Thomas Meier

„Wir sind im Auge des Sturms“

Thomas Meier ist trotz der vielen Unsicherheiten für die Aktienmärkte optimistisch. Die Risiken sind dem Fondsmanager von Mainfirst zufolge schon zu einem großen Teil in den Kursen enthalten.

„Wir sind im Auge des Sturms“

Christopher Kalbhenn.

Herr Meier, der Aktienmarkt steht nach einer deutlichen Erholung wieder unter Druck. Wie beurteilen Sie die Lage?

Wir befinden uns derzeit an den Aktienmärkten in einem perfekten Sturm. Wir erleben eine Zinswende, hervorgebracht durch die inflationären Tendenzen. In den USA gab es zuletzt diesbezüglich erneut eine negative Überraschung. Dort ist die Teuerungsrate im Mai auf 8,6% gestiegen. Das Ganze geht einher mit dem Krieg in der Ukraine, der auf der Rohstoffseite zusätzlich inflationär wirkt. Hinzu kommen die Lieferkettenprobleme, die eine Herausforderung für die Unternehmen bedeuten.

Die Anleger machen sich zunehmend Sorgen über die wirtschaftlichen Aussichten. Auf was muss man sich Ihrer Einschätzung nach einstellen?

Wir kommen gerade aus der größten Renten-Hausse heraus. Seit 1982 befanden sich die Renditen mit einer Unterbrechung im Jahr 1994 auf der Rutschbahn, jetzt sehen wir eine Veränderung des Trends. Die Notenbanken bewegen sich auf neuem Terrain. Zu der erhofften weichen Landung wird es nicht kommen, wir steuern bei steigenden Zinsen erkennbar auf eine Rezession zu. Es stellt sich aus Anlegersicht nun die Frage, ob das Gewinnniveau der Unternehmen gehalten werden kann, und ob der Zins wieder als Alternative taugt. Die Bewertungen am Aktienmarkt sind maßgeblich von dem wenig attraktiven Zins getrieben worden. Viele Aktienindizes weisen Rekordmargen auf. Die Unternehmen haben von vielen Aspekten profitiert, jetzt wird es schwieriger.

Welche Aspekte sind das?

Die Unternehmen haben sich fit gemacht und von der Globalisierung der zurückliegenden drei Jahrzehnte profitiert. Hinzu kamen neue Technologien – diese haben große Konzerne mit hohen Margen entstehen lassen. Jetzt wird es eben schwieriger, auch wenn wir gesehen haben, dass die Unternehmen schnell reagieren. Wir sind jetzt im Auge des Sturms. Aber die Unternehmen haben viel „trainiert“ durch die vielen Belastungen der jüngeren Vergangenheit, etwa durch Covid. Sie sind daher fit, und deswegen bin ich auch nicht allzu sehr besorgt.

Würden Sie in der aktuellen Marktschwäche eine Einstiegsgelegenheit sehen?

Für langfristig orientierte Investoren ist das auf jeden Fall eine Einstiegsgelegenheit. Man muss als Investor Ruhe bewahren können. In einigen Marktsegmenten hat es einen undifferenzierten Abverkauf gegeben, gerade im Mid-Cap-Bereich. Wenn die Covid-Krise als Blaupause herangezogen wird, haben wir nun wieder eine Krise, die Herausforderungen bringt. Gerade kleine Unternehmen haben schnell reagiert und ihre Kostenstrukturen angepasst. Sie sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Sie sind flexibel und agil und haben Marktanteile gewonnen. Wir glauben, dass sie auch aus dieser Krise gestärkt hervorgehen werden. Ein gutes Beispiel ist der Autovermieter Sixt. 2019 hatte das Unternehmen in Europa einen Marktanteil von 17,5%, jetzt sind es 23,8%. In den USA hat Sixt zugekauft und den Marktanteil von 1,7% auf 2,6% erhöht.

Hat Sixt in den USA noch Luft nach oben?

Absolut. Sixt ist dort erst seit 2011 aktiv und hat dort in der Krise zugelegt. Die USA sind der mit Abstand größte Autovermietungsmarkt der Welt. Sixt ist ein Krisengewinner und hat nun Rekordgewinne erzielt. Das Unternehmen ist ein Beispiel für Flexibilität und Agilität. Viele aussichtsreiche europäische Small und Mid Caps sind aufgrund der Unsicherheit gerade von angelsächsischen Investoren abverkauft worden und sind langfristig interessant. Die See ist allerdings rauer geworden. Wenn aber die Inflation den Scheitelpunkt erreicht und sich die Lieferketten entspannen, ergibt sich viel Potenzial nach oben. Es gibt viele positive Aspekte. Die Unternehmen sind insgesamt gesehen gut aufgestellt, und zwar auch auf der bilanziellen Seite. Die aktuelle Lage ist nicht mit der Phase der Überinvestition vor zwanzig Jahren vergleichbar.

Wie stark wird sich die Wirtschaft Ihrer Einschätzung nach abschwächen?

Wir rechnen nicht mit einer schweren Rezession. Die Unternehmen, mit denen wir sprechen, berichten in allen Segmenten von einem Mangel an Arbeitskräften. Arbeitslosigkeit wird somit kein Problem. Wir sehen auch keine Exzesse, ebenso wenig eine zu hohe Verschuldung am Immobilienmarkt. China wird trotz Corona früher oder später wieder Wachstumsimpulse setzen.

Worauf kommt es Ihnen bei der Titelauswahl besonders an?

In dem aktuellen Umfeld achten wir auf Unternehmen, die Preissetzungsmacht haben und somit die höheren Kosten weitergeben können, weil sie beispielsweise hohe Marktanteile haben und innovativ sind. Über alle Segmente hinweg versuchen Unternehmen, die Preise anzuheben, und es funktioniert auch. Die Frage ist allerdings, wie das mittelfristig aussieht. Die Konsumenten sind durch die Covid-Transferzahlungen ge­stärkt worden und wollen auch rausgehen und Geld ausgeben. Man muss jedoch angesichts der stark gestiegenen Preise abwarten, wie nachhaltig das ist. Unserer Einschätzung nach werden die Unternehmen im zweiten Halbjahr nicht in allen Bereichen höhere Kosten weitergeben können. Wir sehen bereits eine Tendenz weg von teureren Markenprodukten hin zu Hausmarken.

Wie hoch werden die Zinsen Ihrer Meinung nach noch steigen?

Das ist kaum zu prognostizieren. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir aus der Ära der strukturellen Niedrigzinsen nicht raus sind. Die Zinstragfähigkeit der privaten Haushalte und der Staaten ist nicht gerade sehr hoch. Wir werden eine strukturelle Inflation haben, sie wird aber nicht auf dem hohen Niveau bleiben, das wir derzeit sehen.

Was bleibt den Anlegern in diesem schwierigen Umfeld?

Die Anleger müssen schauen, mit welchen Assets man überhaupt noch eine gute reale Rendite erzielen kann. Die Zinsen sind gestiegen, kompensieren aber nicht die hohe Inflation. Für die Aktienmärkte ist die See unruhiger geworden. Angesichts des Abverkaufs der US-Investoren ist aber schon eine Menge in den Kursen enthalten. Zudem haben wir eben nicht so viele Exzesse wie in vergangenen Krisen. Und wir sehen nicht, dass wir in eine schwere Rezession abgleiten werden.

Das Interview führte

BZ+
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