Selbstreflexion statt Kriegsbegeisterung
Könntest du dir vorstellen, Soldat zu werden? Im National Army Museum in London steht diese Frage über dem Eingang zu einer Ausstellung über das Soldatenleben, die sich vor allem an Kinder und Jugendliche wendet. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, können sie unter „Ja“ oder „Nein“ hineingehen. Am Ausgang wird die Frage noch einmal gestellt. Vermutlich werden sich einige, die zunächst „Ja“ gewählt haben, am Ende anders entscheiden. Denn anders als man vielleicht erwarten würde, handelt es sich nicht um eine Werbeshow der britischen Streitkräfte. Vielmehr wird gezeigt, wie es denen ergeht, die sich freiwillig melden.
Im Vereinigten Königreich gab es eine allgemeine Wehrpflicht in den vergangenen Jahrhunderten nur in Ausnahmephasen. Entsprechend groß waren die Versprechungen, die den Rekruten gemacht werden mussten, um sie für das Kriegshandwerk zu begeistern. „Die Welt sehen und dafür bezahlt werden“, steht auf einem der historischen Plakate. Oder man machte sie betrunken und brachte sie dann dazu, den „king’s shilling“ anzunehmen. Denn gekämpft wurde gegen Bezahlung, nicht aus Begeisterung für hochtrabende Ideale. Zumal das Empire nahezu ständig irgendwo Krieg führte, von Burma bis Transvaal – nicht aus ideologischen, sondern aus machtpolitischen Gründen. Man erfährt auch, dass man im Krieg Körperteile verlieren kann, was die Begeisterung dafür dämpft.
Natürlich gibt es in der Ausstellung auch bespielbare Modelle. Wer Spaß daran hat, kann ein Plastiksturmgewehr auseinanderbauen und wieder zusammensetzen. Es gibt jede Menge Kriegswaffen, ein paar Panzer und einen Westland-Lynx-Hubschrauber zu bestaunen. Und im Shop kann man einen Zug Plastiksoldaten (32 Stück) in verschiedenen Posen erwerben. Sie „inspirieren stundenlanges Spielvergnügen, bei den Kindern von heute genauso wie bei ihren Eltern und Großeltern“, heißt es auf der Website. Doch das Museum gibt den lieben Kleinen so viel Stoff zum Nachdenken mit, dass sie vielleicht anders damit spielen werden als die vorangegangenen Generationen. Sehr empfehlenswert ist auch die bis August kommenden Jahres laufende Sonderausstellung „Vom Feind zum Freund: Die britische Armee in Deutschland seit 1945“. Mehr als eine Million britische Soldaten haben seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gelebt. Neben Geschichten aus ihrem Familienleben mit Bier und Bratwurst geht es um Spionage und vieles mehr. Gleich nebenan befindet sich das Royal Hospital Chelsea, das rund 300 alleinstehenden Veteranen der Armee im Alter von mehr als 66 Jahren ein Zuhause bietet. Man erkennt sie an ihren roten Uniformen. Viele waren in Korea, auf den Falklandinseln und im nordirischen Bürgerkrieg im Einsatz. Es wurde 1681 auf Anordnung von Charles II. für diejenigen, die „von Alter oder Krieg gebrochen“ wurden, eingerichtet. Als Architekt wurde Christopher Wren beauftragt, der auch St. Paul’s Cathedral entwarf. Wer danach noch nicht genug hat, kann sich das Royal Air Force Museum in Edgeware ansehen. Dort gibt es einen Flugsimulator, der einem den Blick auf den Lake District aus dem Cockpit eines RAF Eurofighter Typhoon eröffnet. Abgesehen von den Fluggeräten, die hier herumstehen, gibt es auch das eine oder andere bemerkenswerte historische Ausstellungsstück, für das sich der Weg in den Londoner Norden lohnt. Dazu gehört ein kleiner blauer Hund aus Glas, der einst Manfred von Richthofen gehörte, dem im Ersten Weltkrieg als „der Rote Baron“ bekannten deutschen Kampfpiloten.
Auch die Royal Navy hat ihre Museen. Dafür sollte man einen Tagesausflug nach Portsmouth einplanen. Dort liegen neben der HMS Warrior, dem ersten Panzerkreuzer der viktorianischen Marine, das U-Boot HMS Alliance aus dem Zweiten Weltkrieg und Horatio Nelsons Flaggschiff in der Schlacht von Trafalgar, die HMS Victory. Wer eine Hafenrundfahrt vom „Historic Dockyard“ aus macht, bekommt die neuesten Waffensysteme zu sehen, meist auch den Flugzeugträger Queen Elizabeth II, der mangels Budget bislang ohne Kampfjets auskommen muss. Was bei Luftwaffe und Marine allerdings etwas zu kurz kommt, ist die kritische Selbstreflexion, die sich im National Army Museum findet.