Chinas Wachstumskräfte lassen weiter nach
Chinas Wachstumskräfte lassen weiter nach
Industrieproduktion und Konsum enttäuschen – Wachstumsziel für 2024 gerät in Gefahr – Stimulus-Gesten verpuffen
nh Schanghai
Mit den jüngsten Konjunkturindikatoren aus China wachsen Befürchtungen, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft weiter an Dynamik verliert und das von der Regierung angepeilte Wachstumsziel bei 5% verfehlen dürfte. Mit Ausnahme der Exportwirtschaft lassen die bewährten Wachstumstreiber den nötigen Schwung vermissen, um das Ruder in den kommenden Monaten wieder herumzureißen.
Prognosen korrigiert
Nach der Vorlage enttäuschender Daten auf Ebene von Industrieproduktion, Konsum und Anlageinvestitionen korrigieren China-Ökonomen ihre Wachstumsprognosen für das dritte Quartal und das Gesamtjahr weiter nach unten. Im Mittel rechnen sie nun mit einer Expansion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von nur noch 4,6% im dritten Quartal und 4,8% für das Gesamtjahr.
Tempoverlust in der Industrie
Während Chinas Binnennachfrage und Konsumausgabeverhalten bereits seit längerem stark zu wünschen übrig lassen, sieht man jetzt auch einen beunruhigenden Tempoverlust im verarbeitenden Gewerbe. Laut Daten des Pekinger Statistikbüros verlangsamte sich das Wachstum der Industrieproduktion zuletzt im Jahresvergleich auf 4,5%, nach 5,1% im Juli und soliden 5,9% im zweiten Quartal.
Analysten der Commerzbank sprechen von einem besorgniserregenden Trend. Bislang nämlich galt die Performance im verarbeitenden Gewerbe, unterstützt durch Exporte und staatlich geförderte Investitionen in Sachanlagen, als Indiz dafür, dass von Peking viel beschworene „neue produktive Kräfte“ am Werk sind. Dies galt als Masche, um das schwächere Wachstum im Dienstleistungssektor abfangen können.
Zielverfehlung wahrscheinlich
Bei Fortschreibung der Entwicklung in den kommenden Monaten gilt es nun als immer wahrscheinlicher, dass die Zielmarke von 5% in diesem Jahr verfehlt wird. Letztmalig war dies im Jahr 2022 der Fall, als die von Peking durchgezogene harte Null-Covid-Restriktionspolitik das BIP-Wachstum auf 3% verkümmern ließ. Im vergangenen Jahr kam es nach Abschaffung der Corona-Restriktionen zwangsläufig zu einer Erholungsbewegung. Sie fiel jedoch bescheidener aus als ursprünglich erwartet und brachte das BIP-Wachstum mit 5,2% nur knapp über die Zielmarke.
Peking lässt gewähren
Nach einem verheißungsvollen Start mit 5,3% Wachstum im ersten Quartal kam es im Frühjahr bereits wieder zu einem Leistungsabfall mit einer auf 4,7% gebremsten BIP-Expansion. Zur Enttäuschung der Marktteilnehmer zeigt Peking aber bislang keine Bereitschaft zu größerer fiskalischer Stimulierung.
Bremse bei Investitionen
Und eine Reihe anderer Aktionen bringt nicht die gewünschte Wirkung. So ist aus der Begebung von Sonderanleihen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten keine Belebung der Anlageinvestitionen erwachsen. Das Fixed-Asset-Investment wuchs nach acht Monaten um 3,4% gegenüber Vorjahr. Zuvor im Juli lag man bei 3,6%. Dabei verlangsamte sich das Wachstum der Infrastrukturinvestitionen von 9 auf 6%. Bei den Sachinvestitionen im verarbeitenden Gewerbe sieht man ebenfalls eine Entschleunigung, während die Investitionen im Immobiliensektor mit minus 10% unverändert deutlich schrumpfen.
Konsumklemme
Auch ein im Sommer angestoßenes „Umtauschprogramm“ mit Abwrackprämien für höherwertige Konsumgüter wie Autos zeigt sich wenig effektiv. Im August fiel das Wachstum der Einzelhandelsumsätze als Gradmesser für die Konsumaktivität von zuvor 2,7% auf 2,1% zurück. Werte mit einer Zwei vor dem Komma sind Ausdruck für einen erheblichen Missstand. In Normalzeiten pflegten die Retailsektorerlöse um 6 bis 8% zuzulegen.