Wettlauf gegen die Zeit
Nach drei dividendenlosen Jahren winkt den Aktionären von Thyssenkrupp endlich wieder eine Dividende. Mit 0,15 Euro je Aktie nimmt sich diese zwar bescheiden aus, doch handelt es sich dabei ja auch eher um ein Symbol. Es steht dafür, dass der Traditionskonzern, der vor wenigen Jahren noch mit dem Rücken zur Wand stand, das tiefe Tal durchschritten hat und den diversen externen Schocks erfolgreich trotzte. So weit, so beruhigend.
Über den Berg ist der Traditionskonzern damit aber noch nicht und daran lässt Vorstandschefin Martina Merz keine Zweifel. Unverkennbar sind die Fortschritte der vergangenen drei Jahre beim Umbau des Konzerns zu einer Group of Companies mit eigenständig agierenden Geschäften. Doch die Transformation ist noch nicht beendet. Vielmehr wird die bevorstehende Rezession zum Lackmustest für Thyssenkrupp, denn erst im Abschwung wird sich zeigen, wie widerstandsfähig die einzelnen Geschäfte wirklich sind. Nicht ohne Grund warnt Merz vor der Zunahme der Wettbewerbsintensität, gilt es in puncto Produktivität doch nach wie vor Anschluss an die Wettbewerber zu finden.
Zwar haben die stahlnahen Geschäfte im abgelaufenen Turnus deutlich mehr als ihre Kapitalkosten verdient. Da die Stahlpreise inzwischen jedoch spürbar eingebrochen sind, muss sich erst noch zeigen, wie nachhaltig die Wertbeiträge sind. Ein gemischtes Bild geben in dieser Hinsicht die Industriegeschäfte Industrial Components und Automotive Technology ab.
Um die Transformation abzuschließen, muss Thyssenkrupp jedoch auch bei den Portfoliothemen vorankommen. Das betrifft allen voran die Stahlsparte. Mit deren Spin-off wird zwar weiterhin geliebäugelt, doch scheut das Management davor zurück, Nägel mit Köpfen zu machen. Hierfür brauche es mehr Gewissheit hinsichtlich der Rahmenbedingungen, sagt Merz und verweist dabei auf Unsicherheiten mit Blick auf die Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise, der konjunkturellen Entwicklung sowie des Förderregimes für grünen Stahl. Das alles sind gewichtige Parameter für die künftige Entwicklung der Sparte. Für die Entscheidung für oder gegen den Spin-off sind sie jedoch nachgelagert. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Sparte allein überlebensfähig ist und ob sich der Konzern die Abspaltung leisten kann.
Noch sind fast 4 Mrd. Euro aus dem Verkauf der Aufzugssparte übrig. Mehr Geld steht für die Transformation jedoch nicht zur Verfügung. Das Geld muss ausreichen, um allen Geschäften auch mit Investitionen eine Perspektive zu geben. Der Wettlauf gegen die Zeit ist noch nicht entschieden.