Wechselkurse

Debatte über Devisen­interventionen

Der Dollar ist im Vergleich zu vielen Währungen so stark wie seit Jahrzehnten nicht. Für viele andere Länder verschärft das das ohnehin große Inflationsproblem. Japan hat nun Konsequenzen gezogen und am Devisenmarkt interveniert. Experten sind skeptisch.

Debatte über Devisen­interventionen

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die ersten Devisenmarktinterventionen Japans zur Stützung des schwächelnden Yen seit mehr als 20 Jahren haben Spekulationen sowie Diskussionen über weitere Eingriffe am Währungsmarkt ausgelöst – womöglich auch koordiniert auf globaler Ebene. Genauso gering wie die Erfolgschancen Japans im Kampf gegen die Yen-Schwäche schätzen führende Experten aber auch die Aussicht auf gemeinsame Interventionen wie in den 1980er Jahren ein. Das wird vor allem mit divergierenden Interessen der führenden Wirtschaftsmächte und negativen Erfahrungen der Vergangenheit begründet.

Kein Vorbild für die EZB

Japan hatte am Donnerstag erstmals seit 1998 am Devisenmarkt eingegriffen, um den Yen zum Dollar zu unterstützen – unmittelbar nachdem die Bank of Japan (BoJ) mitgeteilt hatte, dass sie sich weiter dem globalen Trend zu kräftigen Zinserhöhungen widersetzt. Japans Finanzministerium verwies auf „exzessive Bewegungen“ bei den Wechselkursen, die „entschlossenes Handeln“ nötig machten. Das US-Finanzministerium erklärte daraufhin, man verstehe das Einschreiten Tokios; zugleich machte es aber deutlich, dass es sich nicht angeschlossen habe.

Der Dollar ist im Vergleich zu vielen Währungen derzeit so stark wie seit Jahrzehnten nicht. Auch der Euro ist unter die Parität zum Greenback gefallen und rutscht immer weiter ab. Hintergrund der Dollar-Stärke ist der straffe Zinserhöhungskurs der US-Notenbank Fed, die relative Stärke der US-Wirtschaft und der Status des Dollar als „sicherer Hafen“. Die Abwertung ihrer Währungen zum Dollar vergrößert aber für viele Länder über höhere Importpreise das ohnehin große Inflationsproblem. Einige Länder wie Indien und Südkorea sind bereits am Devisenmarkt eingeschritten. Im Kreis der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) sind Interventionen aber ei­gentlich verpönt. Einige Experten spekulieren schon auf globale Interventionen gegen die Dollar-Stärke wie 1985 beim „Plaza Accord“.

Am Donnerstag schritt nun Japan am Devisenmarkt ein. Dank der Interventionen gelang es zwar, den Dollar-Yen-Wechselkurs unter den zeitweiligen Höchststand bei rund 146 Yen zu drücken, aber die wichtige Schwelle bei 140 Yen wurde nicht unterschritten.

Bei Beobachtern stößt der Schritt auf ein geteiltes Echo. „Das war ein wichtiges Signal, dass die BoJ mit der Wechselkursentwicklung so unzufrieden ist, dass sie ihre Bilanz zur Stützung des Yen einzusetzen bereit ist“, sagt Karsten Junius, Chefvolkswirt der Schweizer Bank Safra Sarasin. Er glaubt aber nicht an eine nachhaltige Kurswende. „Dazu läuft die Zinsdifferenz weiter noch zu stark auseinander.“ Aus eben diesem Grund fällt auch das Urteil von George Saravelos, Co-Chef des Devisenresearch der Deutschen Bank, kritisch aus: Die Intervention werde kaum funktionieren und zu unnötigen Verlusten an Währungsreserven und Glaubwürdigkeit führen.

Die Experten raten denn auch der Europäischen Zentralbank (EZB) davon ab, es Japan gleichzutun – auch wenn die Euro-Schwäche das Inflationsproblem verstärkt. „Die BoJ ist kein Vorbild für die EZB“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Be­renberg Bank. „Insgesamt sehen wir eine ausgeprägte Dollar-Stärke, keine Euro-Schwäche. Daran dürften Interventionen wenig ändern.“ Im Vergleich zu anderen Faktoren, insbesondere den Preisen für Gas und Strom, spiele der Wechselkurs für Inflation und Konjunktur in der Eurozone derzeit nur eine untergeordnete Rolle.

Auch der Geldpolitikexperte und Ex-Wirtschaftsweise Volker Wieland hält solche Interventionen für „wenig sinnvoll“: „Ein empirisch bedeutsamer Effekt tritt wohl nur ein, wenn die stützenden Interventionen der Notenbank – in dem Fall der Bank von Japan oder der EZB – ein Signal für stärkere Leitzinserhöhungen als bisher erwartet darstellen. Dann kann man aber gleich direkt signalisieren, dass die anstehen.“

Der Schritt Japans und die recht wohlwollende Reaktion der USA weckten Erinnerungen an den „Plaza Accord“ und schürten Spekulationen, dass es künftig auch eine koordinierte Intervention geben könnte. „Die Tatsache, dass das US-Finanzministerium gesagt hat, es habe ,verstanden’, warum die Intervention stattfand, könnte die Erwartung wecken, dass die Finanzminister der G20 bei ihrem Treffen am 12. Oktober die Laissez-faire-Devisensprache in ihrem Kommuniqué abändern“, sagt Frantisek Taborsky, Währungsexperte der ING. Im G20-Statement heißt es primär, dass Wechselkurse die wirtschaftlichen Fundamentaldaten widerspiegeln sollten und es keinen Abwertungswettlauf geben sollte.

Gleichwohl gilt den meisten Experten eine koordinierte Intervention als unwahrscheinlich. „Wir befinden uns aktuell in einem ,reverse currency war’, in dem sich die Zentralbanken tendenziell fast überbieten mit Zinserhöhungen. Keine hat ein Interesse an einer schwachen Währung“, sagt Junius mit Blick auf die vielerorts zu hohe Inflation. „Dies ist wahrscheinlich auch der fundamentale Unterschied zu den 1980er Jahren.“ Viraj Patel, Stratege bei Vanda Research, sieht die Wahrscheinlichkeit, dass das US-Finanzministerium jetzt eingreift, um den Dollar zu schwächen, „bei nahezu 0%“: Patel weiter: „Es gibt tonnenweise Literatur, die zeigt, dass es sinnlos ist, sich am Devisenmarkt gegen den Wind zu lehnen, wenn die Geldpolitik den gegenteiligen Effekt hat.“ Solange das Ende der Fed-Zinsschritte nicht absehbar sei, dürfte die Dollar-Stärke anhalten.

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