Industrie in Deutschland produziert weniger
Bremsschuh Auftragsmangel
Industrie drosselt Produktion − Bau weniger dynamisch − Energieintensive Fertigung konstant − Mehr Lkw unterwegs
ba Frankfurt
Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind trübe: Der Auftragsmangel bremst Industrie und Dienstleister, die Produktion schwächelt und der Wachstumsschub vom Bau wird sich nicht fortsetzen, da er vom Wetter begünstigt war. Im Gegensatz zu anderen großen Staaten reicht es 2024 wohl gerade zur Stagnation.
Die schwache Auftragslage bremst die deutsche Wirtschaft aus. Im März hat das verarbeitende Gewerbe daher die Produktion nach zwei Monaten des Wachstums zurückgefahren, aber auch die besser laufenden Dienstleister bleiben nicht verschont. Und im Standortwettbewerb verliert Deutschland zusehends an Boden, was vor allem an den Rahmenbedingungen liegt. Stichwort: hohe Kosten und Steuern, überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel, fehlende Investitionsimpulse seitens der Politik. „(Fast) alle wachsen, Deutschland nicht“, lautet denn auch das Resümee der neuen Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die Aussichten für die größte Euro-Volkswirtschaft sind trotz des guten Jahresstarts trübe; die erwartete nachhaltige Erholung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte ist alles andere als gesetzt.
Besser als befürchtet
Im Februar drosselten Industrie, Bau und Energieversorger die Produktion preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,4% im Monatsvergleich, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Ökonomen hatten hingegen ein Minus von 0,7% prognostiziert. Allerdings war die Fertigung im Februar doch nicht so kräftig gestiegen wie zunächst gemeldet: Statt 2,1% waren es 1,7% nach einem Zuwachs von 1,3% im Januar. Im gesamten ersten Quartal stieg der Output um 1,0%. Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet trotz der noch schwachen Auftragslage mit Blick auf Frühindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima oder den Einkaufsmanagerindex mit einer weiteren Erholung der Industrie im Jahresverlauf.
Breite Betroffenheit
„Die schwachen Auftragseingänge färben negativ auf die Industrieproduktion ab“, erklärt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, den Rückgang. Im März gab es 0,4% weniger Neubestellungen. In der vierteljährlichen Ifo-Umfrage vom April klagten 39,5% der Industriefirmen über fehlende Aufträge − im Januar waren es 36,9%. Aber auch im Dienstleistungssektor stieg der Anteil von 32,1 auf 32,4%. „Der Mangel an Aufträgen hemmt die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, kommentierte dies Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Kaum eine Branche bleibt verschont.“ In der Industrie sind vor allem die energieintensiven Branchen besonders betroffen: Im Papiergewerbe liegt der Anteil bei 53,9%, in der Metallerzeugung und -bearbeitung bei 50,6% und in der chemischen Industrie sind es 46,6%.
Logistik merkt Industrieschwäche
Der Logistikbranche wiederum „fehlen vor allem die Transportaufträge aus der Industrie“, so Wohlrabe. Im April allerdings waren wieder mehr Brummis auf den Autobahnen unterwegs als im Vormonat: Der Lkw-Maut-Index ist um 0,9% gestiegen und macht Hoffnung auf einen Produktionszuwachs im kommenden Monat. Da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt und daher ein enger Zusammenhang zwischen der Industrieproduktion und dem Lkw-Maut-Index besteht, wird dieser von Ökonomen genau beobachtet.
Für Hoffnung sorgt zudem, dass sich die Energiesituation beruhigt hat. „Die Preise für Strom und Gas sind deutlich gefallen und haben ihren Schrecken verloren“, sagt VP-Bank-Chefökonom Gitzel. Zwar habe sich im März die energieintensive Produktion gegenüber Februar nicht weiter verbessern können, doch zumindest blieb sie konstant. Im Januar und Februar gab es noch deutliche Zuwächse von 4,3% bzw. 4,6%. „Der Produktionsindex energieintensiver Industriezweige hat jedenfalls noch erhebliches Potenzial nach oben.“
Positive Impulse brachten derweil die Bereiche Kfz/Kfz-Teile und elektrische Ausrüstungen (je +0,6%) sowie Metallerzeugnisse (+0,3%). Ein Produktionsminus verzeichneten hingegen der Maschinenbau (−1,0%) und die Hersteller pharmazeutischer Erzeugnisse (−0,3%). Die Industrie im engeren Sinne fertigte 0,4% weniger als im Februar. Rückläufig war auch die Energieerzeugung (−4,2%).
Bauwirtschaft legt erneut zu
„Optimisten dürfen sogar darauf verweisen, dass sich der Vorjahresvergleich von −5,3% auf −3,3% im März verbessert hat und das zuletzt gebeutelte Baugewerbe zulegen konnte“, so das Urteil von LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Die Bauproduktion, die bereits im Januar und Februar kräftig um 2,9% bzw. 4,2% zugelegt hatte, stieg im März um 1,0%. Für das gesamte erste Quartal meldet das Wirtschaftsministerium hier einen Anstieg um 3,9%, „wobei die milde Witterung eine Rolle gespielt haben dürfte“. Daher, so erwarten Ökonomen, dürfte sich diese Entwicklung in den kommenden Monaten nicht mehr fortsetzen, zumal sowohl Auftragseingänge als auch Baugenehmigungen stark gesunken sind − insbesondere im Wohnungsbau. Neben den Exporten hatten die Bauinvestitionen für das Wirtschaftswachstum von 0,2% im ersten Quartal gesorgt.
Deutschland bleibt Wachstumsschlusslicht
Schwache Anlageinvestitionen der Unternehmen und die auch wegen der hohen Zinsen kriselnde Bauwirtschaft sind denn auch zwei Gründe, warum vom globalen Aufschwung hierzulande zunächst nur wenig ankommt, wie das IW konstatiert. Während hierzulande eine Stagnation zu erwarten sei, dürfte die Wirtschaft in Großbritannien (0,5), den USA (2,0%), Japan (1,0%) und China (4,5%) in diesem Jahr wachsen. Für Frankreich, Italien und den Euroraum prognostiziert das IW ein Wachstum von je 0,75%. Die globale Wirtschaft dürfte um 2,5% zulegen.
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