Das E-Wort
Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) wandeln zunehmend auf unterschiedlichen Pfaden: Während die Fed allmählich über einen Kurswechsel in Richtung einer weniger expansiven Geldpolitik nachzudenken und die Märkte damit für selbigen zu sensibilisieren scheint, weisen viele Euro-Hüter das böse E-Wort – „Exit“ – bei jeder Gelegenheit mit Scheu und Empörung von sich. Tatsächlich steht die Fed ob der Wirtschafts- und Inflationsentwicklung in den USA stärker unter Druck. Aber auch die EZB täte mehr als gut daran, sich zumindest mit Ausstiegsszenarien zu beschäftigen.
In den USA steuert die Wirtschaft nach dem Rekordeinbruch in der Corona-Pandemie auf einen wahren Wirtschaftsboom zu. 7% Wachstum oder mehr scheinen realistisch. Zugleich hat sich die Inflation sehr viel stärker beschleunigt als erwartet – auf stolze 4,2% im April. Dieser Preisschub hat fraglos viele temporäre Gründe. Aber zugleich gibt es zunehmend Anzeichen, dass die Inflation wohl nicht auf frühere Tiefststände zurückfallen wird. Ein simples Weiter-so bei der ultralockeren Geldpolitik aus der Corona-Hochphase ist auf jeden Fall nicht mehr angezeigt. Insofern ist es absolut richtig, wenn Fed-Vize Richard Clarida nun andeutet, dass die Fed auf einer der nächsten Sitzungen damit anfangen könnte, über die Reduzierung der Anleihekäufe zu diskutieren.
Die allermeisten EZB-Granden wollen davon bislang nichts wissen. Sie fürchten jegliche Verschärfung der Finanzierungsbedingungen wie der Teufel das Weihwasser. In der Tat hinkt die Euro-Wirtschaft dem US-Pendant hinterher, und sie wirkt anfälliger für steigende (Markt-)Zinsen. Und auch die Inflation im Euroraum insgesamt ist weit entfernt von den US-Niveaus, wenngleich in Deutschland Ende 2021 eine 4 vor dem Komma stehen könnte. Aber der globale Konjunkturboom erreicht auch Europa, und die Preise ziehen mindestens allmählich an. Das wirtschaftliche Umfeld würde es ergo sicher rechtfertigen, das im zweiten Quartal erhöhte Kauftempo beim Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP wieder etwas zu drosseln. Perspektivisch muss die EZB aber vor allem eine Strategie für den Exit entwickeln und zeitig aufzeigen – umso mehr angesichts der Abhängigkeit einiger Euro-Staaten vom EZB-Liquiditätstropf.
Weltweit sollte die Geldpolitik die expansivste Phase hinter sich haben. Der Ausstieg ist dabei grundsätzlich alles andere als einfach. Angesichts der beispiellosen Interventionen in der Pandemie dürfte er nun aber sogar beispiellos schwierig werden. Das darf aber nicht dazu führen, den Exit niemals anzugehen.