Spanien

Banken sehen sich einmal mehr als Buhmann

Die Rekordgewinne der spanischen Banken im letzten Jahr wecken Begehrlichkeiten der Politik, die über eine Deckelung von Hypothekenzahlungen nachdenkt. Die Finanzbranche sieht sich zu Unrecht einmal mehr als Buhmann.

Banken sehen sich einmal mehr als Buhmann

Für die Vorstände von Spaniens Banken waren die Bilanzpressekonferenzen in den vergangenen Tagen ein Spagat. Zum einen konnten sie nach der langen Durststrecke über die Negativzinsen bis zum Ausbruch der Pandemie wieder sprudelnde Gewinne vermelden. Die beiden international aufgestellten Branchenführer Santander und BBVA verbuchten sogar historische Rekorde. Andererseits waren die Chefs der Kreditinstitute bemüht, die guten Ergebnisse zu relativieren, wenn nicht gar kleinzureden. Während es an der Börse wieder aufwärtsgeht, kippt die Stimmung in Spanien einmal mehr gegen die Finanzbranche, mit Hilfe der Linksregierung.

Die Zinswende der Europäischen Zentralbank kommt besonders den auf das klassische Retailgeschäft ausgerichteten spanischen Geldinstituten zugute. Doch in einem Land der Wohnungskäufer müssen viele Menschen nun mit deutlich höheren Ratenzahlungen für ihre Hypotheken zum variablen Satz rechnen, und das bei dem allgemeinen Preisanstieg, der den Haushalten bereits mächtig zu schaffen macht. „Die Krise kann keine Ausrede sein, um mehr Geld zu verdienen“, klagte die Arbeitsministerin Yolanda Díaz letzten Mittwoch, nachdem BBVA einen Rekordgewinn von 6,42 Mrd. Euro für das vergangene Jahr ausgewiesen hatte. Díaz vom Linksbündnis Unidas Podemos, die auch eine der Stellvertreterinnen von Ministerpräsident Pedro Sánchez von den Sozialisten ist, forderte eine Begrenzung der variablen Hypothekenzinsen.

Banken in der Defensive

Die Bankvorstände sahen sich gezwungen, ihre Gewinne vor den Medien zu rechtfertigen. „Man muss die Zahlen im Zusammenhang sehen“, sagte der Vorsitzende von Caixabank, José Ignacio Goirigolzarri. „Wir kommen von einer Lage mit negativen Zinsen, in der die Rendite der Banken unter den Kapitalkosten lag. Diese Situation beginnt sich gerade zu ändern mit der Normalisierung der Zinsen“, so der Chef des drittgrößten Geldinstituts Spaniens.

Auch seine Kollegen Ana Botín von Santander und Carlos Torres Vila von BBVA verwiesen auf die schwierigen Zeiten der Negativzinsen. Sie unterstrichen, dass man in Spanien immer noch nicht die Kapitalkosten hereinhole und der Börsenwert weiterhin unterhalb des Buchwerts liege. „Die Milliarden (an Gewinn) können etwas verwirren“, versicherte der Vorsitzende von BBVA. Diese Erklärungen mögen Analysten und Anleger überzeugen, doch beim Normalbürger klingt es eher so, als müssten die Banken eigentlich noch viel mehr verdienen. Eine Steilvorlage für die Linksregierung, die die Rechtfertigung ihrer umstrittenen Sondersteuer für die Finanzbranche bestätigt sieht.

Unidas Podemos konkretisierte die Idee einer Obergrenze für Hypotheken mit variablen Zinssätzen auf Darlehen von bis zu 300000 Euro. Doch Experten meinen, dass die technische Umsetzung der Idee äußerst kompliziert sei, da man in laufende Verträge eingreifen müsste. Schließlich hätten die EZB und die Europäische Kommission auch ein Wörtchen mitzureden.

Umstrittene Deckelung

Die Banken sind erwartungsgemäß gegen eine gesetzliche Deckelung der Baudarlehen. Schließlich hatte die Branche sich erst im November mit der Regierung auf die Ausweitung eines freiwilligen Kodex geeinigt, der Schutzmaßnahmen für bedürftige Hypothekenkunden vorsieht. So können Haushalte mit einem Jahreseinkommen von bis zu 25200 Euro, die die Hälfte davon für die Kreditzahlungen ausgeben müssen, eine Umstrukturierung zu geringeren Zinsen beantragen.

Bislang sei die Nachfrage der Kunden nach diesen Schutzregeln unter dem Kodex verschwindend gering, versicherten die Banken. Nach der Finanzkrise hatten 62000 Kunden von einer ähnlichen Regelung Gebrauch gemacht. Allerdings sei es noch zu früh für eine Bilanz, räumten die Manager ein, denn der Zinsanstieg sickert erst mit Verzögerung an die Kreditnehmer durch. Santander-Chefin Botín warnte derweil vor einem Eingriff in den Markt, der vor allem die Schwächeren treffen würde. Sie nannte das Beispiel von Mexiko, wo ein verordneter Schuldenerlass den Markt für Hypotheken auf Jahre ausgetrocknet hatte. Die Darlehen zum Wohnungskauf seien in Spanien sehr wettbewerbsfähig, „mehr als in Deutschland“, unterstrich Botín. In der Tat liegt der Preis der Hypotheken in Spanien unter dem Durchschnitt der Eurozone.

Ist der Alarm wegen der Verteuerung der Hypotheken übertrieben? Die Banken zeigen auf die Trendwende hin zu Darlehen mit festen Zinssätzen, die von der geldpolitischen Straffung der EZB nicht betroffen sind. In den letzten beiden Jahren wurden nämlich mehr Hypotheken zu festen Zinsen abgeschlossen. Die große Mehrheit der variablen Raten stammt aus früheren Zeiten, weshalb in vielen Fällen einiges abbezahlt und die Zinslast nicht groß ist.

Spaniens Wirtschaftsministerin Nadia Calviño von den Sozialisten reagierte auf den Vorschlag einer Begrenzung der Hypothekenzahlungen zurückhaltend. „Wir schauen uns alle Optionen an, aber in diesem Moment müssen wir eine Option erwägen, welche den Familien hilft, ohne die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden“, sagte die frühere Generaldirektorin der EU-Kommission. Das klang eher nach einer Absage an die Deckelung. Dafür nutzte Calviño die Rekordzahlen der Großbanken zur Rechtfertigung der Sonderabgabe für die Kreditinstitute. Für zwei Jahre werden 4,8% auf die Erträge aus Zinsüberschuss und Provisionen erhoben, mit dem Argument, dass die Banken von den steigenden Zinsen profitierten, während die meisten Menschen unter der Preisexplosion litten.

Bankensteuer trifft nicht alle

Die Bankensteuer trifft am meisten Caixabank, die Nummer 1, vor Santander und BBVA, welche den Großteil ihres Geschäfts im Ausland machen. Die frühere Sparkasse rechnet mit 400 Mill. Euro in diesem Jahr und noch mehr für 2024. Santander und BBVA erwarten Mehrabgaben um die 230 Mill. Euro. Jedoch äußerten sich die Vorstände vorsichtig über mögliche rechtliche Schritte gegen die Sondersteuer. Alle drei Großbanken erklärten, man würde sich diese Möglichkeit derzeit zumindest einmal anschauen.

Die Vorsicht ist berechtigt. Die Banken haben in Spanien erneut ein Image-Problem. Nachdem man in der Vergangenheit mit den Folgen der geplatzten Immobilienblase, den Milliarden für die Rettung des Systems, dubiosen Vertragsklauseln, die vor Gericht gekippt wurden, oder dem massiven Abbau von Stellen und Filialen zu ringen hatte, steht die Branche nun schon wieder in der Kritik. Vor kurzem belegten Daten der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, dass die Banker in Spanien weit mehr verdienen als anderswo in Europa.

Während Darlehen nun teurer werden, obwohl die Banken für die Zinspolitik der EZB nichts können, gehen Sparer leer aus. Die Vorstände räumten letzte Woche ein, dass eine bessere Verzinsung der Einlagen „nicht auf dem Tisch liegt“, wie der CEO von BBVA, Onur Genç, erklärte. Die Kunden sollten sich andere Sparprodukte wie Fonds zulegen, war der Tenor. In den letzten Tagen sorgten Bilder von langen Schlangen vor dem Sitz der spanischen Notenbank für Aufmerksamkeit. Menschen wollten Staatsanleihen kaufen, die eine minimale, aber sichere Vergütung bringen.

Von Thilo Schäfer, Madrid

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