Rom sucht Sparmaßnahmen

Defizitsünder Italien

Die EU leitet ein Verfahren gegen Italien ein. Rom weist das höchste Defizit und die zweithöchsten Schulden der EU auf und sucht nun nach Einsparungen und/oder Mehreinnahmen.

Defizitsünder Italien

Italien ist Klassenletzter

Schuldenberg von 137 Prozent − Spreads steigen − Meloni in der Zwickmühle

bl Mailand

Es ist keine Überraschung für Italiens Premierministerin Giorgia Meloni, dass die EU-Kommission nach den neu gefassten Schuldenregeln ein Defizitverfahren gegen Italien eingeleitet hat. Mit einem Fehlbetrag von 7,4% im vergangenen Jahr ist Italien EU-Klassenletzter. Und mit einem Schuldenberg von 137% steht Italien diesbezüglich gerade mal vor Griechenland. Italiens Regierung muss nun bis 20. September zeigen, wie man die Schulden reduzieren will.

Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti spielt zwar das Problem herunter. Er verweist auf die vom früheren Premierminister Giuseppe Conte 2020 eingeführte Förderung der ökologischen Sanierung von Gebäuden, die die Staatsschulden um 220 Mrd. Euro anschwellen ließ. Aber auch die Regierung Meloni ließ die Entwicklung über ein Jahr weiter treiben, bevor sie endlich einschritt.

30 Mrd. Euro gesucht

Nun muss Rom 30 Mrd. Euro finden, um die Auflagen zu erfüllen und (theoretisch) drohende Sanktionen Brüssels zu verhindern. Allein die Fortschreibung der Steuersenkungen sowie renten- und familienpolitischen Maßnahmen aus dem Vorjahr schlagen mit fast 20 Mrd. Euro zu Buche. Dabei sind neue Vorhaben gar nicht berücksichtigt.

Theoretisch gibt es drei Möglichkeiten. Die Ausgaben reduzieren, auf geplante Maßnahmen zu verzichten oder Steuern zu erhöhen. Alle drei erscheinen nicht realistisch. Zu Ausgabensenkungen fehlt der Mut. Die bis 2027 angepeilten Privatisierungserlöse von 20 Mrd. Euro sind unrealistisch. Bisher wurden gerade einmal 3 Mrd. Euro seit 2022 erlöst. Und die Einführung einer Plastik- und Zuckersteuer wurde gerade erneut verschoben. Die Refinanzierung der Schulden wird teurer, auch weil der Spread zwischen deutschen und italienischen Zehn-Jahres-Bonds infolge des französischen Ergebnisses bei den Europawahlen seit Mitte Mai von 114 auf 151 Basispunkte gestiegen ist.

Meloni, die sich nach ihrem Wahlsieg bei den Europawahlen und dem für sie erfolgreichen G7-Gipfel in einer Position der Stärke wähnt, steckt in einer Zwickmühle. Es gibt massiven Widerstand gegen die von ihr geplante Verfassungs- und Verwaltungsreform mit einer Ausweitung der Autonomie für die Regionen – auch in ihrer eigenen Regierungskoalition. Und die geplante Stärkung der Position des Premierministers durch eine Direktwahl sowie eine Wahlreform, die der stärksten Partei 55% der Parlamentssitze sichern soll, könnte in einem Referendum blockiert werden.

Meloni hofft auf mehr Einfluss für sich und ihre rechtskonservative europäische Parteienfamilie, zu der nun auch die rechtsextreme Marine-Le-Pen-Nichte Marion Maréchal und andere Parteien gestoßen sind. Doch dass das gelingt, ist nicht gesagt. Sie weiß, dass Italien Europa braucht: Ohne die gemeinsame Währung wären Italiens Zinsen deutlich höher und es gäbe keine gigantischen Hilfsprogramme aus Brüssel. Doch Meloni will ein anderes Europa.

Ungeniert strebt sie eine erneute Änderung des gerade erst reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts an. Ausgaben für Rüstung, Digitalisierung oder ökologischen Wandel sollten ausgeklammert werden. Doch mahnt Brüssel sie, ihre Hausaufgaben zu machen. Italien soll etwa sicherstellen, dass das Europäische Wiederaufbauprogramm Next Generation, dessen größter Nutznießer Rom mit 191,5 Mrd. Euro ist, zeitgerecht umgesetzt wird.

Mit dem Bezug der europäischen Gelder einhergehende Verpflichtungen hält Meloni jedoch ungern ein. Italien ist das einzige Land, das die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) blockiert. Auch bei der Umsetzung von Reformen der Justiz oder der Verwaltung hinkt Italien weit hinterher. Gleichzeitig macht die Regierung Meloni mobil gegen das Verbrenner-Aus 2035 und verbietet auf nationaler Ebene etwa synthetisches Fleisch. Und bei aller verbalen Unterstützung der Ukraine sind Italiens Hilfen im Vergleich zu den deutschen lächerlich gering.

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