11% zugelegt, während er gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern nur um 4% anstieg. Die Emerging Markets haben die Zinserhöhungen durch die Fed bislang besser in den Griff bekommen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Zum einen haben einige nationalen Zentralbanken, beispielsweise in Brasilien oder Mexiko, die Leitzinsen bereits deutlich früher als die Fed angehoben. So konnten sie den Abfluss von Kapital in Grenzen halten. Zum anderen profitierten Rohstoffexporteure vom starken Dollar sowie von der Verknappung des globalen Angebots infolge des Ukraine-Krieges und der Corona-Pandemie.

Für Deutschland und die Eurozone sieht die Lage hingegen trüb aus. Der feste Dollar wird mehr und mehr zu einem Problem für die Wirtschaft. Zwar verbessert sich grundsätzlich die Wettbewerbsfähigkeit der Länder, deren Währung sich in einem System flexibler Wechselkurse abwertet, bei stabilen Preisniveaus entsprechend der Abwertung. Unternehmen können mehr exportieren oder die Gewinnmargen verbessern, weil ihre Waren für ausländische Abnehmer günstiger werden. Davon kann eine Exportnation wie Deutschland normalerweise profitieren. Ein Blick auf die deutschen Exporte nach Rechnungswährung zeigt aber, dass im Jahr 2021 gerade einmal 24% der Exportgeschäfte mit Nicht-EU-Ländern in Dollar fakturiert wurden. Auch wenn die Vereinigten Staaten der wichtigste Handelspartner Deutschlands sind, dürften die positiven Effekte einer Abwertung des Euro daher gering ausfallen.

Mindestens ebenso wichtig für die Exporterwartungen wie der Devisenkurs ist zudem die Konjunktur in den Zielländern. Die Prognosen für die globale Wirtschaft sind aber bekanntlich ziemlich schlecht. Die hohe Inflation lässt die reale Kaufkraft der Haushalte sowie deren Ersparnisse in zahlreichen Ländern sinken, die Zinserhöhungen bremsen Investitionen und coronabedingte Lockdowns belasten nach wie vor die Lieferketten. In diesem Umfeld dürfte selbst ein günstiger Wechselkurs eine untergeordnete Rolle für eine Ausweitung der Exporte spielen.

Hinzu kommt, dass die Länder der europäischen Währungsgemeinschaft auf Importe von Energierohstoffen angewiesen sind. Diese sind durch den Wegfall von russischem Öl und Gas knapper geworden und haben sich stark verteuert. Die deutsche Wirtschaft ist davon in besonderem Maße betroffen: Bereits vor Ausbruch des Krieges musste für Elektrizität deutlich mehr aufgewendet werden als in den anderen großen europäischen Volkswirtschaften. So lag der Strompreis, den die Industrie zahlen musste, in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 30% über dem der Eurozone. Beim Gas ist die Situation nicht besser. Hier musste die deutsche Industrie rund 10% höhere Preise bezahlen. Ein starker Dollar erhöht die Energiekosten noch einmal zusätzlich, da der überwiegende Teil der Energierohstoffe in Dollar gehandelt wird. Das steigert die Produktionskosten, senkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen und verzögert dringend benötigte Investitionen. Von der Politik kommt im Moment keine Abhilfe. Sie scheint darauf bedacht zu sein, den Doppelausstieg aus Kohle und Atomenergie trotz Energiekrise durchsetzen zu wollen.

Andere Regionen besser

Der starke US-Dollar spiegelt im Moment nicht nur die Erwartungen einer höheren Verzinsung in Amerika wider. Er zeigt auch die fundamentalen und langfristigen Schwächen in der europäischen Wirtschaft und Geldpolitik. Gerade bei den Energiekosten kommen große Probleme auf die energieimportierenden Länder Europas zu, die durch die Aufwertung des Dollar noch einmal verschärft werden. Die Europäische Zentralbank hat sich zu spät dazu durchgerungen, die hohe Inflation und die Entwertung des Euro entschieden zu bekämpfen. In einem solchen Umfeld überlegen sich Investoren doppelt, ob sie ihr Geld in der Eurozone investieren wollen. Anlagen in den Vereinigten Staaten und selektiv in anderen Ländern wie beispielsweise Japan könnten langfristig aussichtsreicher sein.