China steuert auf Deflationszyklus zu
China steuert auf Deflationszyklus zu
Verbraucherpreise sinken dritten Monat in Folge – Bescheidene Zinslockerung in Sicht – Außenhandel läuft auf niedrigen Touren
Chinas Wirtschaft ist der Gefahr einer möglicherweise hartnäckigen Deflationstendenz ausgesetzt, wie die jüngsten Preisdaten zeigen. Zudem kann der Exportweltmeister im Außenhandel nicht die gewohnte Stärke entfalten. Im vergangenen Jahr sah man erstmals seit 2016 wieder schrumpfende Ausfuhren.
nh Schanghai
Mit der weiteren Fortschreibung einer für China ungewohnten Deflationstendenz bei gleichzeitig schwachem Außenhandel verschlechtern sich die Aussichten für eine baldige Konjunkturaufhellung im Reich der Mitte. Chinas Verbraucherpreise sind im Dezember um 0,3% gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken, die Erzeugerpreise fielen um 2,7% zurück. Damit befindet man sich zum dritten Monat in Folge im Deflationsterritorium. Eine vergleichbar negative Preistendenz wurde letztmalig vor mehr als 14 Jahren verzeichnet.
Laue Kerninflation
Die am Freitag vom Pekinger Statistikbüro verbreiteten Inflationsdaten weisen Licht wie auch Schatten auf. So hat sich der Rückgang des Konsumpreisindex mit 0,3% nach zuvor 0,5% im November etwas gelindert. Im direkten Vergleich zum Vormonat wiederum sieht man einen winzigen Anstieg um 0,1%, der etwas Anlass zur Hoffnung gibt. Diese Entwicklung geht auf die Lebensmittelkomponente im Index zurück, hier hat sich der Preisverfall mit 3,7% im Dezember nach zuvor 4,2% weniger scharf dargestellt.
Auf Ebene der um Lebensmittel- und Energiepreise bereinigten Kerninflation, die als wichtigerer Indikator für die Binnennachfrage und Konsumneigung angesehen wird, gibt es jedoch keine Fortschritte zu verzeichnen. Hier liegt man unverändert bei einer mageren Anstiegsrate von 0,6%.
Sorge um Negativspirale
Analysten befürchten, dass ein anhaltender Deflationstrend eine Negativspirale auslöst, die sich in der Entwicklung von Unternehmensgewinnen, Löhnen sowie der Konsumnachfrage niederschlägt und auch einer erhofften Erholung des Wohnimmobilienmarktes entgegensteht. Daraus erwachsen Rufe nach eindeutigeren Stimulierungsgesten der Pekinger Regierung, die geeignet sind, einen Deflationszyklus zu durchbrechen.
Bei den Marktteilnehmern sieht man nun in erster Linie die Zentralbank gefordert, um mit Zinslockerungsgesten dem mit einem Deflationsszenario verbundenen Auftrieb bei den Realzinsen entgegenzuwirken. Eine Gelegenheit dazu bietet sich bereits am Montag, wenn die monatliche Zuteilung von Refinanzierungsgeldern für Geschäftsbanken im Rahmen der sogenannten Medium-Term Lending Facility (MLF) ansteht.
Zentralbank gefordert
Die Experten rechnen nun damit, dass die People’s Bank of China (PBOC) bereit ist, den letztmalig im August um 15 Basispunkte auf 2,5% gesenkten MLF-Zins am Montag weiter geringfügig zu senken, und sie mit der großzügigeren Zuteilung von neuen Geldern auch einen Liquiditätsimpuls setzen wird. Dies dürfte sich wenige Tage später auch im monatlichen Fixing der als Loan Prime Rate (LPR) bezeichneten Benchmark-Zinsen für Unternehmenskredite und Hypothekendarlehen niederschlagen. Insgesamt jedoch gilt der Bewegungsspielraum bei den Zinskonditionen allein schon wegen der anhaltenden Margenenge bei Chinas Banken als gering.
Die schwache Preisdurchsetzungsmacht der Unternehmen macht sich in der Exportindustrie bemerkbar. Im Herbst sah man kräftige Preiszugeständnisse von Exporteuren, die um den Erhalt von Marktanteilen im Kontext einer flauen globalen Nachfrage kämpfen. Der Mengeneffekt hat dazu beigetragen, dass Chinas Ausfuhren im Dezember mit einem unerwartet kräftigen Anstieg um 2,3% gegenüber dem Vorjahresmonat eine Belebung verzeichneten. Lichtblick sind dabei die stark ansteigenden Ausfuhren chinesischer Pkw in europäische und asiatische Länder. Auf der Importseite sah man im Dezember ebenfalls einen Turnaround. Allerdings fiel der Zuwachs gegenüber dem Vorjahresmonat mit 0,2% bescheidener als erwartet aus.
Der Weltmeister schwächelt
Insgesamt hat sich Chinas Außenhandel über das Jahr 2023 hinweg als Kummerfaktor für Chinas Wirtschaftsplaner erwiesen und stellt mit Rückgängen auf der Export- wie auch Importseite einen Abzugsfaktor für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dar. Im Jahr 2023 fielen die Ausfuhren mit einem gesamten Warenwert von 3,38 Bill. Dollar um 4,6% gegenüber Vorjahr zurück. Damit erlebt der Exportweltmeister die erste Schrumpfungsbewegung seit 2016. Auf der Importseite verzeichnet man auf Jahresbasis gerechnet ein ebenfalls enttäuschendes Minus von 5,5%, das als Reflex einer schwächelnden Binnennachfrage angesehen werden kann.