Grossbritannien

Schatzkanzler Hunt setzt auf kalte Progression

Schatzkanzler Jeremy Hunt hat seinen Haushalt weit mehr auf höhere Steuereinnahmen aufgebaut als sein Vorgänger George Osborne 2010. Statt auf Transparenz setzt er vor allem auf verdeckte Steuererhöhungen.

Schatzkanzler Hunt setzt auf kalte Progression

hip London

Der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt hat den Bürgern seines Landes versprochen, dass die erwartete Rezession dank der von ihm geplanten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen flacher ausfallen wird als befürchtet. „Unsere Prioritäten sind Stabilität, Wachstum und öffentliche Dienstleistungen“, sagte er bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs (Au­tumn Statement) im Unterhaus.

Hunt will sich die Inflation zunutze machen, um sein selbst gesetztes Sparziel von 55 Mrd. Pfund zu erreichen. Statt klar erkennbarer Steuererhöhungen spielen dabei Schwellenwerte eine große Rolle. Indem viele davon bis April 2028 eingefroren werden, während Löhne und Gehälter früher oder später steigen, werden viele Briten, die bislang weniger verdient haben als den Steuerfreibetrag, erstmals steuerpflichtig. Andere rutschen über die Schwelle für den nächsthöheren Steuersatz. Die kalte Progression wird einen wesentlichen Beitrag dabei leisten, Löcher in den öffentlichen Finanzen zu stopfen.

Zudem wird der Spitzensteuersatz von 40 %, der bislang ab einem Jahreseinkommen von 150 000 Pfund erhoben wurde, künftig schon ab 125 140 Pfund fällig. Das leistet zwar nur einen geringen Beitrag zu den Staatsfinanzen, demonstriert aber, dass auch Besserverdiener einen Beitrag leisten – Hunt zufolge sind es im Schnitt jährlich 1 200 Pfund mehr pro Kopf.

Eingefroren wird auch der Schwellenwert, ab dem Sozialversicherungsbeiträge fällig werden, und der Freibetrag bei der Erbschaftsteuer. Die finanziell gebeutelten Kommunen dürfen künftig die Gemeindesteuer um bis zu 5 % erhöhen, ohne ein Referendum durchführen zu müssen. Die Deckelung der Energierechnungen der privaten Haushalte wird im kommenden Fiskaljahr nicht aufgegeben, wie von vielen befürchtet. Allerdings wird die Obergrenze von 2 500 auf 3 000 Pfund pro Jahr erhöht.

Anleger im Visier

Wer es trotz jahrelang sinkender Realeinkommen geschafft hat, Vermögen aufzubauen, wird von Hunt zur Kasse gebeten. Der Freibetrag für Dividendeneinkommen wird im kommenden Jahr auf 1000 Pfund halbiert, im darauf folgenden Jahr auf 500 Pfund. Der Freibetrag bei der Kapitalertragsteuer wird im kommenden Jahr von 12 300 Pfund auf 6 000 Pfund reduziert, im ab April 2024 laufenden Fiskaljahr dann auf 3 000 Pfund. Auch dann seien die Freibeträge in Großbritannien immer noch großzügiger als in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Irland und Kanada, sagte Hunt.

Ab April 2025 müssen auch Besitzer von Batterieautos Kfz-Steuer zahlen. Das sei „fairer“, sagte Hunt. Bislang waren sie davon befreit, um den Übergang zur Elektromobilität zu beschleunigen. Der Schatzkanzler beeilte sich jedoch zu betonen, dass er zu den von den Vorgängerregierungen festgelegten Klimazielen stehe. Die Übergewinnsteuer (Windfall Tax) für die Öl- und Gasbranche wird von 25 % auf 35 % erhöht. Solche Unternehmen müssen dann 75 % ihrer Gewinne aus dem britischen Geschäft an den Fiskus abführen. Zudem führt Hunt bereits ab Januar eine vergleichbare Abgabe in Höhe von 45 % für Stromerzeuger ein. Zusammen sollen sie im kommenden Jahr 14 Mrd. Pfund in die Staatskasse spülen.

Was das marode Gesundheitswesen angeht, ist Hunt großzügig. Der National Health Service (NHS) erhält in den beiden kommenden Jahren jeweils 3,3 Mrd. Pfund mehr. Renten und Sozialleistungen werden im Einklang mit der Inflation steigen und damit die Lohneinkommen weit hinter sich lassen. Gespart wird dagegen an der Entwicklungshilfe, die von 0,7 % auf 0,5 % des Bruttonationaleinkommens sinkt. Das Land hatte sich 1970 verpflichtet, mindestens 0,7 % dafür aufzubringen. Auch die vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs angekündigte Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf 3 % wird so schnell nicht kommen. Man werde aber weiter den Verpflichtungen im Rahmen der Nato nachkommen und 2 % der Wirtschaftsleistung für die Landesverteidigung aufbringen.

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