Fachkräftelücke

Unternehmen stellen mehr ein

Angesichts nachlassender Rezessionssorgen zeigen sich die deutschen Unternehmen bereit, wieder mehr Personal einzustellen. Die Fachkräftelücke wird größer. Dabei böte die sogenannte stille Reserve viel Potenzial.

Unternehmen stellen mehr ein

ast Frankfurt

Die nachlassenden Rezessionssorgen führen dazu, dass die Bereitschaft der Unternehmen steigt, neue Mitarbeiter anzuheuern. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer und das Ifo-Beschäftigungsbarometer legten im Januar zu und notieren nun beide in einem Bereich, der für eine verbesserte Situation am Arbeitsmarkt spricht. Die steigende Arbeitskräftenachfrage trifft allerdings auf einen angespannten Arbeitsmarkt: Eine Studie des IW Köln zeigt, in welchen Berufen sich der Fachkräftemangel bis in drei Jahren verschärft – aber auch wo sich die Lage entspannt.

Der deutsche Arbeitsmarkt wird dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zufolge nicht langfristig unter den Folgen des Ukraine-Kriegs leiden. Das neueste Arbeitsmarktbarometer stieg im Januar den dritten Monat in Folge auf 102,9 Punkte – nach 101,3 Punkten im Dezember. Ein Wert von über 100 Zählern deutet auf eine positive Entwicklung hin. Damit liegt Deutschland vor der europäischen Konkurrenz – das europäische Barometer stieg ebenfalls über die 100er-Marke, jedoch nur um 0,8 Punkte auf 100,5.

Auch das Beschäftigungsbarometer des Münchner Ifo-Instituts legte zu – um 0,6 Zähler auf 100,2 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit August des vergangenen Jahres. „Der schwindende Pessimismus in der deutschen Wirtschaft zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Besonders in der Industrie hat die Einstellungsbereitschaft zugenommen, aber auch die Dienstleister zeigen sich optimistischer. Nach den Ökonomen scheint nun auch die Wirtschaft selbst nicht mehr so recht an eine tiefe Rezession zu glauben.

Wachsendes Ungleichgewicht

Der Bedarf an Personal dürfte Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zufolge in den kommenden drei Jahren noch einmal deutlich zunehmen. Der Fachkräftemangel, der schon heute von vielen Unternehmen als größte Herausforderung betrachtet wird, wird sich zuspitzen. Die Fachkräftelücke, also die Zahl der offenen Stellen abzüglich der qualifizierten Arbeitslosen, wird größer (siehe Grafik).

Nach dem Einstellungsstopp im ersten Coronajahr 2020, als sich die Lücke bis auf unter 1% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten schloss, wird sie sich bis 2026 fast verdoppeln. Die Kennzahl lässt sich als der Anteil der Arbeit interpretieren, der mangels Arbeitskräften unerledigt bleibt – und damit zu Wertschöpfungsverlusten führt. Die Ökonomen gehen zudem davon aus, dass besonders in Ostdeutschland der Mangel dramatisch sein wird.

Eine gute Nachricht allerdings bringt die IW-Studie: In manchen Berufen wird es 2026 mehr Fachkräfte geben. So dürfte es 152000 Erzieher mehr geben als 2021. Allerdings bleibt ein Mangel bestehen, weil auch der Bedarf wächst. 23000 Erzieher dürften dann immer noch fehlen. Auch wird es mehr Software-Entwickler geben (+50%), doch es werden noch mehr benötigt.

Potenzial der stillen Reserve

Zumindest zahlenmäßig könnte sich ein Teil des Personalmangels bereits jetzt decken lassen: Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) wollten 3,1 Millionen 2021 nicht erwerbstätige Menschen in Deutschland eine Arbeit aufnehmen. Diese sogenannte stille Reserve entspricht 17% aller Nichterwerbspersonen. Dazu gehören Personen ohne Arbeit, die kurzfristig zwar nicht verfügbar sind oder nicht aktiv nach einem Job suchen, sich aber eine Tätigkeit wünschen. Sie gelten deshalb nicht als erwerbslos. Dazu gehören auch Menschen, die etwa aufgrund von Betreuungspflichten kurzfristig keine Arbeit aufnehmen können. Auch Personen, die zwar weder eine Arbeit suchen noch kurzfristig verfügbar sind, aber dennoch einen generellen Arbeitswunsch äußern, werden dazu gezählt. Frauen stellen das Gros der stillen Reserve mit einem Anteil von 55,9%.

Viele dieser Personen hätten sogar eine gute Qualifizierung. Ein Großteil verfügt mindestens über ein mittleres Qualifikationsniveau: 60% hatten 2021 ein mittleres oder hohes Qualifikationsniveau, also mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung oder die Hoch-/Fachhochschulreife.

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