Justin Leverenz, Invesco

Top-Fondsmanager Leverenz wird in China fündig

Justin Leverenz von Invesco sieht große Chancen in China und Indien. Doch zählt für den Top-Fondslenker in erster Linie das einzelne Unternehmen.

Top-Fondsmanager Leverenz wird in China fündig

Von Werner Rüppel, Frankfurt

In New York arbeitet Justin Leverenz, der bei Invesco das OFI Emerging Markets Aktien Team leitet. Der Spezialist für Schwellenländer, der seit 1993 in der Investmentbranche aktiv ist, verantwortet einen der größten Emerging-Markets-Aktienfonds der Welt mit investierten Geldern von mehr als 50 Mrd. Dollar. Und der Top-Manager, dessen Developing Markets Equity Fund durch aktives Management den MSCI Emerging Markets langfristig klar geschlagen hat, überraschte im Gespräch mit der Börsen-Zeitung mit seiner fundiert eigenen Sicht der Dinge. So attestiert denn auch Morningstar dem Produkt, dass der Fonds durch seinen „ungewöhnlichen Ansatz“ erfolgreich ist.

Denn der renommierte Fondslenker schaut natürlich bei seinen Investments auf die Makroperspektiven, entscheidend für ein Engagement in einer Aktie sind jedoch die Chancen und Risiken des einzelnen Unternehmens. „Wir achten genau auf das makroökonomische Umfeld in Schwellenländern, da es die Unternehmen beeinflusst, in die wir investieren, aber besonders konzentrieren wir uns auf Bottom-up-Fundamentalresearch der einzelnen Unternehmen“, erklärt Leverenz. Und dabei geht es nicht um kurzfristige Engagements, sondern eben um langfristig aussichtsreiche Titel. „Wir sind aktive, langfristig orientierte Buy-and-Hold-Investoren. Bei einer Aktie beträgt unser Anlagehorizont über fünf Jahre.“

Das größte Angebot weltweit

Leverenz, der fließend Mandarin spricht, stuft China als den „dominanten Wachstumsmotor“ ein, und das nicht nur für die Volkswirtschaften der Schwellenländer, sondern weltweit. Aktiven Investoren biete gerade das Reich der Mitte eine große Auswahl. „China hat das größte Angebot von Firmen weltweit“, sagt der Fondsmanager. „Für Investoren finden sich daher in China etliche aussichtsreiche Gelegenheiten.“ Mit seinen Investments klebt der Fondslenker nicht eng an einer Benchmark wie dem MSCI Emerging Markets Index. Leverenz investiert zum Beispiel auch in kleine Unternehmen, die gut positioniert sind und Aussicht auf anhaltendes Wachstum haben. „In Tencent sind wir seit 14 Jahren investiert“, erläutert er. „Als wir die Aktie kauften, war es noch ein sehr kleines Unternehmen, aber wir haben frühzeitig große Wachstumsperspektiven gesehen.“ Zuletzt habe er etwas Gewinne mitgenommen und die Position in Tencent etwas zurückgefahren. Der Anteil Tencents im Invesco Developing Markets Equity Fund lag Ende Februar noch bei 7,1%. China hat im Fonds ein Gewicht von 32,4% im Vergleich zu 39,4% im MSCI Emerging Markets Index.

Balanceakt in China

Weltweit seien es gerade ausgewählte Schwellenländer gewesen, die das Coronavirus erfolgreich bekämpft und eingedämmt hätten. Viele Investoren hätten vor diesem Hintergrund den chinesischen Aktienmarkt entdeckt. Dadurch sei es in China stellenweise zu Übertreibungen am Aktienmarkt gekommen, zumal auch heimische Privatinvestoren, die in China eine wichtige Rolle spielten, kräftig in Aktien spekuliert hätten. Dies habe dann auch Sorgen beim chinesischen Staat hervorgerufen, der Übertreibungen und allzu hohe Schwankungen vermeiden wolle. Dies zu steuern sei sicherlich ein schwieriger Balanceakt. Zu unterscheiden sei aber die kurzfristige und die langfristige Perspektive. Trotz kurzfristiger Kursrückschläge bleibe der chinesische Aktienmarkt mit vielen schnell wachsenden Unternehmen langfristig attraktiv. Hinzu komme, dass China viele wachstumsstarke Unternehmen biete. „Gerade im Sektor Biotech finden sich derzeit in China mehrere aussichtsreiche Unternehmen“, sagt Leverenz. Diese Firmen hätten in den vergangenen Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Darüber hinaus gebe es auch in Südkorea ausgesprochene Gelegenheiten im Biotech-Sektor.

Differenzierter Value-Ansatz

Das Invesco-Emerging-Markets-Team geht davon aus, dass sich die gewaltige Lücke, die sich im vergangenen Jahr zwischen Growth- und Value-Titeln aufgetan hat, im laufenden Jahr wieder abrupt schließen wird. Wahrscheinlich werde dies schmerzhaft sein. Allerdings werde es dabei nicht zu einem plötzlichen Comeback aller traditionellen Value-Aktien kommen. Denn viele traditionelle Value-Aktie hätten mit gewaltigen strukturellen Problemen zu kämpfen. Insofern sei für Investoren ein differenzierter Value-Ansatz erfolgversprechend.

Neben China sieht Leverenz in Indien zunehmend attraktive Anlagemöglichkeiten. „Das könnte die nächste große Anlagestory in den Schwellenländern werden“, sagt der Fondsmanager. Indische Titel haben in dem Invesco-Fonds einen Anteil von 13,6% und sind damit deutlich höher gewichtet als im MSCI Emerging Markets (mit 9,2%). Zu den Ländern, die strukturell unter Druck stehen oder nur ein schwaches Wirtschaftswachstum verzeichnen dürften, zählt Leverenz Südafrika, Brasilien und die Türkei. Gerade die Türkei habe die für Schwellenländer typischen Probleme wie die hohe Abhängigkeit von ausländischem Kapital. Hinzu komme die unrealistische Wachstumssucht der Politik. Hingegen werde der Dekarbonisierungstrend Auswirkungen auf Russland, die Golfstaaten, Nigeria, Kolumbien und Mexiko haben.

Doch Leverenz investiert nicht nur in wachstumsstarken Regionen wie China, Indien oder Südostasien. „Attraktive Firmen finden sich auch in anderen Schwellenländern“, sagt der Fondslenker. „Und das auch in Ländern, die von ihren Fundamentals her nicht durchweg überzeugen.“ Entscheidend seien stets Bewertung, Bilanz, Marktposition und Wachstumsaussichten der einzelnen Unternehmen. „In Russland gefällt uns die Suchmaschine Yandex“, erklärt Leverenz. Auch vom russischen Energieunternehmen Novatek, an dem der von ihm ge­managte Fonds eine größere Position hält, ist er überzeugt.

Übertreibung bei Tesla

Leverenz und sein Team schauen genau hin und interessieren sich stark für Branchendetails und Unternehmensspezifika. So sei es Luxusgüterhersteller Kering nicht allein gelungen, ein dynamisches Portfolio bekannter Marken nachhaltig wiederzubeleben; Kering könne jetzt ihr Portfolio durch Zukäufe zu attraktiven Bewertungen ausbauen. „In der Automobilindustrie gibt es aufgrund der Transformation hin zur E-Mobilität erhebliche Risiken für Hersteller und Zulieferer“, erläutert Leverenz. „Vor allem sind die Eintrittsbarrieren für E-Autos sehr viel niedriger als bei Verbrennern.“ Dies verändere auch die Sicht von Investoren auf die Branche. „Chancen finden sich jetzt eher in neuen Komponenten wie Batterien.“ Auf dem Weg hin zur E-Mobilität gebe es natürlich auch Übertreibungen. „Ich glaube nicht, dass die aktuelle Bewertung von Tesla gerechtfertigt ist“, erklärt der Fondsmanager. „Tesla ist angesichts des globalen Fokus auf Elektroautos und nachhaltige Energie nicht derart einzigartig.“

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zeigt sich Leverenz von seinem aktiven Investmentansatz überzeugt: „Ich bin in meinem Fonds auch selbst investiert.“

Top-Ten-Aktien des Invesco Dev. Markets Equity Fund *
Anteil (%)
Taiwan Semiconductor8,4
Tencent7,1
Housing Dev. Finance4,9
Alibaba Group4,8
AIA Group4,0
Kering4,0
Huazhu Group3,8
Novatek3,5
Kotak Mahindra Bank3,4
Yum China Holdings3,4
*) Stand: 28.2.2021
Börsen-Zeitung