Bundestagswahl

Zweier-Koalition möglich – Union gewinnt die Wahl – FDP und BSW scheitern

Die Union steht vor einer schwierigen Koalitionsbildung mit der SPD. Die demokratische Mitte ist geschrumpft und muss einen überzeugenden Politikwechsel orchestrieren, um enttäuschte Wähler von der AfD zurückzuholen.

Zweier-Koalition möglich – Union gewinnt die Wahl – FDP und BSW scheitern

Die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat die Bundestagswahl gewonnen. Sie bleibt allerdings deutlich unter ihren eigenen Zielen unterhalb von „30% plus x“, wie Merz als Ziel ausgegeben hatte. Zweitstärkste Fraktion im Bundestag mit rund um der 20-Prozent-Marke wird danach die AfD – ein Rekordergebnis und eine historische Konstellation, weil sie sich vor die SPD geschoben hat. Dahinter folgen die SPD, die auf ein historisches Tief abstürzt, sowie die Grünen. Die Linke ist überraschend stark im Bundestag vertreten. BSW und FDP scheitern dagegen an der Fünf-Prozent-Hürde und verpassen den Einzug ins Parlament. Dass das BSW es nicht geschafft hat, stand erst am frühen Morgen fest, wie die Bundeswahlleiterin nach Auszählung der Stimmen mitteilte.

Nun läuft alles auf ein Bündnis aus Union und SPD hinaus, denn eine schwarz-grüne Koalition hat keine Mehrheit der Mandate. Ein Zusammengehen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD, die sich auf 20,8% verdoppelte (10,4%), hat CDU-Chef Merz ausgeschlossen.

Die SPD erzielte mit 16,4% (2021: 25,7%) ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Scholz sprach von einem bitteren Ergebnis und einer Niederlage, für die er auch Verantwortung trage. Im Fall von Koalitionsgesprächen stehe er nicht als Verhandlungsführer zur Verfügung. Am Abend schlug die SPD-Führung den Parteichef Lars Klingbeil als neuen Vorsitzenden der Bundestagsfraktion vor. Der derzeitige Fraktionschef Rolf Mützenich, der eher den linken Flügel der SPD vertritt, kündigte in einem Brief seinen Rückzug an.

Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck sacken ab auf 11,6% (2021: 14,7%). Die Linken verbessern sich deutlich auf 8,8% (2021: 4,9%).

Bei der FDP, die mit nur 4,3% aus dem Parlament fliegt (2021: 11,4%), steht nun ein Wechsel an der Spitze an: Parteichef Christian Lindner schrieb am Abend auf X: „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus.“ Das BSW von Sahra Wagenknecht scheitert hauchdünn an der Fünf-Prozent-Hürde: Laut Bundeswahlleitung kommt das BSW auf 4,972%. Dem Sprecher der Bundeswahlleiterin zufolge fehlten dem Bündnis lediglich rund 14.000 Stimmen zum Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde.

Weidel: „Wir werden die anderen jagen“

AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem historischen Ergebnis. „Man wollte uns halbieren, das Gegenteil ist eingetreten.“ Die AfD sei bereit zur Zusammenarbeit mit der Union. „Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen.“ Zugleich kündigte sie an: „Wir werden die anderen jagen, dass sie vernünftige Politik für unser Land machen.“ Ihre Hochburgen hat die AfD im Osten: Die AfD ist in allen fünf ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft geworden.

CDU-Chef Friedrich Merz dringt auf schnelle Ergebnisse bei den Gesprächen. Die Welt „wartet nicht auf langatmige Koalitionsgespräche und -verhandlungen“, sagt er in der CDU-Zentrale. Nun sei der Wahlkampf vorbei, man müsse reden, sagt er mit Blick auf mögliche Koalitionspartner. „Es wird nicht einfach werden“, fügt er hinzu. Es müsse aber schnell klar werden: „Deutschland wird wieder zuverlässig regiert.“

Schnelle Regierungsbildung gefordert

Die Gewerkschaft IG Metall dringt auf eine schnelle Regierungsbildung. „Wir haben keine Zeit mehr. Die Industrie und die Beschäftigten können nicht Monate auf klare Perspektiven warten“, sagt die Vorsitzende Christiane Benner. „Vielen Industrieunternehmen, besonders der energieintensiven Industrien und in der Zulieferindustrie, steht das Wasser bis zum Hals.“ Aus Sicht der IG Metall müssten wettbewerbsfähige Energiekosten, der Hochlauf der Elektromobilität und Investitionen in Bildung, Straßen, Schienen und Digitalisierung im Mittelpunkt der Pläne einer neuen Bundesregierung stehen.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, sagte: „Die deutsche Wirtschaft braucht sehr schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung mit stabiler Mehrheit in der demokratischen Mitte. Der Entscheidungs- und Handlungsstau in vielen für die Wirtschaft existenziellen Fragen wie etwa des Bürokratierückbaus, staatlichen Investitionen, der Energieversorgung und der Sicherheitspolitik gehört dringend aufgelöst.“ Je länger die Unsicherheit andauert, desto mehr zögerten Unternehmen und Verbraucher mit Investitionen und Käufen, die Wirtschaft stagniere und Deutschland werde geschwächt.

Programmatische Unterschiede

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP-Bank, zeigt sich skeptisch, dass die neue Regierungskoalition in den kommenden vier Jahren die Versäumnisse der jahrzehntelangen Investitionsversäumnisse korrigieren kann. Entscheidend sei deshalb, dass nicht nur zwischen den Koalitionspartnern, sondern unter allen demokratischen Parteien ein Konsens über die Notwendigkeit von großangelegten Infrastrukturinvestitionen besteht. Für den Bildungssektor, die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, und die Verteidigung muss ein langfristiger Finanzierungsrahmen in Form von Sondervermögen geschaffen werden, fordert er, der weit über die Legislaturperiode hinausreiche. In diesem Falle könnten Unternehmen ebenfalls beginnen, verlässlich zu investieren. Damit würden die Weichen für einen nachhaltigen Aufschwung gestellt werden.


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