Exporte nach China

US-Restriktionen sorgen bei Chip-Aktien für Chaos

US-Restriktionen auf Halbleiterexporte nach China verunsichern die Chipbranche. Optimistische Investoren hoffen indes, dass die resultierende Angebotsverknappung den Halbleiter-Aktien Schwung verleiht.

US-Restriktionen sorgen bei Chip-Aktien für Chaos

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Der schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und China sorgt für Turbulenzen am Halbleitermarkt. Dies macht sich auch bei den Aktien der Chipkonzerne, ihrer Zulieferer sowie der Hersteller von Produktionsequipment bemerkbar. So hat der Semiconductor Index der Philadelphia Stock Exchange im bisherigen Jahresverlauf um 40% zurückgesetzt, insbesondere im Oktober entwickelt er sich volatil.

Zwar fielen die monatlichen globalen Erlöse im Halbleitersektor zuletzt noch etwas höher aus als in den Vorjahresmonaten. Doch innerhalb des laufenden Jahres sind von Monat zu Monat durchaus deutliche Rückgänge zu beobachten. Und während ein enttäuschender Start in die Berichtssaison zum dritten Quartal ohnehin schon Sorgen vor einem fortgesetzten Abschwung der Branche weckt, trüben umfassende Beschränkungen der US-Regierung in Bezug auf Exporte nach China den Ausblick noch massiv ein.

Vorherige Restriktionen bezogen sich zumeist auf einzelne Konzerne wie Huawei und eine kurze Liste bestimmter Technologien. Nun müssen US-Unternehmen indes Lizenzen beim Handelsministerium beantragen, um Geräte für die Halbleiterherstellung sowie Chips, die im Supercomputing und Anwendungen der künstlichen Intelligenz eingesetzt werden, in die Volksrepublik ausführen zu dürfen. Zudem können die USA im Rahmen der Anfang Oktober eingeführten Regeln Blockaden gegen im Ausland produzierte Chips errichten, die mit Hilfe von US-Technologie hergestellt wurden.

Die US-Regierung bezeichnete die Beschränkungen als notwendig, um eine Stärkung des chinesischen Militärs durch die Entwicklung neuer Waffensysteme zu verhindern. Analysten sehen die Restriktionen indes als Schritt der Vereinigten Staaten, um die gesamte Lieferkette für fortschrittliche Technologien zu entkoppeln, bevor China sie vereinnahmen könne. Nun fürchten Marktbeobachter Gegenmaßnahmen aus Peking.

Auch US-Konzerne betroffen

„China als weltgrößter Produktionsstandort stellt 36% der globalen Elektronik her und ist zugleich der weltgrößte Halbleiterimporteur“, betonen die Analysten des japanischen Finanzdienstleisters Mizuho. Obwohl die Restriktionen die Volksrepublik durchaus träfen, dürften auch amerikanische Unternehmen, die Milliarden Dollar an Hardware nach China exportierten, darunter leiden. Zudem stünden Equipment-Anbieter in Japan und Europa sowie Chiphersteller aus Südkorea unter Druck, ihre Verbindungen nach China zu kappen.

Gerade Samsung und der zweitgrößte Hersteller von Memory-Chips, SK Hynix, stehen damit vor Problemen. Zwar sind sie für ein Jahr von den Exportrestriktionen ausgenommen – Analysten fürchten aber, dass die Unternehmen ihre von US-Equipment abhängigen Produktionskapazitäten in China künftig nicht mehr ausbauen können.

SK Hynix könnte den chinesischen Markt nach eigener Aussage im schlimmsten Fall ganz verlassen. Zuletzt kündigte der Konzern an, die Investitionsausgaben 2023 gegenüber dem laufenden Jahr um 50% zu senken – Marktteilnehmer sahen sich dadurch in der Ansicht bestätigt, dass die Krise des Chipsektors über Nachfragerückgänge bei Unterhaltungselektronik hinausgehe. Das US-Unternehmen Lam Research, das Anlagen für die Halbleiterindustrie herstellt, erwartet, dass die Restriktionen seine Erlöse im kommenden Jahr um 2,5 Mrd. Dollar drücken dürften. Die Konkurrentin Applied Materials und der Grafikkarten-Riese Nvidia gehen infolge der Beschränkungen von Absatzbelastungen bereits im laufenden Quartal aus.

Optimistische Marktteilnehmer hoffen indes darauf, dass das Überangebot am Chipmarkt infolge des Handelskonflikts zwischen Washington und Peking wieder zurückgeht. So beschnitten die Restriktionen das Potenzial chinesischer Memory-Chip-Hersteller, den Markt zu überfluten. Tatsächlich zeigen die Aktienkurse von Konzernen wie Intel und Nvidia, aber auch Lieferkettenteilnehmern wie Lam Research, Applied Materials oder des niederländischen Lithografie-Marktführers ASML seit Einführung der Exportbeschränkungen wieder aufwärts.

Unterdessen geben zahlreiche Investmenthäuser Kaufempfehlungen für Halbleiter-Titel ab und berufen sich dabei auf technologische Fortschritte der Unternehmen. Insbesondere TSMC erfährt Zuspruch: Laut dem Informationsdienstleister Bloomberg empfehlen 37 von 40 Analysten die Aktie des taiwanesischen Konzerns zum Kauf, der Rest votiert auf „Halten“. Laut J.P. Morgan ist das Sentiment für den Sektor zu bearish geworden. Damit böten sich nun Einstiegsgelegenheiten.

Risikofaktor Taiwan

Doch dass gerade TSMC die derzeitigen politischen Risiken durchaus als ernst einschätzt, zeigen strategische Überlegungen des Konzerns. Dieser prüft laut Insidern eine Expansion seiner Produktionskapazitäten in Japan. Den USA und ihren Verbündeten ist die hohe Konzentration der globalen Chipherstellung in Taiwan ein Dorn im Auge, weil China den Inselstaat für sich beansprucht. Eine Eskalation im Streit um den Status der Republik könnte laut Beobachtern weitere handelspolitische Schläge nach sich ziehen – und den Ausblick für den Chipmarkt zusätzlich eintrüben.

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