Geldpolitik

Bank of England muss um Unabhängigkeit bangen

Die Bank of England gerät nach ihrem rabenschwarzen Ausblick auf die Wirtschaftsentwicklung zunehmend unter Druck. Volkswirte halten die Prognosen für Unsinn. Politiker rütteln am Mandat der Notenbank.

Bank of England muss um Unabhängigkeit bangen

Von Andreas Hippin, London

Wenn Notenbanken Schlagzeilen machen, ist meistens etwas schiefgegangen. Während sich EZB und Federal Reserve bemühten, die Zukunft nicht ganz so schwarz zu malen, wartete Andrew Bailey, der Gouverneur der Bank of England, vergangene Woche mit einem Katastrophenszenario auf. Großbritannien werde Ende des Jahres in die Rezession rutschen und das gesamte kommende Jahr darin verharren. Die Inflation werde im Schlussquartal auf mehr als 13% steigen und auch im kommenden Jahr hoch bleiben. Das weckte nicht nur Zweifel an den Prognosefähigkeiten der Volkswirte der Notenbank. Auch die Unabhängigkeit der Zentralbank wird seitdem zunehmend in Frage gestellt, insbesondere in konservativen Medien. Für Liz Truss, die aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge von Boris Johnson, ist sie nicht sakrosankt. „Die Zinsen hätten schon vor langer Zeit erhöht werden müssen, und die Bank of England war mit Blick darauf zu langsam“, sagte Generalstaatsanwältin Suella Braverman.

Außer Kontrolle

Baileys „Katastrophismus“ sei „außer Kontrolle“ geraten, konstatierte der Finanzkolumnist des konservativen „Telegraph“, Ambrose Evans-Pritchard. Die Vorhersagen der Bank of England seien „falsch, gefährlich und dem Brexit Derangement Syndrome förderlich“. Damit meint er die nach wie vor weit verbreitete Tendenz, den EU-Austritt für alles verantwortlich zu machen, was in Großbritannien schiefgeht. „Wir brauchen weniger schlaue Akademiker und mehr gesunden Menschenverstand“, schrieb Hamish McRae in der „Mail on Sunday“. Auch Savvas Savouri, der Chefvolkswirt von Toscafund Asset Management, lässt kein gutes Haar an den Zentralbankökonomen. „Sie werden sich so sehr schämen, Teil davon gewesen zu sein, dass sie den Umstand, in einer Zeit in der Threadneedle Street gearbeitet zu haben, die mit den schlechtesten Prognosen in die Geschichte eingehen wird, weglassen werden“, schrieb er in einer aktuellen Markteinschätzung. Ihre Vorhersagen zum künftigen Wirtschaftswachstum seien „schockierend dumm“. Truss verwies richtigerweise darauf, dass Prognosen kein Schicksal sind. Immer wieder ist von „Groupthink“ die Rede. Immer wieder kommt die Frage auf, warum die Bank of England so lange an dem Irrtum festhielt, bei der steigenden Inflation handele es sich um ein vorübergehendes Phänomen.

Dem späteren Labour-Premierminister Gordon Brown ging es vor allem darum, der Regierung von New Labour wirtschaftliche Glaubwürdigkeit zu verschaffen, als er die Bank of England vor einem Vierteljahrhundert in die Unabhängigkeit entließ. Es war eine Abkehr vom Status Quo seit der Verstaatlichung der Notenbank im Jahr 1946. Nun konnten Schatzkanzler nicht mehr die Zinsen senken, um einen Boom herbeizuführen, oder sie danach schnell wieder erhöhen, um die Teuerung wieder in den Griff zu bekommen. Brown folgte dem Zeitgeist. Dass die Wirtschaft in den Jahren vor der Finanzkrise bei niedriger Inflation stetig wuchs, könnte man ebenso gut auf die deflationäre Wirkung der zunehmenden Bedeutung der Volksrepublik China und des Internets für die Welt zurückführen wie auf das umsichtige Management der Geldpolitik durch Technokraten.

„Die Menschen müssen die Wichtigkeit der Unabhängigkeit der Notenbank als Eckpfeiler der Wirtschaftspolitik begreifen“, dozierte Bailey vergangenen Monat vor dem Finanzausschuss des Unterhauses. Es handelt sich um Rückzugsgefechte, denn das Mandat ist – nach dem Scheitern in Sachen Preisstabilität – kaum aufrechtzuerhalten. Es will zwar niemand die Notenbank wieder dem Schatzkanzler unterstellen. Doch mit Änderungen am Mandat ist zu rechnen. Truss will den Fokus auf die Teuerung schärfen. Was sie genau plant, hat sie noch nicht offengelegt. Es wäre durchaus möglich, dass neben der Preisstabilität auch Finanzstabilität oder Wachstum als Aufgaben der Bank of England definiert werden.

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