Bitterer Nachgeschmack für Macron
Aus dem Ausland war Jubel und so mancher Seufzer der Erleichterung zu hören. In Frankreich dagegen mochte nicht so recht Freude darüber aufkommen, dass sich Emmanuel Macron in der Stichwahl erneut gegen Marine Le Pen durchsetzen konnte. Denn sein Wahlsieg kaschiert den tiefen Graben, der das Land inzwischen spaltet. Mit 13,3 Millionen Stimmen hat Le Pen das beste Ergebnis einer rechtsextremen Partei seit dem Zweiten Weltkrieg verbucht. Auch das republikanische Bündnis konnte nichts gegen sie ausrichten.
Die Zahl derjenigen, die aus Protest nicht oder ungültig gewählt haben, war extrem hoch. Macron einen Denkzettel zu verpassen war vielen wichtiger als alles andere – auch wichtiger als einen Wahlsieg Le Pens zu verhindern. Damit nicht genug, stimmten im ersten Wahlgang fast 55% der Wähler für Kandidaten der Randparteien, darunter viele junge Franzosen etwa für den rechtsextremen Éric Zemmour oder den Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon.
Dass sie einen Wahlsieg Macrons nicht so einfach hinnehmen werden, zeigte sich schon am Wahlabend, als es in mehreren Städten zu Protesten kam. „Macron, hau ab“ und „Wir brauchen eine Revolution“ war dort zu hören. Die Wut, mit der viele Franzosen auf den alten, neuen Präsidenten schimpfen, seine erste Amtszeit gar als Diktatur bezeichnen, ist erschreckend. Die Gefahr, dass einige Wähler glauben, eine Diktatur könne nicht schlimmer als das System Frankreichs sein, steigt.
Ob Macron sein Programm nun einfach durchsetzen kann, wird in großem Maße von den Parlamentswahlen im Juni abhängen. Ein breites Reformpaket wie zu Beginn seiner ersten Amtszeit, als er das starre Arbeitsrecht lockerte und Steuerreformen auf den Weg brachte, ist diesmal nicht zu erwarten. Bereits vor der Stichwahl hat er Zugeständnisse bei der von ihm geplanten Rentenreform signalisiert. Am Wahltag dann versprach er, auch Antworten für diejenigen finden zu wollen, die ihn nicht gewählt hätten.
Das Risiko, dass mehr Proteste als während der von den Gelbwesten geprägten ersten Amtszeit drohen, ist auch wegen der steigenden Inflation groß. Für die Fortsetzung des 2017 von Macron begonnenen Reformkurses sind das nicht die besten Voraussetzungen. Von dem frischen Wind und dem Optimismus, der nach seiner Wahl vor fünf Jahren zu spüren war, ist nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen bleibt angesichts des starken Abschneidens radikaler oder extremistischer Kandidaten ein bitterer Nachgeschmack.