Bundesbank stellt sich gegen EU-Kommission
ms Frankfurt
Die Bundesbank hat sich gegen eine abermalige Aussetzung der EU-Schuldenregeln im nächsten Jahr ausgesprochen und zum jetzigen Zeitpunkt vor neuen schuldenfinanzierten Fiskalprogrammen gewarnt. Beides sei trotz der großen konjunkturellen Unsicherheit derzeit nicht angebracht, argumentiert die Bundesbank in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht. Entscheidend sei jetzt eine umsichtige Fiskalpolitik in den Ländern – „um das Vertrauen in solide Staatsfinanzen zu stärken“.
Die Bundesbank stellt sich damit gegen die EU-Kommission und viele Euro-Regierungen. Die Brüsseler Behörde hat wegen der Unsicherheit infolge des Kriegs in der Ukraine, der Energiepreise und der Engpässe bei den Lieferketten vorgeschlagen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt erst 2024 wieder vollständig in Kraft zu setzen. Die Schuldenregeln waren in der Coronakrise ausgesetzt worden. Der Stabilitätspakt sieht vor, dass Länder nicht mehr als 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Schulden aufnehmen. Haushaltsdefizite dürfen 3% nicht übersteigen.
Brisanz durch EZB-Zinswende
Besondere Brisanz erhalten die Aussagen der Bundesbank dadurch, dass die avisierte Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) Sorgen um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen vieler hoch verschuldeter Euro-Staaten geschürt und Ängste vor einer neuen Euro-Schuldenkrise geweckt hat. Die EZB hat deshalb in einer kurzfristigen Krisensitzung vergangenen Mittwoch versprochen, sich gegen zu stark steigende Anleiherenditen zu stemmen. Dafür soll auch ein neues Instrument entwickelt werden. Im EZB-Rat ist das aber durchaus umstritten.
Die Bundesbank lenkt den Fokus nun wieder auf die Fiskal- statt die Geldpolitik. Die fiskalische Lage sei in einigen Mitgliedstaaten fragil. In diesem Umfeld seien glaubwürdige Fiskalregeln wichtiger denn je. Eindringlich warnt sie deshalb auch davor, bei einer Reform der EU-Schuldenregeln den Status quo festzuschreiben und den Staaten nur noch vage qualitative Vorgaben zu machen. „Dieses Jahr will die Kommission Vorschläge zur Reform der Fiskalregeln vorlegen. Es wäre kritisch, wenn sie vorschlagen würde, ihre aktuelle Vorgehensweise als Regel zu etablieren“, so der Bericht.
Die Bundesbank nennt die abermalige Suspendierung der EU-Schuldenregeln für 2023 „nicht überzeugend“. Das passe nicht zur sich generell verbessernden wirtschaftlichen Lage. „Bedenklich“ findet sie auch, dass die Kommission nicht genauer angebe, was sie unter normal verstehe. „Beispielsweise wäre es naheliegend, hohe Energiepreise auch künftig als normal zu erachten – dann im Kontext einer verstärkten Klimapolitik.“
Die erneute Aussetzung schaffe Spielraum für zusätzliche schuldenfinanzierte Fiskalprogramme, „die aus heutiger Sicht nicht angezeigt erscheinen“. In diesem Zusammenhang wendet sich die Bundesbank auch explizit gegen Energiepreise senkende Maßnahmen – wie den Tankrabatt in Deutschland, auch wenn dieser nicht genannt wird.