Im Gespräch:Tobias Adrian, IWF

„Banken haben auf der Aktivseite einige Probleme“

Die Banken haben den rasanten Zinsanstieg seit 2022 gut verdaut, meint Tobias Adrian, Leiter Geld- und Kapitalmärkte des Internationalen Währungsfonds. Dennoch gebe es einige Risiken für die Finanzstabilität. Welche das sind, erklärt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Banken haben auf der Aktivseite einige Probleme“

Im Gespräch: Tobias Adrian

„Banken haben auf der Aktivseite einige Probleme“

Der IWF-Cheffinanzvolkswirt über die Auswirkungen der hohen Leitzinsen und der geopolitischen Fragmentierung auf die Finanzstabilität

Von Detlef Fechtner und Martin Pirkl, Frankfurt

Die Banken haben den rasanten Zinsanstieg seit 2022 insgesamt gut verdaut, meint Tobias Adrian, Leiter Geld- und Kapitalmärkte des Internationalen Währungsfonds. Dennoch gebe es einige Risiken für die Finanzstabilität. Welches das sind, erklärt der Cheffinanzvolkswirt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Den deutlichen Zinsanstieg seit 2022 haben Europas Banken laut IWF-Cheffinanzvolkswirt Tobias Adrian bislang gut verdaut. „Aber es gibt auch Schwachpunkte“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Einzelne Institute fallen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge durch eine niedrige Qualität des Kreditbuchs auf, andere verfügen nur über eine geringe Profitabilität. „Es gibt die Gefahr, dass solche Banken bei externen Schocks schnell unter Druck geraten“, sagt Adrian. Und es gebe Anzeichen, dass Schocks künftig häufiger auftreten könnten, etwa durch politische Spannungen.

Das höhere Zinsniveau ist für die Institute eine Herausforderung, bei denen Gewerbeimmobilienfinanzierungen eine große Rolle spielen. In diesem Sektor steigt der Anteil der notleidenden Kredite – insbesondere in den USA, aber auch in Europa. Denn der Immobiliensektor ist besonders zinssensibel. Zudem hat der Zinsanstieg negative Auswirkungen auf Banken mit hohen Beständen an Staatsanleihen, die noch zu niedrigen Zinssätzen emittiert wurden. „Banken haben daher auf der Aktivseite einige Probleme, aber im Einlagengeschäft wird mehr Geld verdient, was sich in höheren Marktbewertungen spiegelt“, sagt Adrian. „Das ist sehr gut für die Resilienz der Banken.

Denn die Resilienz einer Bank ist nicht nur abhängig von der Höhe des aufsichtsrechtlichen Kapitals, wie Adrian hervorhebt. „Die Credit Suisse ist ein Beispiel, wo im Grunde viel regulatorisches Kapital vorhanden war, aber kein Vertrauen des Markts mehr in das Geschäftsmodell“, sagt er. „Aber: Vertrauen ist so wichtig wie Kapital.“

Kritik an der Aufsicht

Das unterscheide ein gutes Management einer Bank auch von einem schlechten. Der gute Manager mache sich Gedanken, welche Marktreaktion eine Fehlentscheidung auslöse, der schlechte nicht. Und eine gute Regulierung sei auch kein Ersatz für fähiges Führungspersonal. Die Regulierung ziele darauf ab, systematische Folgen einer Bankpleite zu verhindern, nicht die Insolvenz an sich. Dies sei die Aufgabe des Managements.

Kritik äußert Adrian an der Bankenaufsicht in den USA und in der Schweiz. „In den USA kann man darüber streiten, ob die Zusammenbrüche von Silicon Valley Bank und anderen regionalen Instituten durch strengere regulatorische Anforderungen hätten verhindert werden können“, sagt er. „Aber unstrittig ist, dass es bei der Aufsicht Lücken gab.“ Die Aufseher hätten durchaus die entscheidenden Schwachstellen identifiziert, etwa die Risiken im Zusammenhang mit einem raschen Zinsanstieg, „Aber die Aufsicht hat es versäumt, Maßnahmen der Banken, die in die falsche Richtung gingen, umgehend zu sanktionieren.“ In der Schweiz sei die Situation ähnlich gewesen.

Zu hohe Staatsverschuldung

Für Turbulenzen könnte laut Adrian noch die wachsende globale Staatsverschuldung sorgen. Wenn die Zinsen höher sind als die Wachstumsraten, dann sei das ein Problem für Staaten mit hoher Verschuldung. „Wahrscheinlich ist alles okay, aber es gibt Szenarien, wo die hohe Staatsverschuldung sehr unbequem werden könnte“, meint er. Zu diesen Szenarien gehört ihm zufolge beispielsweise ein Anstieg der Risikoprämien aufgrund wachsender geopolitischer Spannungen. Oder, wenn neue exogene Schocks Notenbanken zu weiteren Zinserhöhungen veranlassen sollten.

Die zunehmende politische Blockbildung ist aber auch abseits von steigenden Risikoprämien eine Herausforderung für die Finanzstabilität. „Die Fragmentierung hat einen stark negativen Einfluss auf die Effizienz der Kapitalmärkte“, führt Adrian aus. Zudem sinke die Liquidität. Schocks könnten in Zukunft dadurch schlechter absorbiert werden. „In der Folge droht die Finanzstabilität schwächer zu sein“, urteilt er.


8. Macroprudential Conference: Wenn es um das Thema Finanzstabilität geht, ist seine Einschätzung gefragt: IWF-Finanzchefvolkswirt Tobias Adrian. Der Ökonom hielt daher Ende Juni auch die Keynote der 8. Macroprudential Conference, bei der es um Fragen rund um die Resilienz der Banken ging. Bei diesem Fachtreffen kommen alljährlich auf Initiative von Deutscher Bundesbank, Sverige Riksbank und De Nederlandsche Bank hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Kreditwirtschaft und Politik zusammen, um über die Stabilität des Finanzsystems zu diskutieren. Als Vortragende mit dabei waren im Rheingau dieses Jahr Repräsentanten von Europäischer Zentralbank, der Bank of Ireland und der Bank of Japan ebenso wie vom EU-Abwicklungsrat (Single Resolution Board, SRB), von der New York Fed und vom Internationalen Währungsfonds. An den Diskussionen nahmen Wirtschaftswissenschaftler aus Stanford, Princeton und der Universität von Chicago teil, ebenso wie aus Oxford und der London School of Economics sowie von der Renmin University of China. Im Zentrum der Debatten standen unter anderem die Themen Zinsrisiken in Zeiten der Zinswende, Kapitalpuffer von Banken und unorthodoxe Geldpolitik. 


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