Fachkräftemangel betrifft besonders Jobs von Frauen
ast Frankfurt
Derzeit fehlen in Deutschland rund 633000 qualifizierte Arbeitskräfte. Die größte Lücke gibt es bei den Berufen, in denen Frauen dominieren. Das geht aus einer Analyse hervor, die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Dienstag veröffentlichte. In Führungspositionen dominieren hingegen Männer: Das Statistische Bundesamt berechnet für 2021 einen Frauenanteil unter Führungskräften von nur 29%. Der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen liegt demgegenüber bei 47%. Pünktlich zum Weltfrauentag meldet das Deutsche Aktieninstitut (DAI) immerhin Fortschritte beim Anlageverhalten.
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen der hiesigen Wirtschaft. Besonders groß ist die Lücke laut IW-Berechnungen in der Sozialarbeit, der Kinderbetreuung und der Pflege (siehe Grafik). Sechs der zehn Berufe, die mit den größten Fachkräftelücken kämpfen, sind der Studie zufolge Frauenberufe. In der Sozialarbeit und Sozialpädagogik – das IW führt hier beispielhaft Kinderheime, die Suchtberatung und Jugendämter an – gibt es für 80% der offenen Stellen rein rechnerisch keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Über 23000 Fachkräfte fehlen. Auch in der Kinderbetreuung und Erziehung können fast 74% der ausgeschriebenen Jobs nicht besetzt werden. Besonders eklatant: Mehr als 97% der Menschen, die hier arbeiten, sind Frauen.
Problematisch ist der Mangel nicht nur für die betroffenen Unternehmen und Institutionen, sondern insbesondere auch für die Angestellten. Durch fehlendes Personal erhöht sich die Arbeitsbelastung. Das trifft auch auf die Alten- und Krankenpflege zu. Hier können 35000 von 43000 offenen Stellen nicht besetzt werden.
Um die Herausforderung fehlender Fachkräfte zu meistern und die Arbeitsbelastung für Frauen und Männer in den betroffenen Berufen zu verringern, sollte mehr in die berufliche Orientierung von Kindern und Jugendlichen investiert werden, schreiben die IW-Experten. Entscheidend dabei sei es, Geschlechterrollen aufzubrechen und junge Menschen zu ermutigen, aufgrund ihrer Fähigkeiten und Interessen einen beruflichen Weg einzuschlagen.
Die IW-Studie sieht auch in der Zuwanderung Entlastungspotenzial. Um die Lücke am Arbeitskräftemarkt zu verringern, sei außerdem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf unverzichtbar. Denn Frauen übernehmen noch immer den weit größeren Teil der Care-Arbeit. Christiane Benner, zweite Vorsitzende der IG Metall, erklärt daher zu Recht: „Wer Fachkräfte will, kann auf Frauen nicht verzichten!“
Der Vermögensverwalter DWS sieht zudem soziale Faktoren wie die faire Behandlung von Mitarbeitenden, flexible Arbeitsbedingungen und Geschlechtervielfalt als ausschlaggebend für den unternehmerischen Erfolg. Einer Weltbank-Berechnung zufolge würde sich die Geschlechtergleichheit positiv auf die globalen Wachstumsperspektiven auswirken: Demnach könnte das Bruttosozialprodukt pro Kopf um 20% höher ausfallen.
Positives vermeldet das DAI. Demnach haben im Jahr 2022 mehr Frauen mit der Aktienanlage begonnen als Männer. Während es bei den Männern nur 338000 Personen waren, die sich für eine Aktienanlage entschieden, waren es bei den Frauen 482000. Insgesamt allerdings herrscht nach wie vor ein Ungleichgewicht: Nur 4,7 Millionen Aktiensparerinnen zählte das Institut 2022 – gegenüber 8,1 Millionen Aktiensparern. Dabei sind Frauen dem Online-Broker Trade Republic zufolge die besseren Anleger: 2022 schnitten sie in allen Bereichen besser ab als die männlichen Sparer.