Trend zum Handel rund um die Uhr

US-Regulatoren genehmigen erste 24-Stunden-Börse

Die Börsenaufsicht SEC hat grünes Licht für die erste 24-Stunden-Börse der USA gegeben. Investorenschützer betrachten die zunehmende Ausweitung der Handelszeiten kritisch.

US-Regulatoren genehmigen erste 24-Stunden-Börse

US-Aufsicht genehmigt 24-Stunden-Börse

Trend zum Handel rund um die Uhr weckt Furcht vor systemischen Risiken

xaw New York

Der Trend zum Aktienhandel rund um die Uhr gewinnt an Fahrt. So hat die US-Börsenaufsicht SEC am Mittwoch die Freigabe für einen zweistufigen Plan zum Start der 24 Exchange gegeben. Das Startup, dessen wichtigster Geldgeber der Hedgefonds Point 72 des Starinvestors Steve Cohen ist, soll zunächst mit regulären Handelszeiten zwischen acht Uhr morgens und vier Uhr nachmittags New Yorker Zeit ins Rennen gehen und anschließend zwischen Sonntag und Donnerstag Übernachtsitzungen abhalten, sobald die nötige Infrastruktur aufgesetzt ist. Dafür muss sich der neue Anbieter auch mit rivalisierenden Börsenplätzen abstimmen, die den konsolidierten elektronischen Datenstrom für den Aktienhandel bereitstellen.

Steigende Retail-Nachfrage

Während Treasuries und die wichtigsten Industrieländerwährungen um den Dollar unter der Woche fast durchgängig hoch frequent gehandelt werden, steckt das Rund-um-die-Uhr-Geschäft mit Dividendenpapieren in den USA noch in den Kinderschuhen. Denn strikte Regeln zum Investorenschutz und ein komplexerer Settlement-Prozess machten es für Marktbetreiber lange nicht attraktiv genug. Doch der Aufstieg von Retail-Brokern führt zu einer steigenden Nachfrage von zunehmend risikofreudigeren Privatanlegern, die das 24-Stunden-Trading aus dem Kryptomarkt gewöhnt sind.

Bei Robinhood können Privatanleger an fünf Tagen die Woche rund um die Uhr ausgewählte Exchange-Traded Funds und Einzelaktien handeln, Interactive Brokers hält gar Sitzungen mit über 10.000 verfügbaren Werten ab. Die Trades laufen dabei in Dark Pools, deren Teilnehmer untereinander handeln, und haben damit keinen Einfluss auf die Preisbildung im breiten Markt. Die Zulassung einer regulierten Übernachtbörse stellt nun einen Einschnitt dar. Denn die dort ausgeführten Trades und gestellten Kurse gehen offiziell in die Finanzmarktstatistik ein.

Das grüne Licht für die 24 Exchange folgt auf einen im Oktober eingereichten Antrag der New York Stock Exchange, die Handelszeiten auf ihrer digitalen Plattform Nyse Arca an fünf Tagen pro Woche auf 22 Stunden auszuweiten. Dabei orientiert sich die weltgrößte Wertpapierbörse laut ihrer Präsidentin Lynn Martin am amerikanischen Zentralverwahrer DTCC, der in diesem Zeitraum ein vollständiges Clearing aller Trades anbieten könne.

Einträgliches Nebengeschäft für Nyse

„Irgendwann könnten wir uns ins Richtung des Handels rund um die Uhr bewegen, vorerst wollen wir aber sicherstellen, dass das neue System funktioniert“, unterstrich Martin auf der Finanzbranchenkonferenz „Money 20/20“ in Las Vegas. Neben technologischen Innovationen ermöglichten die Tiefe und Liquidität des US-Kapitalmarkts eine Ausweitung der Handelszeiten. Für die Nyse-Mutter Intercontinental Exchange, deren Aktie dem Papier der Konkurrentin Nasdaq im laufenden Jahr hinterherhinkt, bahnt sich damit ein einträgliches Nebengeschäft an.

Dmitri Galinov, der Gründer und CEO der 24 Exchange, spricht von einer „aufregenden Entwicklung“. Die Freigabe für seine Börse ist nun im zweiten Anlauf erfolgt. Unter anderem hat die 24 Exchange Pläne angepasst, auch einen Wochenendhandel anzubieten. Nach seiner Darstellung wird das Angebot die Möglichkeiten von Anlegern stärken, auf Marktentwicklungen zu reagieren. Doch Investorenschützer fürchten, dass Investoren abseits der bisher regulären Handelszeiten in riskantere Trades gelockt werden – mit einer erhöhten Volatilität und abnehmenden Stabilität im Gesamtmarkt als Folge.

Dünner Markt

Skeptiker verweisen darauf, dass der Übernachthandel mit Aktien einen sehr dünnen Markt darstellt. "Die Liquidität und Markttiefe ist zwischen 9.30 Uhr und 16 Uhr US-Ostküstenzeiten ganz einfach am stärksten, das ist entscheidend für eine effiziente Preisfindung und damit auch das langfristige Vertrauen der breiten Masse an Anlegern in die Stabilität der Märkte“, betonte Gerhard Summerer, Händler bei der New Yorker Vertretung der DZ Bank, gegenüber der Börsen-Zeitung bereits im Frühjahr.

Die Nonprofit-Organisation Healthy Markets Association warnt davor, dass selbst kleine, über Nacht getätigte Trades aufgrund der geringen Markttiefe signifikante Kurseffekte entwickeln und sich damit überproportional stark auf große Wertpapierpositionen auswirken können. Solche Entwicklungen drohen sich über Derivate noch zu verstärken.

Beschleunigung über Derivate

Laut Paul Woolman, dem globalen Leiter für Aktienindexprodukte an der weltgrößten Terminbörse CME, hat die Aktivität in E-mini-Futures, die den S&P 500 nachbilden, abseits der regulären Handelszeiten von Jahr zu Jahr zugenommen. Bei Optionen auf die US-Benchmark und den technologielastigen Nasdaq 100 kommt es während geopolitischen Krisen wiederholt zu heftigen Ausschlägen, mitunter wechseln „Out of hours“ über 600.000 Kontrakte den Besitzer.

Ob Broker, Terminbörsen oder Betreiber von Cash-Aktienmärkten – sie alle stellen ausgeweitete Handelszeiten als Absicherungsmöglichkeit auch für Privatanleger dar. Dies soll zu einer Demokratisierung der Finanzmärkte beitragen. Investorenschützer zweifeln daran, dass diese Wette aufgeht. Wer sich in riskante Übernacht-Trades locken lasse, könne vielmehr noch deutlich schneller abgehängt werden als im bisher regulären Handel.