Corporate Bonds

Trübere Aussichten für Unternehmens­anleihen

Marktakteure stellen sich derzeit die Frage, wie lange die Rally der Unternehmensanleihen noch anhält. Denn die Aussichten werden zunehmend trüber. Ein Tausch in Dollar-Papiere bietet sich an.

Trübere Aussichten für Unternehmens­anleihen

Von Michael Klawitter *)

Seit Anfang Juli hat sich die Stimmung für globale Unternehmenswerte deutlich verbessert und Aktien sowie Anleihen haben über die verschiedenen Währungsräume hinweg die mit Abstand stärksten monatlichen Gewinne in diesem Jahr verzeichnet. Mit 4,7% lag die Monatsperformance für einen breiten Index aus Euro-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (IG-Rating) sogar auf dem höchsten Niveau seit mehr als 15 Jahren, und High-Yield-Anleihen verzeichneten im Juli ein Plus von 5,1%. Im Dollar-Raum waren die Gewinne zwar etwas niedriger, doch fielen sie ebenfalls außergewöhnlich hoch aus.

Die starken Gewinne spiegeln neben dem Rückgang des Renditeniveaus vor allem eine kräftige Einengung des Asset-Swap-Spreads um durchschnittlich knapp 50 Basispunkte (BP) bei Euro-Unternehmensanleihen (IG-Rating). Eine Fortsetzung dieser starken Performance in den kommenden Wochen und Monaten erscheint jedoch wenig wahrscheinlich, denn die Entwicklung seit Anfang Juli war stark technisch getrieben. Vor allem in der Eurozone sollten nun erneut die Rezessionsrisiken in den Fokus rücken und das Chance-Risiko-Profil bei Unternehmensanleihen ist aktuell wenig attraktiv.

Starke Performance

Eine wichtige Rolle bei der starken Performance von Unternehmensanleihen im Juli und in den ersten Augustwochen spielt das etablierte saisonale Muster. So verzeichnen Euro-Unternehmensanleihen (IG-Rating) im Juli traditionell die stärkste monatliche Performance des Jahres. Im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre lag das Plus mit 1,3% deutlich über dem nächstbesten Monat (April 0,8%). In keinem der vergangenen 15 Jahre verzeichnete der analysierte breit gefasste Anleiheindex im Juli einen Verlust.

Ausschlaggebend für dieses Muster, das sich im August abgeschwächt fortsetzt, ist vor allem die in den Sommermonaten fehlende Neuemissionstätigkeit bei Unternehmensanleihen. Zusammen mit der niedrigen Liquidität während der Ferienzeit führt dies zu kräftigen Spread-Einengungen schon bei einer geringen Belebung der Nachfrage. Allerdings dreht sich das saisonale Muster im September und Verluste überwiegen. Im langjährigen Durchschnitt weisen Euro-Unternehmensanleihen in diesem Monat die mit Abstand schlechteste Performance im Jahr aus.

Dies dürfte zu einem guten Teil an der sich nach der Sommerpause wiederbelebenden Neuemissionstätigkeit liegen. So legte während der vergangenen fünf Jahre das Emissionsvolumen bei Euro-denominierten Unternehmensanleihen (IG-Rating) im September um durchschnittlich mehr als den Faktor 6 verglichen zum Volumen im August zu. Ein solch scharfer Anstieg des zu platzierenden Anleihevolumens erfordert Spread-Zugeständnisse, was sich dann auch auf den Sekundärmarkt überträgt und die Performance drückt.

Neben dem saisonalen Muster fußt die Rally der zurückliegenden sechs Wochen bei Unternehmensanleihen auch auf der einseitigen Positionierung wichtiger Marktteilnehmer. Angesichts der schon ab Kriegsausbruch stark steigenden Energiepreise wurden Rezessionsrisiken für die Eurozone frühzeitig diskutiert, und Investoren reduzierten ihre Bestände an Unternehmenswerten deutlich. Allerdings fielen die Unternehmensberichte im zweiten Quartal weiterhin recht ordentlich aus, und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone legte mit 0,7% stärker als erwartet zu. Zeichen einer konjunkturellen Abschwächung ließen auf sich warten, da zeitgleich die wirtschaftliche Belastung durch coronabedingte Lieferengpässe zurückging.

Marktteilnehmer sahen sich in dieser Situation gezwungen, ihre Quoten bei Unternehmensanleihen wieder in Richtung neutral anzuheben. Bei niedriger Neuemissionstätigkeit und ferienbedingt dünner Liquidität kam es entsprechend zu erheblichen Spread-Einengungen. Allerdings dürfte die Positionierung wieder recht ausgeglichen sein und zusammen mit der nachlassenden saisonalen Unterstützung rücken fundamentale Faktoren vermehrt wieder in den Fokus.

Höhere Risikoprämien

Der brutale Anstieg der Preise für Gas und Strom in Deutschland und Europa lässt die Rezessionsrisiken zunehmend klarer erscheinen. Seit Jahresanfang hat der Preis für Strom-Grundlast für das kommende Jahr um den Faktor 3,6 zugelegt und übersteigt damit sogar den Preisanstieg bei Gas. Da sich Stadtwerke und Industrie im Normalfall auf Monate im Voraus ihren Energiebedarf über Forward-Geschäfte abgesichert haben, trifft sie dieser Preisanstieg nur mit Verzögerung. In den kommenden Monaten werden die erhöhten Preise jedoch mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf Unternehmen ge­nauso wie auf die Kaufkraft der Konsumenten wirken. Geschäftsmodelle von Unternehmen dürften in Frage gestellt werden, und das bisher noch recht stabile Ratingumfeld bei Unternehmen in der Eurozone wird sich eintrüben. Entsprechend werden die Risikoprämien bei Anleihen (Spreads) steigen.

Gegenwind droht Unternehmensanleihen auch mit Blick auf die Geldpolitik. So gehen Marktteilnehmer davon aus, dass die US-Zinsen im März 2023 ihren Höhepunkt erreicht haben werden und es im weiteren Jahresverlauf zu Zinssenkungen kommen wird. Trotz erster Anzeichen, dass die Inflationswelle in den USA ihren Scheitelpunkt überschritten hat, deckt sich dies nicht mit den Kommentaren verschiedener Fed-Mitglieder. Nach der deutlichen Kritik an der Fed und auch anderen Zentralbanken wie der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre anfänglich zögerliche Reaktion auf steigende Inflationsraten erscheint es fraglich, dass die Fed die geldpolitischen Zügel lockern wird, solange die Inflationsrate deutlich über der Zielmarke liegt.

Auch die EZB dürfte angesichts der voraussichtlich bis Oktober in der Eurozone auf über 10% steigenden Inflation um weitere Zinsschritte in Richtung 1% bis Jahresende und im ersten Quartal 2023 darüber hinaus nicht umhinkommen. Entsprechend sollte das von der Geldpolitik ausgehende Enttäuschungspotenzial für die Märkte nicht unterschätzt werden. Zudem bieten die Reinvestitionen der EZB bei Unternehmensanleihen bis Jahresende mit knapp 6 Mrd. Euro nur wenig Unterstützung.

Tausch in Dollar-Papiere

In dieser Kombination aus technischen und fundamentalen Faktoren erscheint das Risiko-Chancen-Verhältnis bei Euro-Unternehmensanleihen nach der seit Anfang Juli erfolgten Rally wenig attraktiv. Zwar muss dies nicht zu einem sofortigen Stimmungswandel führen, doch sollten angesichts der niedrigen Marktliquidität Gewinnmitnahmen frühzeitig eingeleitet werden. Marktteilnehmer, die die bisherige Rally verpasst haben, sollten dem Markt nicht „hinterherspringen“. Für Marktteilnehmer, die bestimmte Quoten bei Unternehmensanleihen halten müssen, bietet sich angesichts des deutlich stabileren Konjunkturausblicks für die USA ein Tausch aus den Euro-Unternehmensanleihen in vergleichbare US-Dollar-Bonds an.

*) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.