Was von der nächsten Rezession zu erwarten ist
Obwohl die Wirtschaft in den USA nach wie vor in hohem Tempo neue Arbeitsplätze schafft, gibt es aktuell doppelt so viele Google-Suchanfragen zum Thema „Rezession“ wie zu Beginn der globalen Finanzkrise von 2008. Rezessionen sind in der Regel definiert als zwei oder mehr aufeinanderfolgende Quartale mit einem Rückgang des realen BIP, wobei sie nicht zwangsläufig schwerwiegend verlaufen müssen und nichts mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch gemein haben. So gab es seit 1970 in den USA acht Rezessionen und in Deutschland zwölf.
In den USA führte die Rezession von 2001 zu einer Konjunkturabschwächung von lediglich 0,3% vom Höchst- bis zum Tiefstand und zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote von 3,9% auf 5,9%. Das klingt harmlos im Vergleich zu dem massiven Konjunktureinbruch infolge der pandemiebedingten Lockdowns mit 10,1% in den USA oder der Rezession von 2008, während der die Arbeitslosenquote auf 10% stieg und erst acht Jahre später wieder unter 5% fiel. Der Grund hierfür ist, dass die Krise von 2008 eine Finanz- und Bankenkrise war, die im Vergleich zu einer Rezession mit tieferen Einbrüchen und einer viel langsameren Erholung einhergeht.
In der Folge haben die Banken in Europa und den USA einen langen Prozess des Schuldenabbaus durchlaufen und wurden gleichzeitig einer deutlich strengeren Regulierung unterworfen. Ziel dabei war es, eine Wiederholung der Exzesse aus den 2000er Jahren zu verhindern, die letztendlich die Krise von 2008 verursacht hatten. Heute gelten Banken allgemein als finanziell gut aufgestellt, was sich an ihrer Fähigkeit zeigt, große Mengen an Krediten bereitzustellen, mit denen sie zu einer raschen Erholung der Volkswirtschaften nach der Pandemie beigetragen haben. Es scheint daher unwahrscheinlich, dass die nächste Rezession in einer Finanz- und Bankenkrise mündet.
Doch warum glauben so viele Ökonomen, dass eine Rezession kurz bevorsteht? Die Industrieländer erleben derzeit den stärksten Inflationsschub seit vier Jahrzehnten, was auf eine Kombination aus Nachfrage- und Angebotsfaktoren zurückzuführen ist. Auf der Nachfrageseite treiben die geld- und fiskalpolitischen Anreize während der Pandemie in Verbindung mit dem Nachholbedarf an Dienstleistungen die Preise in die Höhe. Auf der Angebotsseite führen die Störungen der globalen Lieferketten und die unzureichenden Investitionen in Energierohstoffe nun zu einem knappen Angebot an Waren und Energie, die Sanktionen gegen Russland stören die Energiesicherheit zusätzlich. Die Zentralbanken sind außer Stande, dagegen etwas zu unternehmen, um das Angebot an Waren und Dienstleistungen zu erhöhen und die Preise zu senken. Ihre einzige Möglichkeit besteht darin, die Gesamtnachfrage zu verringern, indem sie das Kredit- und Geldmengenwachstum einschränken. Eine Anhebung der Zinssätze, in deren Folge die Banken die Kreditvergabe einschränken, hat zwar häufig eine Rezession zur Folge. Doch die kontrollierte Bremsung der Nachfrage kann die Wirtschaft wieder in ein Gleichgewicht mit niedriger Inflation bringen.
Die deutlich höher ausfallende Inflation wirkte sich auch auf die Schwellenländer aus. So lag die gewichtete durchschnittliche Inflation der 15 größten Schwellenländer im Juni bei 8,2%, gegenüber 3,4% im Vorjahr, war damit aber immer noch niedriger als der gewichtete Durchschnitt der Industrieländer mit 8,3%. Einige aufstrebende Volkswirtschaften könnten es mit der Stimulierung im Jahr 2020 zwar übertrieben haben, sind aber derzeit bei der Inflationsbekämpfung gegenüber den Industrieländern im Vorteil, was vielleicht auf ihre jüngsten Erfahrungen mit einer hohen Inflation zurückzuführen ist. Schließlich haben die meisten Zentralbanken der Schwellenländer die Zinssätze seit letztem Jahr erhöht, in einigen Fällen sogar sehr aggressiv.
Brasilien ist im aktuellen Wirtschaftszyklus führend. Mit relativ geringen Einschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie hatte sich die Wirtschaft des Landes bis Dezember 2020 vollständig erholt. Mit der Wiederöffnung des Landes zog die Inflation im ersten Halbjahr 2021 stärker an, was die brasilianische Zentralbank auf den Plan rief, die Zinssätze von 2% im März 2021 auf 13,25% im Juni 2022 anzuheben. Das Wachstum ist zwar nach wie vor langsam, da die Wirtschaft im zweiten Quartal 2021 einen leichten Rückgang des BIP von 0,2% verzeichnete, aber die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen. Und auch die Inflation bleibt trotz der Zinserhöhungen sehr hoch (10,8% im Juni), was auf globale Faktoren zurückzuführen ist. Die Wirtschaft wird wahrscheinlich in der Nähe der Stagflation bleiben, bis sich die weltweite Inflation verlangsamt, so dass die brasilianische Zentralbank die monetären Bedingungen allmählich lockern kann und die Kreditvergabe wieder in Gang kommt.
China federt ab
Andere Länder müssen möglicherweise ähnliche Entwicklungen durchlaufen, insbesondere diejenigen, deren Volkswirtschaften überhitzt sind. Dies betrifft etwa Chile und Kolumbien, aber auch die USA. Eine Rezession kann in Ländern vermieden werden, in denen die Anreize bescheiden waren und die Wirtschaft noch freie Kapazitäten hat, um die sich erholende Nachfrage zu absorbieren. Doch während die Wirtschaft in den Industrieländern inzwischen wieder schwächelt, dürfte sich eine Erholung der chinesischen Wirtschaft nach einer gänzlichen Wiedereröffnung deutlich beschleunigen. Und da China für die meisten der Schwellenländer entweder der größte oder der zweitgrößte Handelspartner ist, wird eine Wachstumsbelebung in China die wahrscheinlich eintretenden Rezessionen in den USA und in Europa abfedern.
Zuletzt erschienen:
Wende der Geldpolitik kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt (232), Assenagon
Unterteilung in Value und Growth zu hinterfragen (231), Comgest