Deutschland lockt Fachkräfte an
Von Anna Steiner, Frankfurt
Der Fachkräftemangel in Deutschland befindet sich auf einem Höchststand. Immer mehr Betriebe haben Schwierigkeiten, offene Stellen nachzubesetzen. Mit der nun angestrebten Reform des Einwanderungsrechts will die Bundesregierung das Land attraktiver machen für Fachkräfte. Das Potenzial der Einwanderungswilligen im Ausland ist groß. Das zeigt eine Studie, welche die Industrieländer-Organisation OECD am Freitag veröffentlicht hat. Demnach haben viele von ihnen einen Bildungsabschluss oder Berufserfahrung. Allerdings wünschen sie sich mehr Unterstützung bei der Jobsuche in Deutschland.
Das Potenzial ist da
Die Ergebnisse der OECD-Umfrage zeigen zunächst einmal, dass Deutschland ein Pool hoch motivierter ausländischer Fachkräfte zur Verfügung steht. Die Bundesregierung und die deutschen Unternehmen müssen es nun schaffen, dieses Potenzial zu heben. Mehr als die Hälfte der insgesamt 29000 befragten Fachkräfte im Ausland hat vor, nach Deutschland zu ziehen, 80% von ihnen haben bereits erste Schritte dafür unternommen – aber nur 8% haben bereits ein Stellenangebot. Das Problem: Fast die Hälfte der Befragten weiß nicht, wo sie nach geeigneten Stellenangeboten suchen kann. Vier von fünf Befragten erhoffen sich der OECD-Umfrage zufolge mehr Unterstützung in diesem Bereich. Ein Großteil der Umfrageteilnehmer wünscht sich einen einfacheren Zugang zu einem Visum für die Arbeitssuche: Ein solches würden mehr als 70 % der Befragten beantragen – ein Teil davon allerdings nur, wenn sie während der Jobsuche arbeiten könnten. Fast 60% gaben an, eine höhere Wertschätzung ausländischer Berufserfahrung und Qualifikationen sei hilfreich.
Seit März 2020 können Nicht-EU-Bürger auch ohne akademische Ausbildung einreisen. Sie benötigen allerdings eine anerkannte Berufsausbildung, um für sechs Monate ein Visum zur Jobsuche zu erhalten. Auch Deutschkenntnisse sind Voraussetzung. Das soll sich nach dem Willen der Ampel-Koalition nun ändern. Nicht nur wird für Menschen ohne formale Anerkennung eines im Ausland erworbenen Abschlusses eine sogenannte Chancenkarte eingeführt. Auch für alle anderen Zuwanderer sollen bürokratische Hürden abgebaut werden.
Gute Qualifikationen
Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB ) in Nürnberg ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit beruflicher Abschlüsse die größte Hürde für eine gesteuerte Erwerbsmigration. Künftig sollen Fachkräfte mit Berufsausbildung und -erfahrung auch ohne formale Anerkennung hierzulande arbeiten können – vorausgesetzt, sie haben einen Arbeitsvertrag.
Für Deutschland ist es höchste Zeit, die Bürokratie der Einwanderung zu entschlacken. Das Potenzial der Fachkräfte im Ausland ist enorm. Die meisten von ihnen sind zwischen 25 und 44 Jahre alt (siehe Grafik). Drei von vier Befragten haben einen Hochschulabschluss, 70% davon einen Bachelorabschluss. Fast die Hälfte ist zudem in einem sogenannten Mangelberufsfeld tätig: Fast ein Viertel arbeitet im Ingenieurwesen, 15% sind IT-Fachkräfte. Die Mehrheit der befragten Fachkräfte verfügt zudem über Berufserfahrung von fünf oder mehr Jahren. Nur einer von zehn Umfrageteilnehmern hat keinen Hochschul- oder Berufsabschluss.
Und nicht nur die bereits vorhandene Qualifikation ist gut. Auch die Bereitschaft zur Weiterbildung ist hoch, wie die OECD-Umfrage ergab. Allerdings müssten dann die Rahmenbedingungen stimmen: Am wichtigsten ist die Möglichkeit zum Arbeiten neben der Weiterbildung und die Aussicht auf ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Warum Deutschland?
Bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dass sich auch die Mentalität der Deutschen mitwandeln müsse. Das bestätigt die Umfrage: Drei von fünf Befragten finden eine positive Einstellung gegenüber Migranten sehr wichtig. Wichtiger ist ihnen nur das gute Bildungssystem sowie die gute Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung.