Volatilitäts-Check

Warnsignale für den Dax

Für den Dax wird die Luft nach seiner jüngsten Rekordfahrt dünner. Anleger sollten sich auf stärkere Schwankungen einstellen – und mehrere Warnsignale im Blick behalten.

Warnsignale für den Dax

Nichts kann den Dax aufhalten. Still und leise klettert das Börsenbarometer der 30 größten deutschen Unternehmen weiter. Im ersten Halbjahr 2021 erreichte der deutsche Leitindex bereits 24 (!) Allzeithochs. Kann das wirklich so weitergehen? Nachstehend eine Liste der aussagekräftigsten Warnsignale.

Börsenumsätze:

Die beiden Allzeithochs vom 4. und 7. Juni wurden mit extrem geringen Börsenumsätzen erzielt. Tatsächlich gehören beide Börsentage zu den vier umsatzschwächsten Tagen in diesem Kalenderjahr. Dies legt ein deutlich nachlassendes Kaufinteresse nahe. Offensichtlich sind immer weniger Anlegerinnen und Anleger bereit, auf diesem Kursniveau neu einzusteigen oder Bestände aufzustocken. Können sich die Kurse also nur so weit oben halten, solange dem geringen Kaufinteresse ein noch geringeres Verkaufsinteresse gegenübersteht?

Handelsspannen:

Nach einer extremen Börsenruhe im April, während der die Dax-Handelsspanne den gesamten Monat über gerade einmal knapp 500 Punkte betrug, nehmen die Ausschläge seit Mai deutlich zu. Innerhalb kurzer Zeit rutschte der Dax im Mai gleich dreimal unter die 15000-Punkte-Marke. Das zeigt eine zunehmende Nervosität unter den Börsianern. Auch wenn die großen Verkaufswellen bislang ausgeblieben sind: Die Angst, den richtigen Verkaufszeitpunkt zu verpassen, wird größer.

Implizite Volatilität:

Die Volatilitätsindizes signalisieren eine trügerische Ruhe. Gerade erst hat der VDax-New, der Volatilitätsindex des Dax, seinen niedrigsten Stand seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie erreicht. Doch bei genauerem Hinsehen sind die Profi-Anleger bei weitem nicht so entspannt, wie es die Volatilitätsindizes suggerieren.

Auffallend ist insbesondere die zunehmende Steilheit der Volatilitätsstrukturkurve. Die implizite Volatilität für eine Laufzeit von 12 Monaten übersteigt die implizite Volatilität für eine Laufzeit von 3 Monaten jetzt so stark wie nie in den vergangenen drei Jahren. Perspektivisch gilt ein Ende der ruhigen Börsenzeit für die Profis also als ausgemachte Sache.

Dazu kommt eine stark ausgeprägte Skew. Für Optionen mit Basispreisen 20% unterhalb des aktuellen Kursniveaus, die von skeptischen Tradern gern zur Absicherung eingesetzt werden, muss ein besonders hoher Aufschlag gezahlt werden. Kürzlich erreichte dieser Volatilitätsaufschlag – bei einer Laufzeit von sechs Monaten – ein Elfjahreshoch.

Inflation und Zinsen:

Aktuell teilen die Börsianer die Ansichten der Notenbanker und betrachten die jüngsten Inflationsspitzen als vorübergehendes Phänomen. Das Zins- und das Inflationsgespenst sind erst einmal vertrieben. Sollten die Preise jedoch länger ansteigen und die Notenbanken vielleicht sogar zum Gegensteuern gezwungen werden, könnte das die Stimmung auf dem Parkett schnell umschlagen lassen.

Bewertungen:

Abschließend darf ein Blick auf die Bewertungen nicht fehlen. Optimisten argumentieren, dass sich die Gewinne der 30 Dax-Unternehmen kräftig von ihrem Pandemie-Einbruch erholen. Angesichts eines Plus von 155% bei den Zwölf-Monats-Gewinnen auf Indexebene ist dieses Argument nicht von der Hand zu weisen. Allerdings liegt das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 34 und damit 16 Punkte höher als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre vor der Pandemie. Das ist zunächst nicht weiter schlimm. Denn an der Börse wird ja die Zukunft gehandelt und nicht die Vergangenheit. Für die kommenden zwölf Monate rechnen Anleger und Analysten gemäß Gewinnschätzungen noch einmal mit einem Anstieg um mehr als 100%. Damit würden die Unternehmensgewinne das Vor-Pandemie-Hoch um 14% übertreffen. Sollte dies tatsächlich so eintreten, läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf dem aktuellen Kursniveau sogar zwei Punkte unter dem Vor-Pandemie-Niveau: Damit könnten die aktuellen Kurse gerechtfertigt sein. Weitere Anstiege sind ohne zusätzliche Erhöhungen der Gewinnprognosen jedoch nicht legitimierbar.

Für den Dax wird die Luft dünner. Man muss angesichts der aktuellen Faktenlage sicherlich nicht gleich einen Crash prophezeien. Aber auf einen unruhigeren Markt mit stärkeren Schwankungen, die auch mal nach unten gerichtet sein können, sollte jeder Investor vorbereitet sein.