Globale Ebbe bei Börsengängen
cru Frankfurt
Das Emissionsvolumen ist im ersten Quartal global um 61% auf 21,5 Mrd. Dollar geschrumpft – der niedrigste Stand seit dem ersten Quartal 2019. Vom Rückgang am stärksten betroffen waren die chinesischen Börsen: Im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres sank dort das Emissionsvolumen um zwei Drittel auf 10 Mrd. Dollar. Die Zahl der Börsengänge ging weniger stark um 11% auf 86 zurück. Das sind Ergebnisse des aktuellen IPO-Barometers des Beratungsunternehmens EY. In Europa sank das Emissionsvolumen um 26% auf 2,1 Mrd. Dollar, die Zahl der IPOs schrumpfte um 47% auf 27.
Die Vereinigten Staaten waren der einzige Börsenplatz mit zunehmenden IPO-Aktivitäten, wenngleich auf einem nach wie vor sehr niedrigen Niveau: Die Zahl der Börsengänge an US-Börsen kletterte um 29% auf 31, das Emissionsvolumen legte um 6% auf 2,5 Mrd. Dollar zu.
Vor allem Energie
Vom weltweiten Emissionsvolumen von 21,5 Mrd. Dollar entfiel mehr als ein Viertel, 5,9 Mrd. Dollar, auf Energieunternehmen, obwohl diesem Sektor nur 18 von 299 Transaktionen bzw. 6% zuzuordnen waren. Von den zehn größten Börsengängen im ersten Quartal waren vier Energieunternehmen – mit Adnoc Gas als global größtem IPO.
Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY, sieht eine derzeit große Zurückhaltung auf Seiten der Börsenkandidaten: „Gerade Großunternehmen warten auf bessere Rahmenbedingungen.“ Viele Unternehmen verharrten im ersten Quartal in der Warteposition, obwohl die Lage mit einer niedrigen Volatilität und einem relativ hohen Kursniveau zumindest bis Mitte März nicht schlecht gewesen sei. Mit den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor hat sich das Umfeld allerdings wieder eingetrübt – ablesbar an einer zwischenzeitlich stark gestiegenen Volatilität und Kursrückgängen an den Börsen. „Angesichts der jüngsten Probleme im Bankensektor bleiben Investoren vorerst vorsichtig, gehen weiterhin selektiv vor und hoffen zudem auf günstige Bewertungen – bisweilen erwarten Investoren auch größere Zugeständnisse bei den Bewertungen“, beobachtet Steinbach. Er rechnet aber damit, dass sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen im laufenden Jahr verbessern werden: „Die chinesische Wirtschaft fasst nach der Pandemie wieder Tritt, und die US-Konjunktur entwickelt sich recht stark, wovon auch europäische Unternehmen profitieren werden.“
Damit könnten sich die Rahmenbedingungen für IPO-Kandidaten in den kommenden Monaten verbessern, vor allem in der zweiten Jahreshälfte, erwartet Steinbach.
Gebremst werde die Entwicklung vom Krieg in der Ukraine und der Zinspolitik der Notenbanken, so Steinbach: „Es wird wohl weitere Zinserhöhungen geben, die sich auf die Aktienmärkte und damit auch auf die Bewertungen von IPO-Kandidaten auswirken können.“
China-IPOs vor Comeback
Positiv werde sich der chinesische IPO-Markt entwickeln: Dort umfasst die Pipeline an Börsenkandidaten fast 800 Unternehmen, wobei mehr als zehn Mega-Börsengänge erwartet werden. Aber auch für den europäischen IPO-Markt ist Steinbach verhalten zuversichtlich: „Wir sehen, dass IPO-Kandidaten daran arbeiten, ihre Zeitpläne für den Börsengang zu flexibilisieren und ihre „IPO-Readiness“ sicherzustellen, um von einem günstigen Marktumfeld zu profitieren, wenn es sich kurzfristig bietet.“
Als Börsenkandidaten in Deutschland gelten unter anderem der Tankkartenanbieter DKV Mobility aus Familienbesitz sowie die Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera und der Medikamentengläschenhersteller Schott Pharma.