Deflationärer Druck trotz leicht höherer Inflation
Chinesische Teuerung legt zu, aber die Deflationssorgen bleiben
Erzeugerpreise fallen deutlich – „Abwärtsspirale droht“
dpa-afx/mpi Peking/Frankfurt
Die Inflation in China hat im August mit einem leichten Anstieg die höchste Jahresrate seit Monaten erreicht. Das lag vor allem an den Lebensmittelpreisen, die infolge von Überschwemmungen und Hitzewellen in diesem Sommer deutlich zugelegt haben. Zudem meldete das Statistikamt allerdings zeitgleich einen unerwartet starken Rückgang der Erzeugerpreise. In Summe warnen Ökonomen daher weiterhin vor einem Deflationsdruck in der ohnehin schon schwächelnden zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Die Verbraucherpreise stiegen im August im Jahresvergleich um 0,6%, wie das Statistikamt am Montag in Peking mitteilte. Dies ist die stärkste Teuerungsrate seit Februar. Im Juli hatte die Inflation bei 0,5% gelegen. Analysten hatten für August im Schnitt mit einem Anstieg auf 0,7% gerechnet. Den Statistikern zufolge sind die Preise für Nahrungsmittel überdurchschnittlich stark gestiegen: um 2,8% im Jahresvergleich. Dagegen sind die Kosten für Transport und Kommunikation deutlich gesunken.
Kernrate sinkt
In China ist die Inflation vergleichsweise gering. In den vergangenen Monaten hatte sie mehrfach nahe der Nulllinie gelegen. Von Oktober 2023 bis Januar 2024 sanken die Preise sogar, also eine Deflation. Trotz des aktuellen Anstiegs der Teuerung bleibt die Gefahr eines Rückgangs der Verbraucherpreise weiterhin bestehen. Die Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise nicht berücksichtigt sind, ist im August von 0,4 auf 0,3% gefallen. Die Kerninflation gilt Ökonomen als guter Gradmesser für den unterliegenden Preisdruck. Er ist in China derzeit also nur schwach ausgeprägt.
Für Verbraucher hat eine Deflation auf den ersten Blick Vorteile, weil für sie Konsum dann billiger wird. Ökonomen halten sinkende Preise aber auf lange Sicht für Gift für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Unternehmen verdienen weniger, wodurch die vereinbarten Löhne schwieriger zu bezahlen sind. Arbeitsplätze könnten dadurch in Gefahr geraten. Zudem verschieben Konsumenten Anschaffungen dann eher in die Zukunft, da sie mit rückläufigen Preisen rechnen. Das würgt die Konjunktur ab. In der Folge kann sich die Deflation noch weiter verstärken – ein Teufelskreis, der für Notenbanken und Regierungen nur schwer zu durchbrechen ist.
Chinesische Konjunktur schwächelt
Insofern dürfte der unerwartet starke Rückgang der Erzeugerpreise bei den Währungshütern und der chinesischen Regierung nicht auf Freude stoßen. Sie fielen im August im Jahresvergleich um 1,8%, nachdem der Rückgang im Vormonat nur 0,8% betragen hatte. Die Erzeugerpreise – also die Preise, die Hersteller für ihre Waren verlangen – können Einfluss auf die allgemeine Preisentwicklung nehmen. Analystin Michelle Lam von der französischen Bank Société Générale sieht daher weiter einen „deflationären Druck in China“, der sich immer mehr verfestige. „Dies könnte durchaus eine Abwärtsspirale zwischen Preisen und Löhnen befeuern, die radikalere politische Maßnahmen erfordert“, sagte die Expertin.
Unicredit führt die niedrigeren Verbraucher- und Erzeugerpreise als erwartet in China darauf zurück, dass „die gedämpfte Wirtschaftstätigkeit den Abwärtsdruck auf die Preissetzungsmacht der Unternehmen verstärkte und das Deflationsrisiko erhöhte“. Die chinesische Wirtschaft läuft bereits seit längerer Zeit für dortige Verhältnisse schleppend. Jüngste Konjunkturindikatoren deuten zudem nicht auf einen baldigen starken Aufschwung hin. Bei anhaltend schwacher Binnennachfrage und latenter Konsumzurückhaltung spürt sowohl der Industrie- als auch der Dienstleistungssektor derzeit konjunkturellen Gegenwind.