Union gewinnt die Wahl – Grüne und SPD bieten sich als Koalitionspartner an
Die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat die Bundestagswahl gewonnen. Sie bleibt allerdings deutlich unter ihren eigenen Zielen unterhalb von 30%, wie erste Hochrechnungen der Meinungsforscher von ARD und ZDF zeigen. „30 plus x“, hatte Merz als Ziel ausgegeben. Zweitstärkste Fraktion im Bundestag mit rund um der 20-Prozent-Marke wird danach die AfD – ein Rekordergebnis und eine historische Konstellation, weil sie sich vor die SPD geschoben hat. Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist abgewählt, und hat dies auch eingestanden. Immerhin konnte er sich noch von den Grünen etwas absetzen, die gut 12% der Stimmen auf sich vereinigen konnten.
BSW und FDP müssen bangen
Bei den kleineren Parteien hat die Partei Die Linke die Fünf-Prozent-Hürde deutlich übersprungen mit gut 8%. Die FDP mit Spitzenkandidat Christian Lindner und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mussten zunächst noch um den Einzug in den Bundestag bangen, doch scheint das Rennen nun entschieden: die Liberalen sind an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat es knapp geschafft.
Eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen AfD hat Merz ausgeschlossen. Der CDU-Chef steht damit vor der schwierigen Aufgabe, eine stabile Regierung unter seiner Führung zu verhandeln. Denn es wird wohl nur zu einer Dreier-Koalition reichen: Union, SPD und Grüne, eine „Keniakoalition“. Sollte es die FDP wider Erwarten doch noch in den Bundestag schaffen, wäre auch eine Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP möglich. Scheitern beide Klein-Parteien hätten Union und SPD eine knappe Mehrheit.
CDU-Chef Friedrich Merz dringt auf schnelle Koalitionsverhandlungen. Die Welt „wartet nicht auf langatmige Koalitionsgespräche und -verhandlungen“, sagt er in der CDU-Zentrale. Nun sei der Wahlkampf vorbei, man müsse reden, sagt er mit Blick auf mögliche Koalitionspartner. „Es wird nicht einfach werden“, fügt er hinzu. Es müsse aber schnell klar werden: „Deutschland wird wieder zuverlässig regiert.“
Schnelle Regierungsbildung gefordert
Die Grünen haben sich als Koalitionspartner bereits angeboten. Kanzlerkandidat Robert Habeck sagte, dass seine Partei bereit sei, „sich auch an einer künftigen Regierung zu beteiligen“ und „Verantwortung zu übernehmen“, sagt er auf der Wahlparty seiner Partei. „Jetzt steht Deutschland vor einer schwierigen Regierungsbildung. Die muss schnell und erfolgreich abgeschlossen werden.“ Habeck fügt hinzu: „Der Regierungsauftrrag ist bei Friedrich Merz und der Union. Herzlichen Glückwunsch dazu.“
Der bisherige Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) räumte ein »niederschmetterndes, katastrophales Ergebnis« seiner Partei ein. Fragen nach seiner künftigen Position in der SPD wiegelt Pistorius ab. Er werde in der Führungsriege seiner Partei dabei sein, falls die Union Gespräche mit der SPD aufnehmen wolle, bot er an.
Die Gewerkschaft IG Metall dringt auf eine schnelle Regierungsbildung. „Wir haben keine Zeit mehr. Die Industrie und die Beschäftigten können nicht Monate auf klare Perspektiven warten“, sagt die Vorsitzende Christiane Benner. „Vielen Industrieunternehmen, besonders der energieintensiven Industrien und in der Zulieferindustrie, steht das Wasser bis zum Hals.“ Aus Sicht der IG Metall müssten wettbewerbsfähige Energiekosten, der Hochlauf der Elektromobilität und Investitionen in Bildung, Straßen, Schienen und Digitalisierung im Mittelpunkt der Pläne einer neuen Bundesregierung stehen.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, sagte: „Die deutsche Wirtschaft braucht sehr schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung mit stabiler Mehrheit in der demokratischen Mitte. Der Entscheidungs- und Handlungsstau in vielen für die Wirtschaft existenziellen Fragen wie etwa des Bürokratierückbaus, staatlichen Investitionen, der Energieversorgung und der Sicherheitspolitik gehört dringend aufgelöst.“ Je länger die Unsicherheit andauert, desto mehr zögerten Unternehmen und Verbraucher mit Investitionen und Käufen, die Wirtschaft stagniere und Deutschland werde geschwächt.
Programmatische Unterschiede
Thomas Gitzel, Chefökonom der VP-Bank, zeigt sich skeptisch, ob es bei Dreier-Koalitionen zu schnellen Abschlüssen kommen kann angesichts großer programmatischer Unterschiede. Er verweist auf die entgegengesetzten steuerlichen Konzepte und die jeweilige Haltung zur Schuldenbremse. Während die Unionsparteien vor allem die Bezieher sehr hoher Einkommen zu entlasten gedenken, sollen nach dem Willen der Sozialdemokraten vor allem die Bezieher niedriger Einkommen profitieren. Die CDU und FDP sprechen in ihren Wahlprogrammen von einem Festhalten an der Schuldenbremse, während die SPD eine Reform anstrebt.
„Die neue Bundesregierung wird in den kommenden vier Jahren die Versäumnisse der jahrzehntelangen Investitionsversäumnisse nicht korrigieren können“, warnt Gitzel. Entscheidend sei deshalb, dass nicht nur zwischen den Koalitionspartnern, sondern unter allen demokratischen Parteien ein Konsens über die Notwendigkeit von großangelegten Infrastrukturinvestitionen besteht. Für den Bildungssektor, die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, und die Verteidigung muss ein langfristiger Finanzierungsrahmen in Form von Sondervermögen geschaffen werden, fordert er, der weit über die Legislaturperiode hinausreiche. In diesem Falle könnten Unternehmen ebenfalls beginnen, verlässlich zu investieren. Damit würden die Weichen für einen nachhaltigen Aufschwung gestellt werden.
Hohe Wahlbeteiligung
Bei der Bundestagswahl hat es laut ARD und ZDF eine so hohe Wahlbeteiligung wie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Sie lag demnach zwischen 83 und 84 Prozent und erreichte damit den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Mehr als 59 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Bundesweit hatte die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl 2021 am Ende - nach einer Teilwiederholung in Berlin - bei 76,4 Prozent gelegen.