Brüssel bremst mit neuen EU-Verschuldungsregeln deutsche Staatsausgaben
Brüssel bremst deutsche Staatsausgaben
Neue EU-Fiskalregeln strenger als Schuldenbremse – Toncar ruft zu Haushaltsdisziplin auf
wf Berlin
Deutschland muss seine Ausgabendynamik 2025 und 2026 nach den Regeln der reformierten EU-Verschuldungsregeln stärker bremsen als in der Finanzplanung hierzulande vorgesehen. „Für Deutschland ergeben sich aufgrund der reformierten europäischen Fiskalregeln nicht höhere Haushaltsspielräume, sondern über das nationale Recht und die Schuldenbremse hinaus eher stärkere Anpassungsnotwendigkeiten“, sagte der parlamentarische Staatssekretär Florian Toncar (FDP) vor Journalisten in Berlin. Die EU-Regeln seien verbindlich, betonte Toncar. Deutschland müsse sich in den nächsten Jahren weiter disziplinieren.
2026 spürbare Konsolidierung
Für den Gesamtstaat aus Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen gebe es nur 2025 mutmaßlich etwas großzügigere Vorgaben der EU-Kommission, stellte Toncar in Aussicht. Allerdings werde Deutschland 2026 deutlich konsolidieren müssen – auch gegenüber der eigenen bestehenden Finanzplanung. Zudem bestehe im mehrjährigen Durchschnitt zusätzlicher Konsolidierungsbedarf. Für den Bund lägen die Vorgaben nicht weit entfernt von dem Pfad, den die mittelfristige Finanzplanung aus dem vergangenen Sommer vorzeichne, sagte Toncar. 2025 will der Bund demnach 451,8 Mrd. Euro ausgeben, 2026 sollen es 460,3 Mrd. Euro sein. In der Tendenz seien die europäischen Regeln strenger als die deutsche Schuldenbremse, machte Toncar deutlich.
Brüssel dringt auf Defizitverfahren
Die EU-Kommission hat vergangene Woche erstmals die Länderberichte auf Basis der reformierten Verschuldungsregeln vorgelegt. Gegen sieben EU-Staaten empfiehlt sie die Einleitung eines Defizitverfahrens: Belgien, Ungarn, Malta, Polen, die Slowakei sowie Frankreich und Italien. Dies betrifft Länder mit einer gesamtstaatlichen Defizitquote von mehr als 3% des BIP. Neu ist, dass die Kommission auf der Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse Referenzpfade für die Staatsausgaben über vier Jahre vorgibt. Ausgaben für Zinsen oder den Arbeitsmarkt werden bereinigt und bleiben außen vor. Für Länder mit einem Schuldenstand von mehr als 60% zum BIP sowie mehr als 90% zum BIP gibt es zusätzliche Schutzvorkehrungen gegen zu hohe Verschuldung: Sie müssen ihren Schuldenstand um 0,5 bzw. um 1 Prozentpunkt im Jahr abbauen. Deutschland fällt mit einem Schuldenstand von aktuell 64% in die erste Kategorie. Bis 2028 soll das gesamtstaatliche Defizit nach dem im April nach Brüssel übersandten Stabilitätsprogramm hierzulande auf 62% sinken.
In einem zweiten Schritt wird die EU-Kommission im Herbst Empfehlungen für die einzelnen Länder vorlegen, wie sie die übermäßigen Defizite herunterfahren sollen. Dann geht es auch um konkrete Zahlen für den Ausgabenpfad. Bislang gibt es dazu noch keine Angaben. Die Aussagen von Toncar beruhen auf internen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums.
Bevor die Kommission ihre Empfehlungen vorlegt, werden die Mitgliedstaaten – vermutlich im September – ihre Haushaltspläne über vier Jahre vorstellen. Verbindlich werden die Empfehlungen erst mit der Zustimmung des EU-Rats. Diese politische Hürde ist zu nehmen. Immerhin hatte sich Brüssel für die Einleitung von Defizitverfahren auch gegen Italien und Frankreich trotz ihrer starken politischen Position in der EU ausgesprochen.