Werbetreibende kommen an Google nicht vorbei
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Es ist eine bittere, aber doch einleuchtende Erkenntnis, die Anleger des Online-Suchmaschinenriesen Google am Mittwoch verdauen mussten: Reine Größe und Marktmacht allein schützen nicht zwangsläufig vor wirtschaftlichen Krisen − zumindest nicht auf kurze Sicht und schon gar nicht, wenn das Geschäft auf indirekte Weise von der Kaufkraft der Verbraucher abhängt. Denn wenn diese sinkt, so wie im aktuellen Fall, und somit weniger konsumiert wird, dann dauert es in der Regel nicht lange, bis sich auch die Budgets der Werbetreibenden verringern.
Bei den ebenfalls sehr stark von Online-Werbeerlösen abhängigen US-Tech-Konzernen wie Meta, Snap oder Twitter war das zuletzt schon deutlicher zum Tragen gekommen als bei Google bzw. deren Mutterkonzern Alphabet. Die Facebook-Mutter Meta, die am Mittwoch nach Börsenschluss neue Zahlen vorlegte, verbuchte im zweiten Quartal erstmals einen Umsatzrückgang. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter, der nun bis Freitag endgültig von Tesla-Chef Elon Musk übernommen werden soll, entwickelte sich das Geschäft in dem Zeitabschnitt rückläufig. Und die Foto-App Snap wuchs im dritten Quartal so langsam wie seit dem IPO nicht mehr.
Letzteres war zwar schon im zweiten Quartal der Fall. Allerdings konnte Alphabet die Befürchtungen um eine ähnlich miserable Entwicklung zu dem Zeitpunkt dank eines überraschend starken Wachstums von fast 12 % im Werbegeschäft noch aus dem Weg räumen.
Im dritten Quartal ist das nun nicht mehr gelungen. Die Werbeumsätze sind mit einem Plus von gerade mal 2,5 % insgesamt kaum vom Fleck gekommen. Auf Google hätten sich vor allem Finanzhäuser und Kryptodienstleister mit Anzeigen zurückgehalten, teilte der Konzern mit. Bei der Videoplattform Youtube, die derzeit stark mit der wachsenden Konkurrenz durch Tiktok zu kämpfen hat, gingen die Erlöse sogar zurück. Konzernweit belief sich das Wachstum auf unerwartet schwache 6 %. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren war der Umsatz von Alphabet um durchschnittlich 20 % pro Jahr gewachsen.
Für die Anleger war das offenbar zu viel. Der Kurs gab am Mittwoch zum Handelsbeginn um fast 8 % nach. Seit Jahresbeginn hat das Papier im Zuge des breiten Tech-Ausverkaufs ein Drittel an Wert verloren. Dabei raten Analysten auf Bloomberg noch immer einhellig zum Kauf der Aktie. Das Kursziel liegt im Schnitt derzeit bei gut 124 Dollar. Innerhalb von zwölf Monaten, so die Konsensschätzung, dürfte die Aktie also wieder um fast 30 % zulegen.
Der Optimismus verwundert nicht, wenn man sich die Erwartungen über die langfristige Entwicklung der digitalen Werbebranche vor Augen führt. Allein in den USA dürften die Ausgaben der Vermarkter laut Insider Intelligence von 2021 bis 2025 um etwa 50 % auf über 300 Mrd. Dollar zunehmen. Und an Google, dem Konzern, der noch immer deutlich mehr als 80 % des globalen Suchmaschinenmarkts auf sich vereint, kommen die Unternehmen nun einmal bislang nicht vorbei. Laut „Internet Live Stats“ hat die Maschine zuletzt mehr als 100000 Suchanfragen pro Sekunde verarbeitet. Die Flut an Daten steigert die Präzision der Ergebnisse immer weiter. Wenn sich der Konzern also künftig nicht selbst ins Bein schießt und die Nutzer durch zu viel Werbung nachhaltig und in Scharen vergrault, dann darf der Alarm an der Börse vorerst als verfrüht bezeichnet werden.