„Überseht nicht die großen europäischen Unternehmen!“
Im Interview: Jordy Hermanns
„Überseht nicht die europäischen Unternehmen!“
Aegon-Anlagestratege sieht vier große Trends am Aktienmarkt – Sieben „Eurostars“ können sogar mit den Magnificent Seven mithalten
An den Aktienmärkten waren lange alle Blicke auf die Magnificent Seven gerichtet. Aegon-Portfoliomanager Jordy Hermanns hat sieben europäische Unternehmen identifiziert, die sich nicht hinter den Glorreichen Sieben verstecken müssen. Neben der Digitalisierungswelle hat der Experte noch drei weitere Trends ausgemacht, wie er im Interview der Börsen-Zeitung erklärt.
Die Magnificent Seven waren an den Aktienmärkten lange das Maß aller Dinge. Sie haben aber herausgearbeitet, dass es auch einen Korb europäischer Aktien gibt, die sich dahinter nicht verstecken müssen und von Anfang 2020 bis Mitte dieses Jahres mit einer jährlichen Rendite von 30% eine ähnlich beeindruckende Performance hingelegt haben. Welche Unternehmen zählen Sie zu den „Eurostars“ und warum?
Wir haben Unternehmen gesucht, die es mit den Magnificent Seven aufnehmen können. Unsere sieben Euro-Aktien sind Adyen, ASML, Ferrari, Hermès, LVMH, Novo Nordisk, und Schneider Electric. Die Magnificent Seven haben einen starken Markt und eine große Marktkapitalisierung. Vor allem aber sind sie an einen Punkt gekommen, an dem sie einen einzigartigen Service und eine sehr starke Dominanz in ihrer Branche haben. Für diese sieben „Eurostars“ haben wir uns entschieden, weil sie ebenfalls eine besondere Position in ihrer Branche einnehmen, zum Beispiel als einer der Marktführer im Luxusmodebereich.
Wie genau sind Sie bei Ihrer Auswahl vorgegangen?
Wir haben uns verschiedene Sektoren angesehen und dann geprüft, welche Unternehmen dort ein einzigartiges Angebot haben. So kommt man beispielsweise zu Novo Nordisk im Pharmabereich, zu einem großen Chip-Hersteller wie ASML, zu Louis Vuitton, zu Hermès und auch zu Ferrari im Luxusbereich, zu Adyen bei digitalen Zahlungen und zu Schneider Electric bei der Elektrifizierung. Wir haben uns europäische Unternehmen angesehen, die europäische Regeln haben und die eine führende Marktposition haben, was automatisch zu höheren Marktanteilen, höheren Renditen, und einer Marktbeherrschung führen könnte.
Was für Kriterien hatten Sie noch bei der Zusammenstellung Ihrer „Eurostars“?
Wir hatten keine starken quantitativen Kennzahlen, wir haben uns das gesamte Spektrum angesehen, das Universum dabei war europäisch. Aber es musste eine Marktdominanz oder ein Alleinstellungsmerkmal bei diesen Unternehmen geben. Natürlich ist das ein bisschen subjektiv. Es gibt einige Unternehmen, die auf der Liste stehen könnten und doch nicht darauf gelandet sind. Bei Ferrari etwa hat uns gefallen, dass das Unternehmen gute Renditen hat und interessante Perspektiven.
Wie lief das bei den Magnificent Seven?
Ziemlich ähnlich. Sie wurden auch erst als Gruppe zusammengestellt, nachdem sie gut abgeschnitten haben. Es hat also niemand mit diesem Korb herumgespielt mit der Idee, dass er damit dann sehr gut abschneidet. Es ist ein bisschen andersherum.
Anders als bei den amerikanischen Pendants fließen bei den „Eurostars“ auch lukrative Dividenden. War das auch ein Auswahlkriterium?
Europäische Unternehmen zahlen oft mehr Dividende als US-Unternehmen, das liegt ein bisschen in der Natur der Sache. Und so zahlen auch die Magnificent Seven nur sehr niedrige Dividenden. Die sind bei den „Eurostars“ etwas höher. Wir haben uns aber auch die Aktienrückkäufe angesehen, und da sieht man, dass die US-Unternehmen einen höheren Prozentsatz an Aktienrückkäufen haben. Wenn man sich die Ausschüttungen in den USA ansieht, erhält man mehr Aktien pro Dollar. In Europa ist es umgekehrt, man erhält eine höhere Dividende bei niedrigerer Rückkaufrendite.
Als einen weiteren Vorteil der europäischen Vorzeigeunternehmen gegenüber den Magnificent Seven sehen Sie die geringere Volatilität. Können Sie erklären, warum die europäischen Aktien stabiler sind?
Das liegt daran, dass unser Korb für Europa ein wenig diversifizierter ist als die Magnificent Seven in den USA. Diese sind stark von Technologie getrieben. Dabei gibt es einige Unternehmen, die wirklich mit einer hohen Volatilität herausstechen, zum Beispiel Tesla, das ja auch Teil der Magnificent Seven ist und damit auch die Volatilität der Magnificent Seven erhöht. Unsere „Eurostars“ sind ausgewogener auf verschiedene Sektoren verteilt.
Eine größere Diversifizierung dürfte natürlich auch von Vorteil sein, wenn der KI-Hype in den USA einmal abebbt. Sie haben neben der Digitalisierungswelle noch drei weitere Trends ausgemacht. Welche sind das?
Ja, bei dem „Eurostars“-Basket sehen wir noch drei weitere Trends: Da ist zunächst einmal die steigende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und da insbesondere nach Medikamenten gegen Fettleibigkeit. In dem Bereich ist Novo Nordisk aktiv. Zweitens ist das der Haushalts- und Luxusbereich, in dem LVMH unterwegs ist. Speziell in Asien hat eine wachsende, reiche Mittelschicht die Möglichkeit, Luxusgüter von LVMH und Hermès zu kaufen. Dazu kommt dann noch die Energiewende, bei der Schneider Electric sehr präsent ist. In den USA bei den Magnificent Seven ist es nur der Technologiesektor, dagegen sehen wir bei den „Eurostars“ neben dem Technologiebereich auch das Wachstum von Gesundheitsdienstleistungen, das Wachstum des Haushaltsvermögens und die Energiewende.
Zuletzt schwächelten aber einige der europäischen Vorzeigeunternehmen. Novo Nordisk etwa konnte die Markterwartungen nicht vollends erfüllen. ASML leidet unter Exportbeschränkungen. Sind das marktübliche Rücksetzer oder wechseln gerade die Zugpferde an der Börse?
Es stimmt, die „Eurostars“ hatten zuletzt ein wenig Gegenwind, während die Magnificent Seven mit hohen Renditen weitermachen. Wir haben in den letzten drei Monaten bei Novo Nordisk eine gewisse Schwäche festgestellt, ebenso bei Louis Vuitton. Das liegt zum Teil an geopolitischen Problemen, auch an Problemen im Zusammenhang mit Produktion und Export. Wir halten die „Eurostars“ aber immer noch für sieben großartige Unternehmen, auch wenn ihre Bilanz nun in der Tat ein bisschen weniger positiv ist. Das liegt auch an einer gewissen Schwäche Chinas. Die europäischen Unternehmen sind da im Allgemeinen anfälliger, weil sie sehr exportorientiert sind und die US-Megakonzerne weniger auf Exporte angewiesen sind.
Was empfehlen Sie Anlegern, die in die „Eurostars“ investieren möchten?
Wir haben diesen Korb der „Eurostars“ erstellt, um den Leuten zu zeigen, dass es eine Alternative zu den Magnificent Seven in den USA gibt. Um zu zeigen, dass der Fokus oder die Aufmerksamkeit aktuell vielleicht zu sehr auf den USA liegt. Unsere Empfehlung lautet: Überseht nicht die großen europäischen Unternehmen! Auch die können sehr attraktive Renditen erzielen. Die USA dominieren nicht allein den Markt, es gibt auch einige sehr interessante europäische Konzerne, die man in Betracht ziehen sollte, zum Beispiel die „Eurostars“.
Zur Person: Jordy Hermanns ist Portfoliomanager in der Multi Asset Group und Anlagestratege bei Aegon. Er ist für taktische und strategische Asset-Allocation-Strategien verantwortlich.
Das Interview führte Tobias Möllers.