GastbeitragFinanz- und Steuerpolitik

Bundeshaushalt: Effizienzreserven heben

Würde der Bund bei seiner Ausgabenpolitik nur etwas mehr Wert auf Effizienz legen, könnte er 40 Mrd. Euro im Jahr einsparen, mahnen Ökonomen von ZEW und Deloitte.

Bundeshaushalt: Effizienzreserven heben

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Die Bundesfinanzen müssen effizienter werden

Für das Management privater Unternehmen ist die Suche nach unnötigen Kosten besonders in Krisenzeiten eine prioritäre Aufgabe. Ganz anders fallen die Reflexe aus, wenn öffentliche Haushalte in eine schwierige Lage geraten. Im Fokus steht hier oft einseitig die Frage, wie unerwartete Kosten durch höhere öffentliche Einnahmen – ob Steuern oder Schulden – finanziert werden können. Diese Debatte um den öffentlichen Haushalt ist somit durch einen auffälligen blinden Fleck gekennzeichnet: Viel zu wenig wird überprüft, ob der Staat nicht bei vielen Ausgabeprogrammen über Effizienzreserven verfügt, die gehoben werden könnten.

Die Bundesregierung setzt an dieser Stelle nun einen wichtigen Akzent: Sie will die Ergebnisorientierung des Bundeshaushalts weiter stärken. Das Kabinett hat dazu im April einen neuen Spending Review beschlossen, der die Umsetzung von weiteren Maßnahmen zur Ziel- und Wirkungsorientierung im Bundeshaushalt überprüfen will. Spending Reviews sind umfangreiche Haushaltsanalysen zu bestimmten Schwerpunktthemen, die der Bund seit 2015 durchführt.

Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich Öffentliche Finanzen am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
Falk Streubel leitet bei Deloitte Projekte im Umfeld Öffentlicher Haushalte und Open Data.

Forschungsergebnisse, zu denen insbesondere der portugiesischen Finanzwissenschaftler António Afonso beigetragen hat, belegen, dass für Deutschland in Sachen Effizienz von Staatsausgaben einiges zu holen ist. Er und seine Koautoren vergleichen Staatsausgaben und die Leistungen des öffentlichen Sektors über die OECD-Staaten hinweg. Für das Gesundheitswesen etwa stellt er die Frage, ob sich Länder mit einer in etwa ähnlichen gesundheitlichen Lage ihrer Bevölkerung im Hinblick auf ihre Gesundheitskosten unterscheiden. Nach dem gleichen Prinzip kann die Effizienz beispielsweise von Bildungssystemen, Infrastrukturbereitstellung oder allgemeinen Verwaltungsdienstleistungen bewertet werden.

Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass der Staat in Deutschland viele öffentliche Leistungen zwar auf einem hohen Niveau, aber deutlich unterhalb der sogenannten „Effizienzgrenze“ bereitstellt. Es gibt andere vergleichbare Länder, die ihren Bürgern nicht weniger bieten, dafür aber geringere öffentliche Aufwendungen benötigen. Eines der typischerweise besonders effizienten Länder ist zum Beispiel die Schweiz. Besonders schlecht in Sachen Effizienz schneiden Frankreich und Griechenland ab.

100 Mrd. Euro zu teuer

Auch wenn rechnerische Effizienzindikatoren aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen mit Vorsicht zu betrachten sind, liefern sie doch eine Vorstellung, um welche Größenordnungen es hier gehen kann.

So liegt der Effizienznachteil deutscher öffentlicher Ausgaben Afonsos Kalkulationen zufolge bei rund 27%. Deutschland benötigt also 100 Euro, wo die Schweiz mit 73 Euro auskommt. Bezogen auf den aktuellen Bundeshaushalt besagen solche Relationen, dass Beträge von deutlich über 100 Mrd. Euro jährlich in der Theorie ohne Leistungsverschlechterung einsparbar wären, wenn Deutschland so effizient wie die Schweiz agieren würde.

Selbst wenn eine vollständige Angleichung der Effizienz unrealistisch ist, würde allein schon eine Einengung des Effizienznachteils um ein Drittel beim Bund jährliche Mittel in Höhe von gut 40 Mrd. Euro freisetzen können. Auch für bestimmte Einzelbereiche öffentlicher Tätigkeit zeigen solche Analysen für Deutschland ein erhebliches Sparpotenzial. Im Bildungsbereich beträgt der rechnerische Effizienznachteil gut 10%, im Gesundheitsbereich fast 30% und bei allgemeinen Verwaltungsleistungen sogar um die 40%.

Die Bundesregierung tut daher gut daran, dass sie den Effizienzgedanken durch die Förderung der Ziel- und Wirkungsorientierung voranbringen will. Dieses sogenannte Performance Budgeting hat gerade in angelsächsischen Ländern eine lange Geschichte. Die Grundidee ist, die Güte einer Politik nicht länger an der Höhe der Budgets zu beurteilen, sondern an den empirisch nachweisbaren Wirkungen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Programme, bei denen sich die erwarteten positiven Folgen nicht belegen lassen, verringert werden oder ganz auslaufen sollten.

Staatliches Wirkungsdenken

Der Bund war schon in den letzten Jahren nicht untätig, dieses Wirkungsdenken voranzubringen, was unter anderem die jährlichen Spending Reviews deutlich machen. In den kommenden Jahren sollen nun aber weitere Maßnahmen folgen.

Ein gemeinsam von Deloitte und dem ZEW Mannheim erarbeitetes Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen setzt dafür wesentliche Impulse. Die Deloitte-ZEW-Handlungsempfehlungen enthält siebzehn verschiedene Maßnahmen zur weiteren Beförderung des staatlichen Wirkungsdenkens.

An dieser Stelle seien die drei wesentlichsten Schwerpunkte genannt: Erstens braucht es einen Willen zur Veränderung, der möglichst breit in prominenten Leitdokumenten kommuniziert werden sollte. Dies würde die Akzeptanz neuer ziel- und wirkungsorientierter Verfahren bis zur Arbeitsebene fördern. Grundprinzipien und Instrumente der Wirkungsorientierung sollten noch stärker Eingang in die Aus- und Fortbildung des Verwaltungspersonals finden.

Zweitens ist das bereits bestehende Instrumentarium, Wirkungen zu betrachten und zu bewerten, konsequenter zu nutzen. Rechtliche Verpflichtungen der Bundeshaushaltsordnung zur Evaluation sind stringenter als bisher und anhand vergleichbarer Standards umzusetzen. Beispielsweise gibt es immer noch zu oft Selbstevaluationen, bei denen Zweifel an der Ergebnisoffenheit gegeben sind. Nur über methodisch saubere und neutrale Evaluationen können die Wirkungen von Ausgaben zuverlässig eingeschätzt werden. Zur Evidenzbasierung der Haushaltspolitik gehört aber auch, dass diese Einsichten tatsächlich in Haushaltsentscheidungen einfließen.

Digitalisierungsgrad zu gering

Drittens sind die digitalen Transformationsbedarfe der Bundesverwaltung eng mit den Anforderungen der Wirkungsorientierung verbunden, die zwingend auf eine gute Dateninfrastruktur angewiesen ist. In Teilen ist der Digitalisierungsgrad im deutschen Bundeshaushalt noch nicht ausreichend, um eine Reform im Wirkungsdenken nachhaltig und abseits bestehender Insellösungen zu befördern. Vor allem ein tragfähiges Datenmanagement wird für eine Verbesserung der Ziel- und Wirkungsorientierung im Haushaltswesen künftig unumgänglich sein.

Um die genannten Effizienzreserven tatsächlich heben zu können, müssen die benannten Maßnahmen zwingend im Verbund erfolgen. Lediglich die Umsetzung punktueller Handlungsempfehlungen zu forcieren, würde das Ziel verfehlen. Vor diesem Hintergrund bleibt es spannend, welche Entwicklungen der Bund hier in der nächsten Zeit priorisieren wird.

Friedrich Heinemann

leitet den Forschungsbereich Öffentliche Finan-
zen am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirt-
schaftsforschung

Falk Streubel

leitet bei Deloitte Projekte im Umfeld Öffentlicher Haushalte und Open Data