Ein Ire als Galionsfigur des Finanzplatzes Schweiz
Von Daniel Zulauf, Zürich
Der Schweizer Finanzplatz hat seit Sonntag einen Namen, der alles andere überstrahlt: UBS. Nach Jahrzehnten intensivster Rivalität mit der Credit Suisse ist die kleinere der beiden Schweizer Großbanken seit Sonntagabend Teil der UBS. Die Rot-Schwarzen mit den drei Schlüsseln im Logo avancieren zu einer der größten Banken Europas. Aus der behördlich verordneten Zwangsübernahme entsteht ein Finanzkonzern, dessen Dominanz und Macht die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Skepsis der Schweizer gegenüber dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Bankenplatzes weiter wachsen lassen wird.
An der Spitze dieser UBS sind keine Schweizer mehr anzutreffen. Als Verwaltungsratspräsident fungiert seit einem Jahr Colm Kelleher, ein 65-jähriger Ire, der eine lange Karriere in der Wall-Street-Bank Morgan Stanley hinter sich hat und das Denken amerikanischer Bankmanager offensichtlich verinnerlicht hat. Kelleher ist am Sonntagabend anlässlich der von der Schweizer Regierung in der Bundeshauptstadt Bern abgehaltenen Pressekonferenz erstmals einem breiteren Kreis der Schweizer Öffentlichkeit ins Bewusstsein getreten. Im perfekt sitzenden dunkelblauen Anzug mit assortierter hellblauer Krawatte und im weißen Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen saß er auf dem Podium, flankiert vom Schweizer Credit-Suisse-Präsidenten Axel Lehmann und von der Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Kelleher hatte Kopfhörer auf, um der Diskussion über die Jahrhundertübernahme lauschen und die Fragen der Journalisten beantworten zu können.
Kelleher blieb in seinen Aussagen mehrheitlich unverbindlich. Kein Wunder: Noch vor wenigen Tagen war dieser Deal im Urteil der allermeisten Beobachter auf dem Schweizer Finanzplatz schlicht undenkbar. Nun ist der Ire mit einem Paukenschlag zur Galionsfigur des Schweizer Bankenzentrums aufgerückt. Für Gesprächsstoff sorgte der Wall-Street-Veteran im inneren Kreis der Bankenszene aber schon früher.
Freund des Shareholder Value
Dem Mann wird ein Führungsprinzip nachgesagt, das Shareholder Value stark betont. Bereits im Juni 2022, kaum 100 Tage im Amt, begab sich Kelleher mit seinem niederländischen CEO Ralph Hamers auf Roadshow in die USA, um für eine höhere Bewertung der UBS-Aktien zu werben. Zwar hatte der Wert der Aktien zu jenem Zeitpunkt den Buchwert schon egalisiert, was jahrelang nicht der Fall gewesen war. Doch Kelleher schweben die höheren Bewertungen der US-Banken vor. Die Titel seiner früheren Arbeitgeberin würden zum 1,4- bis 2-Fachen des Buchwertes gehandelt, erklärte er vor einigen Monaten den Leserinnen und Lesern der „Neuen Zürcher Zeitung“. Es gebe keinen Grund, weshalb die UBS-Valoren mit einem Abschlag gehandelt würden.
Mit der Credit-Suisse-Übernahme ist dieser Abschlag aber wieder deutlich größer geworden. Die UBS-Aktien werden unter Einbezug des Credit-Suisse-Kapitals nur noch etwa zu 60% des Buchwertes gehandelt. Damit Kelleher erreicht, was ihm vorschwebt, müsste sich der Wert der Titel in den nächsten Jahren auf über 30 sfr verdoppeln. Dass eine solche Performance nur mit harten Maßnahmen zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Die Schweiz könnte Kelleher in den nächsten Jahren näher kennenlernen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er vielen Leuten nicht sympathischer werden wird.