EZB sieht Inflationsziel frühestens 2025 erreicht
mpi/ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Projektionen für die Gesamtinflation im Euroraum in diesem Jahr und den nächsten Jahren teils deutlich gesenkt. Für die Kerninflation – also ohne Berücksichtigung der Energie- und Lebensmittelpreise – hob sie ihre Projektionen hingegen zum Teil merklich an. Die Kerninflation steht aktuell im besonderen Fokus der Notenbanker, weil sie als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck gilt. Sowohl bei der Gesamt- wie der Kernrate sehen die EZB-Volkswirte die Teuerung auch 2025 noch leicht oberhalb ihres 2-Prozent-Ziels.
Die aktuellen Projektionen der EZB zu Inflation und zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wurden Anfang März von den Notenbank-Volkswirten erstellt und damit noch vor den durch die Insolvenz der Silicon Valley Bank ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten. Diese „schaffen zusätzliche Unsicherheit in Bezug auf die Bewertung von Inflation und Wachstum“, merkt die EZB an. Die vorgelegten Zahlen dürften dennoch den Hardlinern im EZB-Rat, den sogenannten „Falken“, als Beleg für die Hartnäckigkeit der Inflation dienen. Für das laufende Jahr sagte die Notenbank eine Kerninflation von 4,6% voraus und eine Gesamtrate von 5,3%.
Die Kernflation hatte im Februar mit 5,6% den höchsten Stand seit Einführung des Euro erreicht, die Falken sehen dies als Indiz, dass sich der Preisdruck grundsätzlich weiter in der Euro-Wirtschaft ausbreitet und mithin verfestigt. Die zu hohe Inflation erfordere ein weiter entschlossenes Handeln der EZB, so die Falken zumindest bis vor den jüngsten Bankenturbulenzen. Seitdem galt die einwöchige Schweigeperiode des EZB-Rats vor einer Sitzung. Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde betonte auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid (siehe obigen Text), dass es keinen Zielkonflikt zwischen Preis- und Finanzstabilität gebe. „Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden.“
Die Inflationsprognosen geben aber auch den „Tauben“ im Rat, den Verfechtern einer eher moderaten Geldpolitik, neues Futter. Auch diese stellten zuletzt die Kernrate in den Mittelpunkt und argumentierten, dass die EZB mit den Zinserhöhungen nicht aufhören könne, solange die Kernrate nicht sinke oder sie sogar steige. So hatte etwa Finnlands Notenbankchef Olli Rehn, der eher als Mann der Mitte im Rat und einigen sogar als „Taube“ gilt, Mitte Februar im Interview der Börsen-Zeitung gesagt: „Es ist kaum vorstellbar, dass wir die Zinserhöhungen stoppen, solange die Kerninflationsrate weiter anzieht und derart hoch liegt“ (vgl. BZ vom 20. Februar). Zumindest ab 2024 prognostizieren die EZB-Volkswirte eine Kerninflation nahe 2%, da der aus den vorangegangenen Angebotsschocks resultierende Aufwärtsdruck nachlasse und eine restriktivere Geldpolitik zunehmend die Nachfrage dämpfe.
Zuversicht für 2023
Mit Blick auf das Wirtschaftswachstum blickt die EZB optimistischer in die Zukunft. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank mit einem BIP-Wachstum für die Eurozone von 1,0%, nach 0,5% bei der letzten Prognose im Dezember. Die Zuversicht begründet die EZB mit den niedrigeren Energiepreisen und einer steigenden Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen im internationalen Vergleich.
Für 2024 und 2025 rechnet die Notenbank mit einem Anstieg des BIP von jeweils 1,6%. „Gestützt wird das durch einen robusten Arbeitsmarkt, ein steigendes Vertrauen und eine Erholung der realen Einkommen“, hieß es dazu von der EZB. Der erwartete Aufschwung bleibt aber hinter der Ende 2022 verkündeten Prognose für die beiden kommenden Jahre zurück. „Grund hierfür ist die geldpolitische Straffung“, teilte die EZB mit.